Banter, kein deutsches Wort

Als vor ein paar Tagen Lawrence Trent Geburtstag feierte, machte es wieder einmal großen Spaß, die internationale Schachszene auf Twitter zu verfolgen. Aus dem Geburtstagsglückwunsch von Peter Heine-Nielsen, Sekundant des Weltmeisters, entwickelte sich folgender Dialog:

Banter” nennt sich derlei Geplänkel, wie es auf Twitter täglich zu sehen ist. Auch mehrere Spielstärkeetagen unterhalb der Carlsen-Giri-Twitter-Rivalität necken und triezen die Schachmeister einander, sind einander in augenzwinkernder Rivalität verbunden – und in dem Ziel, unserem Spiel ein wenig Extra-Aufmerksamkeit zu bescheren. Nicht selten führen derlei Twitter-Battles zu “Grudge-Matches“, in denen die Kontrahenten ihre Banter-Fehde auf dem Brett fortsetzen.

Sportlich sind solche Duelle nicht relevant, und doch locken sie eine Menge Zuschauer an, manchmal liegt gar ein vierstelliger Dollar-Betrag im Pott, um der Sache noch einen Extra-Kick zu geben. Das Grudge-Match 2019 als Folge einer Fehde zwischen besagtem Lawrence Trent und IM Greg Shahade zum Beispiel war so ein Fall. Oder das “Death Match” zwischen den GM Simon Williams und Ben Finegold, die sich unter großer Anteilnahme des Publikums öffentlich in die Haare geraten waren.

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Diese Schachfreunde haben das Grundprinzip von Social Media verstanden: Interaktion. Wir sitzen gemeinsam in der Schachnische, und in dieser Nische dienen wir einander als Verstärker, um die Chance zu maximieren, wahrgenommen zu werden. Gemeinsam arbeiten wir daran, im Sinne aller die Reichweite des Schachs wachsen zu lassen.

Deutsche Meisterschaft: kein Knistern, kein Banter

Die deutsche Schachszene führt in dieser Hinsicht täglich ein Trauerspiel auf. Ein Großteil ihrer Mitglieder ist unsichtbar, das gilt insbesondere für die besten Spieler (haben die es nicht nötig?). Die wenigen, die sich für Sichtbarkeit entschieden haben, weil sie aus kommerziellem Interesse Inhalte verbreiten wollen, sehen die anderen als Konkurrenz statt als Verstärker.

Im Ergebnis präsentieren sich die Coaches und Youtuber des deutschen Schachs online in erster Linie als Roboter, die ihren Kram absetzen und ansonsten tunlichst ignorieren, was andere machen. Verbände und Funktionäre halten es genauso. Interaktion, irgendetwas, das zu verfolgen Spaß machen könnte, gibt es im deutschen Schach nicht.

Neulich haben wir an dieser Stelle über den Wert von Rivalität referiert. Mit einer solchen die Internetmeisterschaft anzuschieben, wäre eine Option. Stattdessen sagt der Herr links vor dem Turnier: nichts. Der zweite Herr von links sagt auch: nichts. Der dritte Herr von links sagt: nichts. Und der vierte von links kann in aller Ruhe dastehen und Blitz-Platzhirsch sein. Na, super. Warum genau sollen wir jetzt einschalten? | Foto: Deutscher Schachbund

Am Samstag steigt das Finale der Deutschen Internetmeisterschaft. Großartig besetzt, tolles Format. Wie schön wäre es, hätte ein bisschen Banter zwischen den Beteiligten vorher Spannung erzeugt, ein wenig Knistern, bevor es an die Bretter geht. Stattdessen haben wir eine Meisterschaft der Unsichtbaren, die in den Tagen davor nicht eine Geschichte geschrieben hat, um potenzielle Zuschauer zum Turnier zu führen. Obwohl es die eine oder andere gab, sogar ein verbales Geplänkel.

Elisabeth Pähtz hatte neulich beim Frauen-Länderkampf gegen Ungarn bescheiden abgeschnitten, einen Tag später beim Länderkampf gegen Rumänien als Elo-Schwächste sämtliche Mitspieler übertrumpft. Das eine Mal war sie nach eigener Aussage nicht motiviert gewesen, das andere Mal umso mehr. Aus der Nachfrage dieser Seite, wie das kam, ergab sich tatsächlich ein verbales Geplänkel zwischen zwei deutschen Spitzenspielern:

Ui, da knistert es durchaus. Aber in Ermangelung jeglichen Augenzwinkerns zwischen den Kontrahenten nehmen wir dieses Mal Abstand davon, ein Grudge-Match Meier-Pähtz einzufordern. Gäbe es trotzdem eines, das wäre toll.

Jüngster Teilnehmer: Jonas Eilenberg (13)

Allemal ist Dudabesieger Georg Meier der Blitzschach-Platzhirsch in Deutschland. Vor dem Finale der Deutschen Meisterschaft könnte doch mal jemand anderes einen Pflock einschlagen. Ein Blübaum etwa oder ein Donchenko, beide zehn Jahre jünger, beide zuletzt im Elo-Aufwind. Sie könnten eine öffentliche Kampfansage Richtung Meier schicken: “Georg ist stark, das wird nicht leicht, aber ich will das Ding gewinnen.” So eine Ansage traut sich aber allein Turniersenior Daniel Fridman, der sich seit Tagen auf Lichess warmblitzt.

Und wenn doch der mit Abstand bekannteste Schachspieler des Landes teilnimmt, wie kann es sein, dass der in den Tagen vor dem Turnier gar nichts sagt?

Ein Punkt pro Partie? Jonas Eilenberg aus Berlin. | Foto: privat

Besagter bekanntester Schachspieler Deutschlands ist übrigens nicht der jüngste Teilnehmer, auch das eine tolle Geschichte, vielleicht die tollste. Die Deutsche Schachjugend hat Jonas Eilenberg (13, DWZ 2156) vom Berliner SV Königsjäger Süd-West e.V. für das Turnier nominiert. Dessen Vater Thomas berichtet, sein Junior wolle in diesem Feld erst einmal Erfahrung sammeln und Spaß haben. Auf der DSB- und ChessBase-Seite sagt Jonas gleichwohl, er wolle einen Punkt sammeln – und lässt offen, ob er womöglich einen Punkt pro Partie meint.

  • GM Klaus Bischoff ist der offizielle Kommentator des Finales. ChessBase überträgt auf Twitch.
  • ChessBase hat anlässlich des Finales seine Technik gepimpt. Auf dem Server gespielte Turniere können jetzt live übertragen werden.
  • IM Ilja Schneider, der selbst mitspielt, streamt seine Partien auf Twitch.
  • IM Patrick Zelbel und FM Aleksej Litwak kommentieren gemeinsam im Chessbuddies-Kanal auf TwitchChristian Braun, der zweite Chessbuddie neben Patrick Zelbel, spielt selbst mit.
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[…] der heutigen Endrunde der Deutschen Internetmeisterschaft schiebt der Bankangestellte Georg Meier die Favoritenrolle von sich. Einige könnten gewinnen, […]

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[…] zieht der langjährige Nationalspieler aus einem seit der Deutschen Internetmeisterschaft schwelenden Konflikt um einen beleidigenden Tweet von Elisabeth Pähtz, den zu löschen die Führungsriege des Deutschen […]