Alexander Donchenko hatte einen schwarzen Tag erwischt und keiner seiner drei Mitspieler den notwendigen Sahnetag, um das Malheur am ersten Brett zu kompensieren. 1,5:2,5 verlor Deutschland gegen Rumänien. Die so hoffnungsvoll erscheinende junge Truppe von Trainer Daniel Fridman hat sich bei der Europameisterschaft mit nun 5:5 Punkten vorerst ins Mittelfeld verabschiedet.
Anders die Frauen. Auch dort war im Match gegen Spanien von einem Sahnetag nichts zu sehen, aber der Kampfgeist stimmte, und das mag den Faktor Glück bewogen haben, auf Seiten von Alemania auszuhelfen. Ein Wettkampf, den die meisten Beobachter als verloren abgehakt hatten, endete 2,5:1,5 für Pähtz&Co.
Nun gilt es, nach dem Ruhetag und einer durchwachsenen ersten Turnierhälfte durchzustarten. Beide Mannschaften bekommen heute Gegner:innen serviert, die als Starthilfe geeignet erscheinen. Die deutschen Herren werden hoher Favorit gegen die zweite slowenische Mannschaft sein, die Frauen etwa auf Augenhöhe mit den Ungarinnen. Beide Matches beginnen um 15 Uhr.
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Bei der Frauen-EM geht es für alle Teams außer einem maximal um die Silbermedaillen. Die Russinnen, angeführt von der einzigen 2600erin im Feld, Aleksandra Goryachkina, stehen mit einer perfekten Bilanz da: fünf Matches, fünf Siege, und es erscheint schwer vorstellbar, dass sie jemand stoppt. Alles andere als eine Goldmedaille für das russische Über-Team wäre eine Sensation.
Das offene Turnier ist eine sportliche offene Angelegenheit. Keinem Team gelang es, in den ersten fünf Begegnungen mehr als drei Siege herauszuspielen. Sechs Mannschaften teilen sich den ersten Platz mit drei Siegen und zwei Unentschieden: Russland, Aserbaidschan, Ukraine, Ungarn, Armenien und die Niederlande.
Die hochgewetteten Franzosen mit ihren beiden Top-Ten-Spitzenbrettern sind vorerst unterhalb dieses Sextetts angesiedelt: drei Siegen stehen Niederlagen gegen Armenien und die sensationell aufspielenden Ungarn gegenüber. Letztere verdanken ihren Lauf in erheblichem Maße Benjamin Gledura, einziger Spieler im Turnier, der bisher alle Partien gewonnen hat.
Die Russen, Europameister 2019, angetreten mit einem selten jungen Team, Durchschnittsalter 25, 8 Jahre, Eloschnitt 2728, sind ihrer Favoritenrolle bislang nur in Ansätzen gerecht geworden. Immerhin: Sie haben noch keine Partie verloren, aber für ihren Geschmack wahrscheinlich deutlich zu viele halbe Punkte abgegeben.
Fast noch mehr als auf den Mannschaften liegt der Fokus der Beobachter auf einem einzelnen Spieler: Alireza Firouzja. Der ungebremst rasante Aufstieg des 18-Jährigen lässt das anstehende WM-Match 2021 zwischen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi wie ein Vorspiel für das WM-Match 2022 erscheinen: Gegen welchen dieser beiden wird Firouzja versuchen, der jüngste Weltmeister in der Geschichte des Schachs zu werden?
Aktuell hat der gebürtige Iraner den WM-Herausforderer 2018 Fabiano Caruana in der Live-Rangliste überholt, und noch sind vier Runden zu spielen. Wird der neue Weltranglistendritte Alireza Firouzja die Mannschafts-Europameisterschaft als 2800er und Weltranglistenzweiter beenden?
Sicher ist: Nachdem Firouzja unlängst das Grand Swiss gewonnen und sich für das Kandidatenturnier 2022 qualifiziert hat, macht der 18-Jährige bei der Team-EM in Slowenien weiter, wo er in Lettland aufgehört hatte. Mit 4,5/5 ist Firouzja in den Wettbewerb gestartet.
Gleich bei seinem Debüt für die französische Nationalmannschaft besetzt Firouzja das erste Brett vor Maxime Vachier-Lagrave. Die einstige französische Nummer eins, selbst nicht frei von WM-Ambitionen, hat bei der EM aus nächster Nähe verfolgt, wie sein junger Kollege mehr als 20 Elopunkte eingesammelt hat. In der Live-Liste stehen jetzt nur noch Ding Liren und Magnus Carlsen vor Firouzja, ersterer in Schlagdistanz.
Der Aufstieg des gebürtigen Iraners erinnert an den eines gewissen Norwegers vor gut zehn Jahren. Auch Magnus Carlsen war als 18-Jähriger mit einem Elo von 2770 die Nummer drei der Welt. Im November 2009, kurz vor seinem 19. Geburtstag, überschritt er erstmals die 2800. Anfang 2010 war er erstmals die Nummer eins.