Seit dem vergangenen Wochenende läuft am Tegernsee die 24. Auflage der Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaft. Im Interview schauen wir mit Turnierdirektor Sebastian Siebrecht aufs internationale Teilnehmerfeld, wir sprechen über Normchancen, Hygienbestimmungen, die Überschneidung mit dem Grand Swiss – und über Schach im Fürstentum Andorra.
Wir sind wie jedes Jahr im März in die Planung eingestiegen. Seitdem war klar, dass wir es durchziehen – aber in kleinerem Rahmen unter strengen Hygienebestimmungen: 350 Teilnehmer statt 550, große Abstände. Jetzt ist alles aufgebaut, 36 Live-Bretter, es sieht sehr schön aus bei uns, fast noch schöner als sonst, weil es großzügiger ist. Leider fällt der Gastro- und Analysebereich den neuen Spielbedingungen zum Opfer. Aber den haben wir jetzt nach draußen verlagert.
Stichwort Hygienebestimmungen.
Es gilt 3G, das wird kontrolliert. Wir haben eine Teststation eingerichtet. Wer sich testen lassen will, kann das direkt bei uns machen. Generell ist die Situation weiterhin im Fluss. Ministerpräsident Markus Söder hat zum Beispiel jetzt verordnet, dass ab Montag FFP2-Masken getragen werden müssen. Das gilt jetzt auch bei uns. Auf solche aktuellen Dinge müssen wir reagieren. Aber das sind Kleinigkeiten, wir bekommen das hin.
Das Feld sieht jetzt an der Spitze etwas anders aus, als du dir das ursprünglich vorgestellt hattest.
Eigentlich hatte ich Zusagen von der kompletten nationalen Spitze: Alexander Donchenko, Vincent Keymer, Matthias Blübaum. Dazu internationale Stars, Pavel Eljanov zum Beispiel. Oder US-Newcomer Hans Niemann. Oder World-Cup-Sensation Velimir Ivic. Diese Spieler haben leider nach und nach abgesagt, in erster Linie wegen des parallel laufenden Grand Swiss. Dazu kommt der Ligabetrieb in verschiedenen Ländern. Das Schach am Brett geht wieder los, und wegen der langen Pause zuvor ballt es sich jetzt.
War nicht klar, dass sich die OIBM mit dem Grand Swiss überschneiden?
Dem Datum nach schon, aber ich hatte früh gehört, dass die jetzt nach Riga verlegten Grand Swiss‘ auf der Isle of Man nicht stattfinden können. Deswegen hatte ich vorsorglich diese tollen Jungs verpflichtet. Aber ich habe ihnen von Beginn an gesagt, dass ich ihnen keine Steine in den Weg legen werde, sollte sich ihnen doch noch eine große internationale Gelegenheit offenbaren – wie eben das Grand Swiss, das nun doch an einem anderen Ort stattfindet. Auch wenn es am Tegernsee viel schöner ist als anderswo: Dass ambitionierte Leute lieber dort spielen, wo es um Tickets fürs Kandidatenturnier geht, verstehe ich natürlich. Ich bin schon gespannt auf nächstes Jahr. Da werden die Top-Stars der Szene wahrscheinlich um die Startplätze bei der OIBM Schlange stehen. Dass die OIBM in der Szene einen exzellenten Ruf haben und ein beliebtes Turnier sind, gilt weiterhin.
Eine Reihe interessanter Namen findet sich trotzdem im Feld. DSB-Leistungssportreferent Gerry Hertneck wird nun am Tegernsee nicht auf seine Nationalspieler treffen, aber so eine Institution wieder am Brett zu sehen, ist ja trotzdem etwas Besonderes.
Gerry hat sich von sich aus angemeldet, da musste ich gar nicht nachhelfen. Er wollte wieder ans Brett. Das freut mich sehr. Allerdings war er recht spät dran, es war schon knapp, ihn überhaupt noch ins Feld einzubauen. Gerry hat einen der letzten Startplätze bekommen.
Außerdem ist das Feld international: Brasilien, Israel, Indien – Exoten.
Der gute Ruf des Turniers, dazu mein gewachsenes Netzwerk, das hilft. Etwas weiblicher würde ich mir das Feld wünschen, aber auch da gilt: Die Top-Frauen spielen jetzt Grand Swiss. Prinzipiell lade ich gezielt spannende Leute mit kämpferischem Stil ein. Oder Leute mit guter Attitüde, am liebsten natürlich beides. Nehmen wir Jaime Santos Latasa. Der hatte sich vor einiger Zeit ohne Konditionen einfach so angemeldet. Diese Einstellung honoriere ich jetzt. Oder Chanda Sandipan, ein ähnlicher Fall. Der wollte sich anmelden, ich musste ihm sagen, sorry, keine Konditionen mehr. Er hat sich dann trotzdem angemeldet. Nun, da viele abgesagt haben, habe ich ihm doch ein bisschen was anbieten können. Auch auf die Gruppe aus Andorra freue ich mich. Oscar De la Riva Aguado, einziger GM aus Andorra, kommt mit seiner Tochter und den drei stärksten andorranischen Jugendspielern. Die wollen bei uns internationale Turnierluft schnuppern.
Das wollen die vielen jungen deutschen Spitzenspieler wahrscheinlich auch.
Für die sehe ich gute Normchancen. Ashot Parvanyan wird eine GM-Norm anpeilen, der Deutsche Meister Jonas Rosner auch. Dazu der Deutsche U18-Meister Nils Richter oder Alex Suvorov, Dritter in der U18. Solche Spieler werden versuchen, Normkurs zu setzen.
Auch die ganz jungen?
Bestimmt! Leonardo Costa, Deutscher U14-Meister, hat ja schon eine IM-Norm. Marius Deuer ist auch ein Kandidat. Wir haben sozusagen die erste Garde aus den jungen Jahrgängen komplett am Tegernsee versammelt. Ich bin gespannt, was die Jungs reißen.