Nach seinem 1,5:0,5-Finalsieg im Belgrader Grand Prix über den Russen Dmitry Andreikin steht Richard Rapport fast als WM-Kandidat 2022 fest. Simulationen geben ihm eine Chance von deutlich über 90 Prozent, auch nach dem finalen Grand Prix in Berlin (ab 21. März) auf den ersten beiden Plätzen der Grand-Prix-Wertung zu stehen.
Kurioserweise haben die beiden Finalisten des ersten Grand Prix, Hikaru Nakamura und Levon Aronian, signifikant schlechtere Chancen. Der Grund: In der dritten Grand-Prix-Etappe werden die beiden US-Großmeister in einer Vorrundengruppe spielen. Entweder Nakamura oder Aronian kann es aufgrund dieser Konstellation ins Kandidatenturnier 2022 schaffen, nicht beide.
Dasselbe gilt für Andreikin, der sich nach seinem Finaleinzug in Belgrad auf dem mit Aronian geteilten dritten Platz der Grand-Prix-Wertung befindet. Auch Andreikin startet in Berlin in derselben Vorrundengruppe wie Aronian und Nakamura, sodass diese Drei gegenseitig ihre Chancen mindern.
Macht Nakamura das Rennen in seiner Vorrundengruppe, steht Aronian eine Hintertür ins Kandidatenturnier offen. Da nach jetzigem Stand kaum vorstellbar ist, dass Sergey Karjakin am Kandidatenturnier teilnimmt, wird ein Nachrücker ins Turnier rutschen. Dem Reglement nach wäre es derjenige Spieler mit der besten Elo, der zwischen Juni 2021 und Mai 2022 mindestens 30 gewertete Turnierpartien gespielt hat.
Sollte nicht der pandemiebedingt zuletzt kaum noch aktive Weltranglistendritte und WM-Zyklus-Pechvogel Ding Liren bis Mai 2022 die fehlenden 26 gewerteten Partien spielen, zöge der Weltranglistenvierte das Kandidaten-Los: Levon Aronian. Allerdings liegt Aronian nach Elo nur knapp vor Wesley So, der mit einem guten Grand Prix nach Elo überholen könnte und obendrein eine kleine Chance hat, sich selbst via Grand Prix zu qualifizieren.
Denkbar ist auch eine Konstellation, die zu zwei oder gar drei Nachrückern ins Kandidatenturnier führt. Der hauptberufliche Schach-Streamer Hikaru Nakamura hat schon angedeutet, dass er im Fall einer Qualifikation via Grand Prix nicht sicher wäre, ob er am Kandidatenturnier teilnimmt. Außerdem steht seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ein Fragezeichen über Ian Nepomniachtchi, der als WM-Herausforderer 2021 qualifiziert ist.
Sollte sich die FIDE bis zum Kandidatenturnier, womöglich unter einem neuen Präsidenten, dem Kurs fast aller anderen Sportverbände anschließen, sollte sie beschließen, was der ukrainische, der polnische, der englische, der niederländische, der nordische und nicht zuletzt der europäische Schachverband schon beschlossen haben, dann dürfte im Sommer 2022 kein Russe am Kandidatenturnier teilnehmen. Auch Nepomniachtchi wäre draußen.
Sicher ist, dass der in Belgrad lebende Ungar Richard Rapport eine Bereicherung fürs Kandidatenturnier wäre. Favorit wäre der Weltranglistenzehnte eher nicht, dafür spielt er zu wechselhaft, aber er wäre für jeden Gegner gefährlich und fürs Publikum ein Garant, wilde Gefechte zu sehen, garniert mit außergewöhnlichen Ideen.
Der Weg von Richard Rapport auf den ersten Platz in Belgrad begann mit seinem Gewinn der Vorrundengruppe C, in der er sich mit Vidit Santosh Gujrathi, Vladimir Fedoseev und Alexei Shirov auseinandersetzen musste. Mit vier Unentschieden und zwei Siegen (jeweils gegen Gujrathi) sicherte sich Rapport den ersten Platz und ein Ticket für die K.-o.-Runde.
Im Halbfinale wartete Maxime Vachier-Lagrave – der Blitz-Weltmeister und Gewinner der extrem starken „Todesgruppe D“. In der ersten Partie des Halbfinals triumphierte Rapport über Vachier-Lagraves Grünfeld-Inder, in der zweiten hielt er als Schwarzer dem Druck des Franzosen stand.
Wenn in wenigen Tagen der Grand Prix in Berlin läuft, kann sich Rapport zurücklehnen und wahrscheinlich entspannt zuschauen, wer ihn ins Kandidatenturnier begleitet. Er nehme jetzt Urlaub und tanke Kraft, sagte der 25-Jährige. Schon sehr lange habe er nicht mehr seine Familie in Ungarn besucht. Das will Rapport jetzt nachholen.
(Titelfoto: Mark Livshitz/FIDE)
Im Artikel wird die gesamte top10 der Live-Ratingliste gezeigt: neben Aronian und So haben auch Giri und Mamedyarov Chancen auf einen Reserveplatz im Kandidatenturnier. Insgesamt trennen sie ja 14 Punkte, 10 Punkte kann man bereits durch einen Sieg im direkten Duell gut machen. Möglich in Berlin: Halbfinales Aronian-Mamedyarov und So-Giri, Finale zwischen den beiden Siegern. Und das ist noch nicht alles: Womöglich und wenn sie es mitbekommt, schaut die ganze Schachwelt am Wochenende danach nochmals nach Deutschland – die Bundesliga-Doppelrunde am 9./10.4. wird wohl auch noch für die Mai-Liste ausgewertet. Aronian und Giri werden in Aachen gegen Aachen und Düsseldorf… Weiterlesen »
Anderes Thema: Was genau hat der europäische Schachverband beschlossen? Formal wohl noch nichts, da es auf der Generalversammlung ratifiziert werden muss. Bei der ab 27.3. stattfindenden EM in Reykjavik fehlen zwar die auf 2700chess.com noch erwähnten Alekseenko und Artemiev, aber diverse andere Russen sind – ohne Flagge – weiterhin gemeldet: Sarana, Svidler, Paravyan, Goryachkina, usw. . Die Generalversammlung ist vielleicht während dem Turnier: Es kann eigentlich nicht sein, dass bereits angereiste Russen und Russinnen dann während dem Turnier, oder gar vor der ersten Runde disqualifiziert werden. Auch wenn das aus anderem Grund letztes Jahr am Tegernsee der Fall war: Während… Weiterlesen »
[…] und Schachpartien zu verfolgen. Vom Grand Prix in Belgrad habe ich nichts mitbekommen außer dem Ergebnis, das mir zwangsläufig irgendwann auf Twitter begegnet […]
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