Vincent Keymer ist mit einem Turniersieg ins Bieler Schachfestival gestartet. Beim “ACCENTUS Chess960” stand der 17-Jährige nach sieben Runde mit fünf Punkten und einer 2846-Performance vorne, punktgleich allerdings mit Nodirbek Abdusattorov. Die höhere Zahl von Schwarzsiegen machte Keymer zum Turniersieger.
Traditionell beginnt das Bieler Schachfestival mit dem Schach960-Wettbewerb – mutmaßlich zur Freude der teilnehmenden Großmeister. Ein Spitzenspieler, der nicht gerne Schach960 spielt und es nicht gerne häufiger spielen würde, hat sich noch nicht offenbart. “Die reinste Form des Schachs” hat es jetzt der ebenfalls in Biel weilende indische Großmeister Sethuraman genannt:
Sethuraman hatte an der Internationalen Schweizer Meisterschaft im Schach960 teilgenommen, die traditionell parallel zum Einladungsturnier läuft. Nach sieben Runden Schweizer System stand ein anderer Inder oben: Anand-Sekundant Surya Ganguly gewann das Turnier mit 6,5 Punkten. GM Sethuraman und WGM Vera Nebolsina (Ehefrau von Gata Kamsky) teilten sich mit 5,5 Punkten den zweiten Platz.
Direkt vom Bundesligafinale in Bremen war Keymer nach Biel gekommen – nicht als einziger. Auch sein Mannschaftskamerad Gata Kamsky hatte in Bremen für die SF Deizisau am Brett gesessen. Arkadij Naiditsch kam sogar als Deutscher Meister nach Biel. Er hatte am Sonntag mit der OSG Baden-Baden den 15. Meistertitel in 16 Spielzeiten gewonnen.
Keymer räumte nach dem Turniersieg ein, keine allzu große Erfahrung mit Schach960 zu haben. “Ein paar Onlinepartien – und natürlich die beiden 960-Turniere in Biel in den vergangenen Jahren.” Wichtig findet er, gut in Partien hereinzukommen. “Wenn du dich früh komfortabel fühlst, ist es einfacher.”
Insofern lief das Turnier 2022 erst einmal nicht nach Wunsch: “Mit einer Niederlage gestartet, noch dazu mit Weiß, das hat die Sache schwierig gemacht”, erklärte Keymer im Gespräch mit Angelika Valkova. “Aber dann habe ich reingefunden, kam in Form und hatte auch das Gefühl, dass ich besser verstehe, wie dieses Spiel funktioniert.” Er sei im Flow gewesen, sagte Keymer. “Wenn du im Wettbewerb mit so vielen starken Spielern stehst, ist es wichtig, dass du Vertrauen zu dem hast, was du tust.”
Mit der Perspektive, das Turnier tatsächlich noch gewinnen zu können, habe er sich erst spät beschäftigt. “Nach der Auftaktniederlage war ich schon froh, bald wieder bei 50 Prozent und dann sogar bei plus eins zu stehen.” Auch plus eins wäre nach Keymers Einschätzung angesichts der starken Gegner ein gutes Ergebnis gewesen.
Auf den weiteren Verlauf des Festivals könnte der Turniersieg zum Auftakt einen positiven Effekt haben. “Es ist gut zu wissen, ich kann hier spielen, und es funktioniert, was ich tue.” Aber eine Garantie für alles Weitere gebe es nicht. “Leicht ist es nie.”
Am heutigen Dienstag geht es in Biel mit Schnellschach weiter.
Die 960-Begeisterung ist ironisch, oder nicht?