Masters (2): die Last des Doppelweiß

Schachmeisterinnen oder Schachmeister, die mit einer gewonnenen Partie vollständig zufrieden sind – eine rare Spezies. Dinara Wagner und Hanna Marie Klek gehörten ihr am Dienstag nicht an. Beide haben auch die zweite Partie im German Masters gewonnen, beide fanden ihre Vorstellung nicht überzeugend, trotzdem sind sie die Einzigen, die nach zwei Masters-Tagen bei 100 Prozent stehen. Im Feld der Männer sind nach zwei Runden keine 100-Prozentigen mehr anzutreffen, stattdessen drei 75-Prozentige. Rasmus Svane, Dennis Wagner und Christopher Noe teilen sich mit jeweils 1,5 Punkten den ersten Platz.

Die Ergebnisse der zweiten Runde. | via DSB

Für Zuschauer ebenso wie für Kommentatoren war diese zweite Runde von Übertragungsproblemen überschattet. Die Partien kamen nur teilweise auf den Schachseiten an. Bald stellte sich heraus, die E-Bretter funktionieren fehlerfrei, aber ein “Bug” in der Übertragungsschnittstelle Tornelo, die die Züge aus Rosenheim empfängt und dann verteilt, beschädigte das Live-PGN, aus dem die Schachseiten die Partien extrahieren. Der Fehler war im Lauf der zweiten Runde behoben.

Hundert Prozent: Wie genau der Schwarzsieg gegen Melanie Lubbe zustande gekommen war, konnte Hanna Marie Klek hinterher nicht erklären. “Irgendwie die Eröffnung überlebt, dann ein Bauer mehr.” Dieser Mehrbesitz sollte ein umkämpftes Endspiel entscheiden. | Foto: Sandra Schmidt

Abseits der Millennium-Bretter stand die Frage im Raum, wie gut es eigentlich ist, mit zwei Weißpartien zu starten. Leonardo Costa und Luisa Bashylina hatten sich am Eröffnungsabend wahrscheinlich gefreut, das Kaffeehaferl (eine bayerische Tasse) mit der Nummer eins zu ziehen. Die Eins bedeutet: fünf Weiß-, vier Schwarzpartien und ein Turnierauftakt mit Weiß in den ersten beiden Runden.

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Nur muss das gar kein Vorteil sein. Eine zweischneidige Geschichte sei das Doppelweiß, erklärte Klaus Bischoff. Wenn nämlich die beiden Weißpartien zu Beginn nicht gut laufen, gesellt sich zum Frust darüber die Perspektive, im weiteren Verlauf mehr Schwarz als Weiß zu haben.

Die Eins! Leonardo Costa am Vorabend der Auftaktrunde beim Haferlziehen mit Bayerns Schachpräsident Peter Eberl. | Foto: Christian Ostermeier/Bayerischer Schachbund

Für Luisa Bashylina ist nun das von Bischoff skizzierte Szenario eingetreten. Nach ihrer recht glatten Auftaktniederlage gegen Dinara Wagner handelte sich Bashylina auch gegen Jana Schneider bald Probleme ein, kämpfte dann aber bravourös. “Sie hat unheimlich viele Ideen gefunden und mir das Leben schwer gemacht”, berichtete Schneider hinterher. Trotzdem ging der volle Punkt ausgangs einer Zeitnotschlacht an die Nationalspielerin.

Nicht ideal, aber besser erging es Leonardo Costa. Nach dem Auftaktremis gegen Alexander Donchenko drohte die zweite, ebenfalls sehr solide angelegte Weißpartie gegen Christopher Noe kritisch zu werden. Aber Costa fand im Turmendspiel die Notbremse und sicherte sich den zweiten halben Punkt gegen einen nominell besseren Gegenspieler.

“Hätte ich doch den f5 nicht eingestellt”: Josefine Heinemann hatte Lara Schulze eigentlich überrannt. Es fehlte nur der Ausknipser. Das hielt die deutsche Nummer drei aber nicht davon ab, die Partie für ihren YouTube-Kanal zu analysieren.

Das Gegenteil der Startnummer eins ist die Startnummer sechs. Wer die zieht, fängt mit zwei Schwarzpartien an. Ein Nachteil? Nicht für Dennis Wagner, der seinem glücklichen Schwarzsieg gegen Frederik Svane ein sicheres Schwarzremis gegen Donchenko folgen ließ. Zur Freude über den gelungenen Auftakt gesellt sich nun die Perspektive, ab sofort mehrheitlich mit Weiß zu spielen.

Das gilt auch für Turnierseniorin Zoya Schleining, die Startnummer sechs des Frauenfelds, die allerdings keinen Anlass zur Freude über gute Ergebnisse hat. Ihrer Schwarznull gegen Hanna Marie Klek folgte eine weitere gegen Dinara Wagner. Zwar schaffte es Schleining in bedrängter Lage, Gegenspiel aufzuziehen und Wagner bis tief ins Turmendspiel mehr zu beschäftigen, als ihr lieb war, aber das änderte nichts am Ergebnis.

Frederik Svane (r.) hätte beinahe einen Desasterstart hingelegt, Daniel Fridman einen sehr guten. Mit substanziellem Vorteil ging Fridman ins Mittelspiel, schaffte es aber nicht, ihn festzuhalten oder gar zu vergrößern. | Foto: Sandra Schmidt

Die Tendenz des ersten Spieltags – mehr entschiedene Partien im Frauen- als im Männerturnier – setzte sich am zweiten fort. Einziger Sieger bei den Männern war Rasmus Svane, dessen Druck gegen Michael Prusikin sich nach der Zeitkontrolle fast verflüchtigt hatte. In einem Damenendspiel, das beiden Kontrahenten enorme Rechenarbeit abverlangte, war ihm immerhin ein Freibauer geblieben. Eigentlich hatte Prusikin Svanes Monarchen ausreichend freigelegt, um ein Dauerschach erzwingen zu können, aber ihm fehlte die dafür erforderliche maschinelle Präzision. Im 59. Zug holte sich Svane eine zweite Dame, und Prusikin musste feststellen: kein Dauerschach.

Vor dem Mittwochduell der Svane-Brüder schöpft Rasmus Mut aus dem bisherigen Abschneiden seines Bruders: “Er wird ein bisschen genervt sein.” Daher sei dies vielleicht ein guter Zeitpunkt, um gegen ihn zu spielen. Andererseits, wenn es gegen den großen Bruder geht, dann wolle Frederik immer unbedingt gewinnen, egal, wie die Partien davor gelaufen sind.

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