Die DWZ abschaffen?

Die Franzosen haben ihre nationale Wertungszahl abgeschafft. Die Italiener auch. Und wir? Brauchen wir die DWZ? Könnten wir allein mit dem Elo auskommen? Wäre das womöglich günstiger? Oder praktisch gar nicht zu machen? Was bietet die DWZ, das dem Elo fehlt?

Darüber sollte geredet werden, bevor die Entscheidung fällt, für einen fünfstelligen Betrag das DWZ-System DEWIS neu entwickeln zu lassen. Weil diese Entscheidung unmittelbar bevorsteht, haben wir beim Präsidenten des Schachbunds und beim Pressesprecher des Schachbunds um ein Interview in Sachen DWZ gebeten: Ein Experte möge Für und Wider aufzeigen und abwägen. Die Anfrage wurde nicht beantwortet.

Speziell über das Für wird durchaus geredet – intern und streng kontrolliert. Beim DSB hat sich nach dem Kongress eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich der DWZ- und Mitgliederverwaltung annimmt. Mitmachen durften Leute, die der DSB-Präsident nicht zu den “Störenfrieden” zählt. Schachfreunden mit zu großer Nähe etwa zum Niedersächsischen Schachverband oder zur Deutschen Schachjugend wurde der Wunsch, sich einzubringen, verwehrt.

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Bevor die Arbeit begann, stand eine Misstrauenserklärung im Raum:

Würde vertrauensvoll zusammengearbeitet, müssten Selbstverständlichkeiten nicht schriftlich fixiert werden. Und wo Demokratie ist, darf privat jeder über alles reden, ob sein Arbeitsgruppenleiter das nun gutheißt und protokollieren lässt – oder nicht.

Danach wurde klargestellt, dass eine ergebnisoffene Debatte nicht erwünscht ist:

Von Beginn an operierte die Arbeitsgruppe unter der Vorgabe “Bekenntnis zur Fortführung der DWZ”, ohne dass erörtert worden wäre, ob diese Fortführung sinnvoll und wünschenswert ist.

In Ermangelung von Fachwissen haben wir einfach mal die Schachfreunde in den Sozialen Medien gefragt. Sogleich offenbarte sich, dass das Thema “DWZ” erstaunliches Engagement auslöst. Es besteht Redebedarf:

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Werner Berger
Werner Berger
3 Jahre zuvor

Es wäre fatal, sich in die finanzielle Abhängigkeit der FIDE zu begeben, indem die DWZ abgeschafft und alles ELO ausgewertet wird. Und es fehlen die ausgebildeten Schiedsrichter, um die unteren Ligen und Vereinsturniere auswerten zu können. Insofern erscheint mir eine ergebnisoffene Debatte nur als Zeitverschwendung. Im übrigen hat der DSB ein Diskussionsforum eingerichtet, in dem sich jedermann zu Wort melden kann.

Nürnberger
Nürnberger
3 Jahre zuvor

Ich würde als DSB Präsident dem Blog des Michael S. Langer und seinem Adjutanten auch kein Interview geben.

Frank Bicker
3 Jahre zuvor

Was mir bekannt ist, bringt die Elo-Auswertung gute Einnahmen im Haushalt der FIDE. Dem DSB-Vorstand ist bewusst, dass weniger Turniere ausgewertet werden, wenn die DWZ abgeschafft wird. Im Gegenteil, die DWZ wird als wichtiger Grund für eine Vereinsmitgliedschaft angesehen. Auh wenn man aus Freude am Schach Punktspiele und Wettkämpfe betreibt, so will man gern auch eine Einordnung dwer eigenen Leistungen bekommen, was nur mit einem Ratingsystem möglich ist. Kurzum, Rating dient auch der Motivation. Bei Kindern (bis 12 oder 14 Jahre?) sollte man das Schielen auf Ratingzahlen vermeiden. Man kann schauen, ob man wieder die Leistungsklassen 1 (höchste Bewertung) bis… Weiterlesen »

