Hans Niemann versus Magnus Carlsen: 1.d4 Sf6 2.c4 1:0

Magnus Carlsen hat ein weiteres wortloses Statement abgegeben. Zur Partie der sechsten Runde gegen Hans Moke Niemann am Montagabend bei der Champions Chess Tour trat der Weltmeister an, führte einen Zug aus – und gab auf. Anschließend kappte der Norweger seine Verbindung. Der Spekulation, er werde nun aus dem Turnier aussteigen, setzte Carlsen selbst ein Ende. In der siebten Runde gegen Levon Aronian trat er an – und spielte.

Der Tag danach: Ein Versuch, 16 Stunden nach Magnus Carlsens Aufgabe das Relevante aus allem Geschrei und Getöse herauszufiltern.

Carlsen geriet auch unter den Kommentatoren seiner Play-Magnus-Gruppe in die Kritik. Jovanka Houska diagnostizierte, mit seinem kampflosen Verlust gegen Niemann gieße er “mehr Öl ins Feuer”. „Das kann er nicht einfach so tun und die Hexenjagd weiter anfachen“, sagte die britische Schachmeisterin und forderte ihn auf, Beweise vorzulegen, die sein Verhalten rechtfertigen

Alejandro Ramírez vom Saint Louis Chess Club sieht „einen klaren Hinweis, dass Magnus denkt, dass mit Hans etwas nicht stimmt.“ Ramirez fügte allerdings hinzu, dass es gar nicht um Betrug gehen könne. „Es gibt viele Möglichkeiten, vieles, das passiert sein könnte.“ Auch Ramirez stimmt in den Chor derjenigen ein, die finden, „dass Magnus etwas dazu sagen muss“.

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David Howell sieht einen Vorfall, „beispiellos in der Geschichte der Weltmeister, auch der Topspieler“. Und er versteht es nicht: „Magnus liebt es, Schach zu spielen, er hat großen Respekt vor dem Spiel und jedem Turnier. Bizarre, bizarre Zeiten. Ich wünschte, wir hätten eine Partie gesehen.“

Hier bewegte Bilder und erste Reaktionen (dieser Beitrag wird fortlaufend aktualisiert):

Mit “Hammer” ist Jon-Ludvig Hammer gemeint, norwegischer Großmeister, langjähriger Trainingspartner und Weggefährte Carlsens.
https://twitter.com/NoJokeChris/status/1571910658081587203

Ein Beispiel für ein Nichtantreten zu einer Online-Partie zwischen Topspielern lässt sich entgegen der Aussage von David Howell durchaus finden, ein Beispiel, das die wachsende Zahl derjenigen erstaunen dürfte, die jetzt finden, Carlsens Nichtantreten müsse mit Disqualifikation geahndet werden:

Es geschah am 9. Mai 2020 bei der Deutschen Internetmeisterschaft. Elisabeth Pähtz trat zur Partie gegen Georg Meier nicht an – und durfte danach das Turnier fortsetzen. Es folgte eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen diesen beiden. Am Ende der Geschichte kehrte Meier dem Deutschen Schachbund den Rücken. Er spielt jetzt für Uruguay.

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Wolfgang Kuechle
Wolfgang Kuechle
1 Jahr zuvor

FIDE Regeln Artikel 11.1 in der aktuell gültigen Fassung: “Die Spieler dürfen nichts unternehmen, das dem Ansehen des Schachspiels abträglich sein könnte.”. Gilt das für Carlsen nicht? Es wird Zeit, dass da mal jemand einschreitet und ihn wieder zur Vernunft bringt. Unabhängig von eventuellem Fehlverhalten Niemanns kann er das so nicht bringen.

