Neulich rief ein Schachfreund aus Berlin am Bodensee an, und er berichtete Besorgniserregendes: Der Berliner Schachverband befinde sich schon seit längerem im Stillstand und nun auch noch in Auflösung. Wichtige Ämter seien zu besetzen, aber es fänden sich keine Leute, gute schon gar nicht.
Sieht aus, als habe sich das zumindest teilweise geändert. Die Berliner haben eine neue Führungsmannschaft um ihren neuen Präsidenten Christian Kuhn, der Carsten Schmidt ablöst. Die Bundesschachverwaltung und ihr Mitteilungsorgan haben ausführlich berichtet, aber vor lauter Laudatio auf ihren scheidenden Getreuen Schmidt versäumt, den neuen Präsidenten und dessen Ideen vorzustellen, geschweige denn dazu aufzurufen, dem Neuen zu helfen. (Ein Passus à la “Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit” hätte auch nicht geschadet.)

Christian Kuhn (55) ist Vorsitzender des Fusionsvereins Schachgesellschaft Lasker, der 1999 aus einem Zusammenschluss der beiden ehemaligen Bundesligisten SV Wilmersdorf und SpVg. Lasker-Steglitz entstanden ist. Wofür er steht, hat Kuhn höchstselbst in einem mehrfach aktualisiertem Beitrag für den Berliner Schachverband mitgeteilt. Der ist spannend zu lesen, auch zwischen den Zeilen.
Komplett ist Kuhns Mannschaft noch nicht. Das liegt unter anderem daran, dass Kuhn ein Referent für Social Media (!) vorschwebt, eine unerhört moderne Idee in unserem verstaubten Betrieb. Auch von den traditionellen Ämtern sind einige unbesetzt: Öffentlichkeitsreferent, Materialwart, Seniorenreferent, Datenschutzbeauftragter. Wer sich einbringen und mitgestalten möchte, wende sich ans neue Präsidium.
“Ich kommuniziere völlig anders”
Als bisheriger Vizepräsident hat Kuhn mit seinem Vorgänger nach eigenen Angaben “die meiste Zeit sehr gut zusammengearbeitet”. Hinsichtlich seiner Kommunikation verspricht Kuhn einen Wandel hin zu Offenheit, auch im Falle von Meinungsverschiedenheiten.
Nach allem, was wir am Bodensee mitgelesen und aus Magdeburg gehört haben, hat Kuhns Vorgänger in den vergangenen Monaten in seiner unbedingten Loyalität zum DSB-Führungsduo mehrfach die Grenzen zivilisierten Miteinanders hinter sich gelassen. “Ich kommuniziere völlig anders”, sagt Kuhn.

Das gilt auch für seinen Vizepräsidenten. Paul Meyer-Dunker (28) allein folgen auf Twitter mehr Menschen als allen DSB- und Landesverbandsfunktionären zusammen.
In den vergangenen Wochen und noch vor seiner Wahl zum Vizepräsidenten hat Meyer-Dunker zur Zukunft des organisierten Schachsports mehr Substanzielles, Konstruktives, Nachdenkenswertes von sich gegeben als alle DSB- und Landesverbandsfunktionäre zusammen. Angesichts einer Vielzahl inhaltlicher, auf Gestaltung abzielender Impulse aus Berlin haben wir Meyer-Dunker noch vor seiner Wahl um ein Interview gebeten.
Er hat abgelehnt.
Meyer Dunker will erst machen, dann reden.
Way to go, Paul!
“Wandel hin zu Offenheit” soll er gesagt haben? Dazu gehört wohl nicht die Kommentarfunktion auf der BSV-Website. Schon wenige Stunden nach der Wahl waren die Kommentare verschwunden und ein Kommentieren nicht mehr möglich. “Wandel hin zu Offenheit” hat vielleicht der alte Präsident gesagt. Aber nicht der neue. Oder er hat was anderes gemeint.
Die Kommentare sind (wieder) sichtbar. Ich vermute, das war entweder ein technisches Problem oder die Kommentarfunktion wurde zeitweise zugespamt.
Kommentarfunktion ist ein zweischneidiges Schwert. Ist wertvoll, aber bedarf der Pflege, und das ist Arbeit. Der Schachverband Schleswig-Holstein hat seine Kommentare gerade erst abgeschaltet wegen Beiträgen, die, O-Ton Webmaster, dem “Ansehen unseres Verbandes nicht förderlich waren“.
Allerdings konnte da wahrscheinlich jeder reinschreiben. Womöglich hätte es schon geholfen, eine Registrierung einzuführen – so wie beim Berliner Verband. Wenn nur Registrierte kommentieren dürfen, hast du für zufällige Besucher eine Hürde geschaffen, die vorab viel Spam rausfiltert und die Kommentarpflege erleichtert.
Inzwischen gibt es eine Nachricht, dass die Kommentarfunktion tatsächlich deaktiviert wurde. Link Seltsamerweise wird aber noch angeboten, einen Kommentar zu schreiben!
