Live geschaltet ist es noch nicht. Zumindest nicht auf der Mutterseite. Aber jedem steht jetzt schon frei, sich auf der Entwicklungsseite anzuschauen und auszuprobieren, wie Lichess sein Taktik-Training gepimpt hat.
Seitdem Lichess-Entwickler Thibault Duplessis die Seite im Sommer 2010 ins Netz gestellt hat, sieht das Taktik-Training gleich aus. Es funktioniert, es läuft weitgehend automatisiert. Aus den vielen Millionen auf Lichess gespielten Partien filtert ein Algorithmus Taktikaufgaben und fügt sie automatisch der Sammlung auf der Seite hinzu. Menschliche Eingriffe sind nicht nötig.
Dieser Umstand limitiert das Taktiktraining auf Lichess. Starke Vereinsspieler, Schachmeister gar, können mit den schwierigeren Aufgaben etwa jenseits der 2200 wenig anfangen. Zu oft ist die Lösung eine bizarre, fürs menschliche Gehirn kaum zu verdauende Computervariante. Die zu finden, schult weder die Motiverkennung noch die Rechenfertigkeit, es stiehlt in erster Linie Trainingszeit. Lichess hat zwar eine Daumen-hoch-Daumen-runter-Option für die Puzzles eingerichtet, sodass die Spieler von sich aus schlechte Puzzles markieren, aber gerade in den hohen Schwierigkeitsgraden reicht das nicht aus.
Will der Schachmeister auf meisterlichem Level Taktik trainieren, geht er eher nicht zu Lichess, sondern zu einer kommerziellen Seite, die Mitarbeiter dafür bezahlt, manuell bizarre Computerpuzzles auszusortieren. Zum Taktiktraining von chess.com zum Beispiel, wo die 150.000 zur Verfügung stehenden Puzzles eine menschliche Kontrolle durchlaufen haben, bevor sie online geschaltet worden sind.
Lichess hat es von Anbeginn verstanden, trotz limitierter Ressourcen mit Erfindungsgeist, neuen Features und einer schlanken, schnellen Seite die kommerziellen Mitbewerber vor sich herzutreiben. Chess.com (mit mittlerweile 250 Mitarbeitern!) wäre wahrscheinlich heute noch ein überladenes, mehr schlecht als recht funktionierendes Kommerzmonster, hätten seine Macher nicht schon bald den Atem dieser frischen, freien, stabilen und in mancher Hinsicht besseren Seite im Nacken gespürt. Lichess zwingt nicht nur chess.com, sich fortlaufend selbst auf den Prüfstand zu stellen.
Die Taktik fürs Trainingsziel
Beim Taktiktraining aber machen sich die Grenzen der Automatisierung bemerkbar. Maschinen verstehen nicht, was für den Menschen ein gutes oder schlechtes Puzzle ist, und darum können sie schlechte nicht aussortieren (siehe dazu auch unser Gespräch mit chesspuzzle.net-Gründer Martin Bennedik). Gleichwohl können Algorithmen den Bestand sortieren, auf vielfältige Weise sogar. Eine maschinelle Sortierung wiederum erlaubt dem Benutzer, eine Vorauswahl zu treffen, die dazu führen kann, dass er “schlechte” Puzzles gar nicht erst zu sehen bekommt, stattdessen solche, die seinem jeweiligen Trainingsziel dienen.
Solche möglichen Trainingsziele gibt das neue Lichess-Taktiktraining nun vor. Trainiert werden können spezielle Partiephasen, im Fall der Endspiele sogar spezifische Endspiele. Dazu kommen Aufgaben, in denen klassische taktische Motive (Hinlenkung, Ablenkung, Fesselung) eine Rolle spielen ebenso wie Motive anderer Art, etwa Angriffe auf den kurz oder lang rochierten König.
Dazu natürlich der größte Klassiker aus der Taktikabteilung: Mattsetzen. Von “Matt in 1” bis “Matt in 5” stehen jeweils hunderte Puzzles bereit. Nicht fehlen in dieser Reihe darf des Anfängers Lieblingsmatt, das erstickte, sowie das Matt, das jeder Schachschüler zuerst lernt, das auf der Grundreihe.
[…] in diesen Wochen Schlag auf Schlag. Nach dem allgemein komplett neu sortierten und diversifizierten Taktik-Training, dem Puzzle-Sturm und dem Puzzle-Rennen hat die Seite jetzt den „Puzzle Streak“ […]