Mario Schmidt
Mario Schmidt
1 Jahr zuvor

Ich bin sehr kritisch gegenüber Niemann, wenn ich sowas lese: “Der ukrainische FIDE-Meister Andrii Punin gehörte ebenfalls zu denen, die alte Partien von Niemann unter die Lupe genommen haben. Seine Resultate präsentierte er in den letzten Tagen in zwei ausführlichen Youtube-Videos. Sein erstaunliches Ergebnis: In “normalen” Partien spielte der US-Amerikaner meist seinem Ranking entsprechend, in besonders wichtigen Partien spielte Niemann nahezu unglaublich präzise und über seinen Verhältnissen. Der norwegische Profi Atle Grønn (International Master) wird in seiner Beurteilung der Punin-Ergebnisse deutlicher. Dass Niemann in manchen analysierten Partien reihenweise “Computer-Züge” am Stück spielte und sich keinen Fehler erlaubte, kann er schlicht und… Weiterlesen »

Micha
Micha
1 Jahr zuvor

Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren, was die Beweggründe für Carlsen’s Verhalten ist. Er scheint selbst davon überzeugt zu sein, dass Niemann unsauber gespielt, dass es für ihn persönlich ausreicht nicht mehr gegen ihn zu spielen. 2 Sachen würde ich ausschließen. 1.) Die Spekulation, dass Carlsen was anderes umtreibt und es gar nicht um den Betrugsverdacht geht. Würde Carlsen mit ansehen wie Niemann unter den Bus gerät, obwohl es um wss ganz anders geht? Man kann seine Spielverweigerung kontrovers diskutiren, aber ich denke er ist immernoch Sportsmann genug und hätte diese Hexenjagd frühzeitig beendet, wenn er ganz andere Motive gehabt… Weiterlesen »

Daniel Forster
Daniel Forster
1 Jahr zuvor

Warum soll man Carlsen sanktionieren? Es verstösst doch nicht gegen die Regeln, wenn er eine Partie aufgibt. Klassische Win-Win-Situation. Betrogen wird doch seit Jahren im Schach, nun hat es einfach die Hierarchiestufe des Weltmeisters erreicht. Wer sich ehrliches Schach zurückwünscht – was im Engine-Zeitalter wohl ohne hin hoffnungslos ist -, sollte Carlsen mit seinem Statement dankbar sein.

Manfred Menacher
Manfred Menacher
1 Jahr zuvor

Carlsen hat nun endgültig seinen Ruf zerstört. Die Schachwelt wird sich vor allem daran erinnern in Verbindung mit seinem Namen.
Die Ethik Kommission der FIDE sollte einschreiten und Carlsen sperren.

Last edited 1 Jahr zuvor by Manfred Menacher
Friedrich Lehmann
Friedrich Lehmann
1 Jahr zuvor

Ich war hier selbst im Wesentlichen pro-Niemann, hatte mich aber in erster Linie an der Einmischung durch chess.com gestört. Andererseits verstehe ich schon, dass die Spieler misstrauisch sind. Niemann hat selektive Erfolge gegen die besten Spieler, z.B. in den FTX (ein einzelnes Spiel) und Sinquefield Cups gegen Carlsen, gestern gegen Aronian. Der Erfolg gegen Aronian kam direkt nach einem kritischen Interview von Aronian. Niemann hatte definitiv die Aura eines rücksichtslosen Spielers kultiviert, der vor psychologischer Kriegsführung nicht zurückschreckt. Das ist die jetzige Generation nicht gewohnt. Introvertierte Spieler wie Carlsen ziehen sich dann eben angewidert zurück. Das ist komplett normal und… Weiterlesen »

Manfred Menacher
Manfred Menacher
1 Jahr zuvor

Für mich ist die Sache längst geklärt. Carlsen hat absolut nichts. Hätte er einen Beweis, dann wäre er verpflichtet diesen sofort vorzulegen um die professionelle Schachwelt, Organisatoren und Spieler, zu schützen.

Jochen
Jochen
1 Jahr zuvor

Mir sagte vor Jahren ein guter Kumpel, der nicht Schach spielt, es sei ihm zu einfach, dass es nur um Remis, Gewonnen, Verloren ginge. Damals habe ich das erst nicht verstanden. Sagen wir, Schach sei moralisch unterkomplex: Dann ist ja auch vom obersten Schach- Nerd des Planeten nicht zu erwarten, dass er eine integre Vorbildsfigur ist. Solche Leute haben einen Großteil ihrer Lebenszeit und Lebensenergie, Varianten, Strukturen und Techniken gewidmet, in denen es letztlich darum ging, den Gegner fertig zu machen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Jochen
MartinRieger
MartinRieger
1 Jahr zuvor