Die Formulierung “Ich kommuniziere völlig anders” aus der Vorstellung des Kandidaten erhält dann gleich eine ganz neue Bedeutung.
Die Kommentaroption unter der Meldung “Kommentarfunktion abgeschaltet” ist lustig. Beim Wort “Referierende” hingegen haben sich mir die Zehennägel hochgestellt.
Jetzt gib’ dem neuen Team doch erstmal 100 Tage. Vielleicht richten sie ja statt offener Kommentarfunktion ein Forum für Mitglieder auf ihrer Seite ein. Mir haben sich beim ersten Draufgucken aufs neue Berliner Schach auch sofort mehrere Baustellen offenbart, vom Rumgeeiere um den Leistungssportreferenten bis zu Kuhns Aussage, er sei notfalls bereit, Falsches als wahr zu akzeptieren. Bringt dem Schach nichts, ihnen das gleich unter die Nase zu reiben.
Viel Erfolg!
[…] fast ohne Frauen. So etwas macht Innovation nicht unbedingt einfacher. Zumindest in unserem neuen Berliner Präsidium sieht es anders aus: 2 von 5 Leuten sind unter 30, einer ist 34. Unser Präsident ist zwar nicht […]
[…] Berlin hat Kuhn ein für Schachverhältnisse auffällig junges Präsidium um sich geschart und für Schachverhältnisse ungewöhnliche Ämter geschaffen, einen „Referenten für Social […]
Jetzt muss der Paule nur noch die deutsche Sprache erlernen und alles wird gut (?)
Wer den Vizepräsidenten kennen lernen will, auf zur DSJ-Akademie in Berlin, 2.-4. Oktober. Die Konditionen sind supergünstig, 5o Euro GEbühr, alles über 50 Euro Bahnfahrt wird auch übernommen. Dafür bekommt man 4 tolle Workshops, nette LEute, Tag der Deutschen Einheit in Berlin, neuen Input… Einziges Manko: ich bin auch da!
Da bin ich gespannt und wünsche gutes Gelingen. Christian Kuhn kennt das Schach-Internet ja bereits seit Jahrzehnten, daher ist der Ruf nach einem Referenten für Social Media nur logisch. Er hat früher die FAQ der deutschsprachigen Schach-Newsgroup de.alt.games.schach betreut, ein früher Vertreter dieses Genres (hieß nur damals noch nicht so).
Der geplante Fokus auf Social Media liegt weniger an seiner Online-Affinität, sondern nach seinen Ausführungen daran, dass “trotz harter Arbeit die klassischen Medien sich weigern, über lokales Schach zu berichten”. Und das glaube ich ihm nicht. Kein Medium schließt aktiv Themen aus. Mag sein, dass es in Berlin schwieriger ist, in die Zeitung zu kommen, als in Baden-Baden, aber wenn du weißt, wie das Medium tickt, was seine Macher als Geschichte sehen und wie du selbige am besten anreichst, dann kommst du auch vor. Keine Ahnung, was er mit “harter Arbeit” meint, vielleicht war sie nicht zielführend? Nach meiner Erfahrung… Weiterlesen »
In die großen Berliner Tageszeitungen kommt man tatsächlich sehr schwer rein. In den 1990er Jahren gab es mal die regionalen Mannschaftsergebnisse im Tagesspiegel. Die hatten extra eine Sportseite voll mit Ergebnissen für alle möglichen Sportarten. Und das “Neue Deutschland” war bis vor einigen Jahren auch dem Schach sehr verbunden – siehe ND-Damenschachgala. Von der Berliner Öffentlichkeitsreferentin, die selbst kein Schach konnte, hat man in den zwei Jahren ihrer Amtszeit quasi nichts gehört. Berichte auf der Verbandswebsite gab es nur 2-3 in ihrer Amtszeit. Ansonsten hat sie sich wohl mit dem Zugang zu den großen Medien rumgeärgert und lud zu Pressekonferenzen… Weiterlesen »
Vielleicht ist diese Berliner Referentin ja eine nahe Verwandte des komplett ohne Tätigkeitsnachweis ungerührt im Amt des Öff.-Ref. des DSB Verharrenden, der sein für sein Amt prinzipiell hinderliches Schweigegelübe just hier im Bodensee-Enthüllungs-Blatt mit einem entschlossenen Ruck durchbrach- Das alles, ohne wie immer auch nur ein Wort zu jenem Amt zu verlieren, in das ihn die Hoffnungen der deutschen Schach-Delegierten erhoben hatten. War wohl alles nicht so ernst gemeint, das mit dem Amt. Immerhin nutzte FM Cmiel ebenhier die schöne Gelegenheit zur Kauf-Empfehlung von Grenke-Aktien; es scheint schlimm zu stehen. Ein riesiges Foto unseres untätigen Referenten im BRAVO Starschnitt-Format erglbt… Weiterlesen »