Der Tiger von Meppen
Der Tiger von Meppen
3 Jahre zuvor

In den o.g. Kommentaren stehen ja bereits die wesentlichen Argumente drin. Wenn Elo-ausgewertet wird, muss man als Veranstalter wesentlich höhere Kriterien erfüllen (Schiedsrichter, Auslosung, Bedenkzeit). Außerdem

chesshans
chesshans
3 Jahre zuvor

Nur um die benannten Argumente noch mal mit Zahlen zu füttern. Für eine ELO-gewertetes Turnier zahlt man als Veranstalter derzeit 3 Euro pro Spieler, für eine DWZ-Auswertung ist dies in unserem Bezirk für vereinsinterne Turniere kostenlos. Für Turniere mit Startgeld zahlen wir 1 Euro pro Spieler. Abgesehen davon ist der Einsatz eines offiziell geschulten und registrierten Schiedsrichter eine hohe Hürde zumindest für viele kleine Vereine. Abgesehen davon ist die DWZ für viele (ich würde annehmen fast alle) Spieler (auch unter DWZ 2000) absolut relevant. Was ich bisher nie verstanden habe, warum die Berechnungsmethoden zwischen DWZ und ELO so unterschiedlich sind.… Weiterlesen »

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[…] wäre es ein Segen, wenn das so bliebe. Die Blockade des Präsidiums birgt am Ende eines von Beginn an verkorksten Verfahrens die Chance für einen Neuanfang, der den DSB hunderttausende Euro sparen könnte. In der […]

trackback

[…] objektiv abzuwägen war nicht erwünscht. Das wurde gleich in der ersten Sitzung der Projektgruppe festgelegt: “Grundsätzlich sollte das Ziel sein, die DWZ […]

Krennwurzn
Krennwurzn
3 Jahre zuvor

Nationale Elo abschaffen, aber der FIDE keine Erpressungsmöglichkeit geben.

Also nationale Datenhohheit – vielleicht wäre eine Umstellung der FIDE-Elozahlen auf eine blockchain sinnvoll, da hätte dann niemand die absolute Datenkontrolle.

Jedenfalls sind die Hundertschaften an Wertungszahlen unnötig!! Blitz, Schnell, Turnierschach: FIDE, Heimatland und ein Nachbarland hat schnell mal einer …

Stefan
3 Jahre zuvor

Die skandinavischen Länder haben ihre nationalen Wertzahlen auch abgeschafft, ohne dass das Schachleben zusammengebrochen wäre, im Gegenteil. Meines Erachtens ist es auch kein Weltuntergang, wenn nicht jedes winzige Turnier, das unter zweifelhaften Bedingungen durchgeführt wird, ausgewertet werden muss. Als ich mit dem Schach angefangen habe, gab es keine Wertzahlen, sondern nur Leistungsklassen. Im Grunde waren das Minititel, die regelmäßig bestätigt werden mussten. In den asiatischen Spielen gibt es das Rang-System mit kyu und dan, das finde ich sehr schlüssig.

Gerhard Streich
Gerhard Streich
3 Jahre zuvor

Über dieses Thema haben die Schachfreunde Hannover des Öfteren diskutiert, u.a. Ende 2017 unter dem Titel: Ist ein Leben ohne DWZ möglich? https://www.schachfreunde-hannover.de/ist-ein-leben-ohne-dwz-moeglich/
An dieser Stelle möchte ich mich kurzfassen:

1.   Da sich Elo in Deutschland durchgesetzt hat, sind DWZ eine überflüssige Zweitwährung.
2.   Für Leistungsschach sind Wertungszahlen unverzichtbar. Für Anfänger sind sie eine Droge. Für diejenigen, die ihren Zenit überschritten haben, sind sie ein Grund, sich vom Schachspiel zurückzuziehen.
3.   Nach unten muss es eine Kappungsgrenze geben, damit die Freude am Schachspiel im Vordergrund steht und nicht die soziale Einstufung der Spieler.