Zwei Siege für die deutschen Nationalmannschaften am zweiten Spieltag der Europameisterschaft. Einem zügigen, souveränen 3,5:0,5 der Frauen über Norwegen folgte ein schwer erkämpftes 2,5:1,5 der Männer gegen Ungarn. Vincent Keymer, Josefine Heinemann, Jana Schneider und Hanna-Marie Klek waren die Sieger:innen des Tages. Auch Dmitrij Kollars darf sich wie ein Gewinner fühlen. Der Sieg der Männer hing davon ab, ob der Bremer sein kritisches Endspiel hält. Kollars brachte den halben Punkt sicher ins Ziel.
Beide Mannschaften treffen am dritten Spieltag auf Serbien, in beiden Fällen ein veritabler Gegner. Die Männer werden, wenn überhaupt, leicht favorisiert sein, und die Frauen nicht mehr als das.
Schon nach dem ersten Spieltag stand seitens der Männer die Kondition zur Debatte. Können sie im zweiten harten Turnier direkt hintereinander neun Runden lang das Optimum liefern? Anstrengend seien die elf Runden Grand Swiss auf der Isle of Man gewesen, sagte Vincent Keymer, aber er fühle sich noch “halbwegs fit”.
Das ging dem müden und hungrigen Alexander Donchenko nach seiner Erstrundenpartie grundsätzlich anders, aber er hatte ja auch eine grundsätzlich andere Partie gespielt. Wo Keymer zweieinhalb Stunden in erster Linie einen Theorietest bestehen und am Ende ein wenig rechnen musste, hatte Donchenko sechs Stunden für den vollen Punkt und den Mannschaftssieg geackert.
Bevor er sich zum Abendessen begab, erklärte Donchenko auf DSB-YouTube, wie gut ihm der Erfolg tut. Er hatte ja lange nicht mehr den süßen Geschmack des Sieges gekostet. Ob ihm das Appetit auf mehr macht? Ein Ende der Donchenkoschen Formdelle käme den vier Mitstreitern gelegen.
Sicher ist, Bundestrainer Jan Gustafsson wird nicht jedem müden Krieger eine Kampfpause gönnen können. Nicht nur Keymer und Donchenko, allen fünf steckt ein elfrundiger Grand Swiss in den Neuronen. Am Sonntag gegen Ungarn durfte Matthias Blübaum aussetzen, dafür rochierte Kollars ins Team.
Das Match gegen die mit vier Großmeistern von 2600+-Format aufgelaufenen Ungarn lief lange zäh. Während Rasmus Svane und Alexander Donchenko nicht viel erreichten und bei Keymer alles offen war, sah nur Kollars’ Schwarzpartie ein wenig bedenklich aus. Dann lief das Match plötzlich schlecht.
Vincent Keymer verhedderte sich im Kampf gegen die hängenden Bauern seines Gegenspielers. Das Duo auf der c- und d-Linie setzte sich nicht zu Keymers Bedingungen, sondern zu denen des Ungarn in Bewegung. Plötzlich waren zwei Partien kritisch, zwei ausgeglichen und keine vorteilhaft.
Aber auf deutscher Seite spielte der Klassenunterschied am ersten Brett mit, und der machte sich nun, da es gegen starke Gegner schwierig wurde, bemerkbar. Zwar in der Defensive, aber mit dem Erfindungsreichtum und der Präzision eines Weltklassespielers hielt Keymer dagegen. Mit hartem Widerstand und immer neuen Problemen konfrontiert, lief dem Ungarn die Bedenkzeit davon. Und es schlichen sich erst Ungenauigkeiten ein, dann ein Fehler.
Kollars schlug sich derweil mit einem zerrütteten offenen Königsflügel herum, auf dem die deutlich aktiveren weißen Truppen drohten, Unheil anzurichten. Aber Kollars hielt. Als er nach 61 Zügen das rettende Dauerschach aufs Brett stellte, war der halbe Punkt gerettet und der Kampf gewonnen. Donchenko, wieder mit der letzten Partie des Tages, versuchte gar, noch auf 3:1 für Deutschland zu stellen, aber das gab sein Turmendspiel trotz eines Mehrbauern nicht her.
Anders als die Männer haben die Frauen nur zwei Grand-Swiss-Teilnehmerinnen im Team. Bundestrainer Yuri Yakovich gönnte gegen die nominell deutlich unterlegenen Norwegerinnen Elisabeth Pähtz eine Pause. Dafür kam Jana Schneider ins Team.
Hanna-Marie Klek hatte das unbefriedigende 2:2 zum Auftakt gegen Griechenland wenig gewurmt. Zu gewinnen sei beim Schach nicht einfach, und manchmal müsse man sich mit weniger als einem Sieg zufriedengeben, erklärte die 28-Jährige. Trotzdem. In der zweiten Runde auch gegen die Außenseiterinnen aus Norwegen nicht zu gewinnen, wäre schwierig zu erklären gewesen.
Die Nationalspielerinnen kamen nicht in Erklärungsnot. Mit einem zügig herausgespielten 3,5:0,5 ist die Mannschaft wieder in der Spur. Bei Josefine Heinemann zeichnete sich bald ab, dass sie der missratenen Eröffnung vom Vortag diesmal eine gelungene folgen lassen würde. Auch Jana Schneider verwandelte ihre Partie früh in eine spanische Einbahnstraße. Nach diesen beiden sicheren Siegen in den Weißpartien war die Weiche gestellt.
Die Frage war nur, ob es 3,5:0,5 oder 3:1 enden würde. Oder vielleicht doch 4:0? Das hätte eines argen Fehlers der norwegischen Spitzenfrau Olga Dolgova bedurft, die mit Weiß gegen Dinara Wagner zwar nie Greifbares hatte, aber vor allem ohne Verlustrisiko agierte. In einem etwa ausgeglichenen Turmendpiel schlossen die Kontrahentinnen Frieden.
Wenig später bog Hanna-Marie Klek mit etwas Hilfe der Gegnerin auf die Siegerstraße ein. Die Norwegerin ließ sich im 30. Zug ein Doppelturmendspiel andrehen, das zwar einigen Widerstand erlaubte, aber kaum zu halten sein sollte. 38 Züge später hatte Klek sich den vollen Punkt und dem Team einen Kantersieg erkämpft.
Dass nach dem Unentschieden gegen Rumänien Österreich in Runde 2 die Norweger (mit Carlsen) geschlagen haben, sollte nicht unerwähnt bleiben!