Nimmt man alle verfügbaren Statements, Statistiken und Eindrücke so muss man feststellen: Nichts genaues weiß man nicht! Natürlich gibt es verdächtige Dinge bei Niemann, so zum Beispiel seine seltsame “Analyse” nach der Partie, sein manchmal absolut fehlerfreies Spiel, seine Aussagen. Jüngstes Beispiel sein glatter Sieg gegen Ivanchuk der in dieser Partie keinen Fehler begangen hat. Das alles sind keine Beweise, nicht mal Indizien. Trotzdem hat man das Gefühl: Irgendwas ist hier faul. Carlsen will sich angeblich nach dem Turnier dazu äußern.

chesshans
chesshans
1 Jahr zuvor

Sollen wir uns wünschen, dass die beiden in der KO-Runde erneut aufeinander treffen? Es wäre zumindest interessant zu sehen, ob Magnus dann spielt. Sein beredtes Schweigen lässt leider nur Raum für Spekulationen, die keinem weiterhelfen. Es lässt einen aktuell ein wenig ratlos zurück, aber so ist Schach wenigstens mal wieder in den Schlagzeilen.

Chris Vorsi
Chris Vorsi
1 Jahr zuvor

Carlsen handelt sehr ungeschickt. Er mag ja Recht haben, aber seine Kommunikation ist ein einziger grober Fehler, der die Partie einstellt 🙂

Ich denke, es ist für ihn sehr wichtig dass er sich mal äußert. Sonst hat er den Großteil der Schachfans gegen sich.

Ich glaube, dass Niemann auch später noch gecheatet hat, wenn man sich die Analysen von z.B. Punin dazu im Internet ansieht.

Alexander Remde
Alexander Remde
1 Jahr zuvor

Was der Mann jetzt braucht ist viel Ruhe und einen guten Arzt. In dem Dokumentarfilm “Magnus – Der Mozart des Schachs” hatte er ja erzählt, es wären manchmal Dämonen in seinem Kopf. Er wäre nicht der erste geniale Schachspieler, der einem gewissen Irrsinn verfällt. Morphy, Steinitz, Fischer.

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Jahr zuvor

Sofern Magnus Carlsen sich hier nicht ganz schwer vertut, kein Irrer ist sozusagen, weiß er mehr als andere.
Ich hab selbst ein wenig geprüft, bin auch der Analyse von Kenneth Regan gefolgt, bei “Chessbase”, würde mich sehr dafür interessieren, ob Hans Moke Niemann auch, wie von einem Weltklassespieler zu erwarten wäre, über Schach reden kann, wichtiger Punkt. – Weiß jemand mehr?
Mit freundlichen Grüßen
Ludger Keitlinghaus (der sich nun das hier dankenswerterweise bereit gestellte Kommentariat durchlesen wird)

Alexander Remde
Alexander Remde
1 Jahr zuvor

Das Team Stockfish hat die besagte Partie unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: beide haben Fehler gemacht, Carlsen aber mehr als Niemann, ergo hat er die Partie verloren. Stockfish Robot Reacts on HANS NIEMANN CHEATING | Magnus carlsen vs hans niemann | Stokfish – YouTube

Obst
Obst
1 Jahr zuvor

In der Weltöffentlichkeit werden wir jetzt wie die Radsportler wahrgenommen: Ein Haufen Lügner und Betrüger, der Sport völlig durchseucht. Danke dafür, Magnus! Er hätte das Thema doch ( am glaubwürdigsten vor seinem Verlust) offen ansprechen können: Niemann hat wiederholt online gecheatet, man kann ihm nicht vertrauen, eine Sperre OTB ist nötig. Stattdessen verhält er sich wie ein Kind. Das ist für das Schach sehr zerstörerisch. Ein Jugendlicher hat sich früher Hoffnungen gemacht, in einem Turnier 50 Elopunkte zu gewinnen , oder eine fehlerfreie Glanzpartie zu spielen. Heute hofft er das nicht mehr , weil er sich damit verdächtig macht. Nachdem… Weiterlesen »

Benzino Napoloni
Benzino Napoloni
1 Jahr zuvor

Vielleicht ist das alles nur Show ? Carlsen verteidigt seinen WM-Titel nicht. Er fand nur ein Duell gegen Firouzja interessant. Dieser konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Mit Niemann kommt ein polarisierender, junger Spieler mit kometenhafter Entwicklung. So ein Duell kann man doch schön vermarkten. Niemann, der um seinen Online-Präsenz bzw. Anzahl seiner Follower/Streamer zu erhöhen gemogelt hat, ist sicher nicht abgeneigt. Am Ende kommt der langerwartete Showdown mit viel medialer Begleitung und Geld. Ausrichter Katar, Emirate, Dubai oder Las Vegas Spieler müssen MRT-Check machen und spielen in einen faradayschen Käfig… Cagematch = Anleihe vom Wrestling https://s.w.org/images/core/emoji/13.1.0/svg/1f609.svg Die wirkliche Fide-Schach-WM interessiert dann… Weiterlesen »

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Jahr zuvor

Zum Ende des Artikels: Selbst wenn Howell diesen deutschen Fall kannte ist es nachvollziehbar, wenn er Paehtz und Meier nicht als “Topspieler” betrachtet. Auf Englisch ist “player” geschlechtsneutral, und geschlechterübergreifend waren nur Polgar (zu Recht) und mit Hype Hou Yifan (weibliche) Topspieler.

eisenherz
eisenherz
1 Jahr zuvor

Carlsen, so scheint es, zeigt langsam aber sicher solche Wesensänderungen wie Bobby Fischer, nachdem der Weltmeister gegen Spasski geworden ist, mit der Verweigerung seinen Titel zu verteidigen und andren unerklärbaren Wesenszügen.

Matthias Ruf
1 Jahr zuvor

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Indizien werden gefunden, dass Hans Niemann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch im normalen Schach betrogen hat. Meine Wenigkeit fand es bereits auffällig, dass Hans Moke nach der zeitversetzten Übertragung in St. Louis keine Partie mehr gewonnen hat. Wie ein weiterer Matthias bereits hier einwendete wurde die Performance aus den letzten drei Jahren von GM Niemann bei zeitgleich online übertragenen Präsenzturnieren mit der ohne DGT-Bretter-Übertragung verglichen. Bei mehreren hundert Punkten Performanceunterschied fällt ein krasser Leistungsabfall auf. An alle Schachfreunde, die den jungen US-Großmeister weiter verteidigen und den Weltmeister schmähen, sei die Frage erlaubt, ob sie… Weiterlesen »

Carlo
Carlo
1 Jahr zuvor

Eben Giri gesehen. Setzt mit letztem Zug matt, weil Wojtaszek seinen Turm fehlzieht! Schach lebt doch nicht vom perfekten, sondern vom überraschenden Zug! Es sind die Fehler, die uns anrühren, das Scheitern und nicht die makellose Partie. Es sind die Finten, der plötzliche Überfall, eine ungesehene Kombination, die uns fesseln und keineswegs eine auf 25 Züge vorausberechnete Partie einer Maschine. Ich finde, diese Carlsen-Niemann-Geschichte bringt ein menschliches Maß in diesen Sport, das ihn wohltuend abhebt von allem Ringen um Erfolg und Status. Es ist eine große Zurechtstutzung und zeigt diese Übermenschen plötzlich eitel, kleinkariert, großspurig und verletzlich. Ich finde das… Weiterlesen »

Aljechina
Aljechina
1 Jahr zuvor

Die Wahnsinnigwerdung des Magnus C. – oder nur nix Neues seit Neandertal?
Man möchte ihn jedenfalls in den Arm nehmen und ganz herzlich drücken, also das Hänschen. Selbst auf die Gefahr hin, dass dann (versehentlich) ein Engine-Zug ausgespuckt wird, was ich aber nicht glaube.

Daniel Hendrich
Daniel Hendrich
1 Jahr zuvor

Carlsen ist inzwischen nur noch ein kleiner Rotzjunge. Schade eigentlich, irgendwann war er mir sogar mal sympathisch…

mapleleaf
mapleleaf
1 Jahr zuvor

Der Typ hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Tipp für ihn: geh nach Trömsö, einem Ort am Allerwertesten der Welt, wo nur eine Straße hinführt und denk mal drüber nach, ob du nicht gerade dabei bist, das Schach kaputtmachen.