Um unter US-Flagge zu spielen, muss Wesley So kein Staatsbürger sein. Sein Wohnsitz in den USA reicht gemäß FIDE-Reglement dafür aus. Aber der amtierende US-Schachmeister und Super-Großmeister wollte Staatsbürger werden. Und das ist er jetzt. Der von den Philippinen stammende So, der in Excelsior, Minnesota, lebt, wähnt sich nun als „Teil des American Dreams“, wie er am Rande der Einbürgerungszeremonie am 26. Februar sagte.
Die US-Behörden veröffentlichten ein Interview, das der 27-Jährige anlässlich seiner Einbürgerung gab und erklärte, wie star-spangled awesome er seine neue Heimat findet. Ein Ausschnitt:
Was magst du an den USA?
Ich liebe es, dass jeder nach Erfolg streben kann. Sie werden nicht durch Ihre Farbe, fehlende Verbindungen oder Mittel zurückgehalten. Wenn Sie hart arbeiten, haben Sie eine bessere Chance, es hier zu schaffen als anderswo auf der Welt. Ich kam hierher, um hart zu arbeiten, und die Dinge fügten sich, wie ich sie mir erträumt hatte. Das heißt nicht, dass ich die Philippinen nicht liebe. Ich habe gute Erinnerungen von dort. Aber ich hatte nicht die notwendigen Verbindungen, um dort erfolgreich zu sein. Ich war aus der Provinz, kein Stadtjunge. Hatte kein Geld und so weiter.
Warum wirst du US-Bürger?
Ich möchte dem Land etwas zurückgeben. Von dem Moment an, als ich hier gelandet bin, wurde ich ermutigt und befähigt, mich zu verbessern. Ich mag diese Haltung und die enorme Großzügigkeit der amerikanischen Kultur. Die meisten Menschen hier haben keine Ahnung, wie es anderswo auf der Welt ist, sie schätzen den erstaunlichen Geist dieses Landes nicht. Ich war in den meisten Ländern der Welt und kann sagen: Ich liebe es hier!
Als dreimaliger philippinischer Meister kam So 2012 in die USA. In seiner alten Heimat hatte er als Wunderkind gegolten. 2008 gelang ihm als erstem 14-Jährigen der Sprung über die 2600-Elo-Marke, er brach einen Altersrekord, den bis dahin ein gewisser Magnus Carlsen gehalten hatte. Aber dann stockte seine schachliche Entwicklung, bis sich ihm dank eines Stipendium die Möglichkeit eröffnete, an der Webster University in Saint Louis zu studieren.
Eine Profikarriere hatte Wesley So seinerzeit noch gar nicht im Blick, wurde aber nach seinem Umzug in die USA rasant stärker, was mit dem großmeisterlichen Schachumfeld in der Universität zusammenhing. Unter anderem teilte sich Wesley So mit Ray Robson ein Zimmer, der Raum mit dem höchsten Eloschnitt in der Webster University.
Als 19-Jähriger überschritt So die 2700-Marke. Mit 21, im November 2014, wurde er Schach-Amerikaner – und erreichte im selben Monat erstmals die Top Ten der Welt. Da hatte er die Uni schon verlassen. Der Gewinn des Millionaire Opens in Las Vegas im Oktober 2014 und 100.000 Dollar Preisgeld waren für So Anlass, fortan ausschließlich auf die Karte Schach zu setzen.
Zuletzt stärker denn je
Seinem Wechsel zum US-Verband war ein Streit mit dem philippinischen vorausgegangen, der versuchte, den Wechsel seines nominell besten Spielers zu verhindern. Im Streit schied So auch von seinen leiblichen Eltern, die vor seinem Webster-Stipendium ohne ihren Sohn nach Kanada gezogen waren, gleichwohl später zu verhindern versuchten, dass So die Hochschule verlässt und Schachprofi wird.
Wesley So hatte zu dieser Zeit schon eine neue Familie gefunden. 2013 lernte So am Rande eines Turniers in Minnesota Lotis Key, ihren Ehemann Renato Kabigting, ebenfalls von den Philippinen stammend, und deren Tochter Abbey kennen. Zu diesen sollte er eine tiefe Verbindung aufbauen. Ende 2014 zog er bei ihnen in Minnetonka, Minnesota, ein, akzeptierte sie als Adoptiveltern und nannte sie fortan „Mutter“ und „Vater“. Und er wurde schachlich immer stärker. Bis auf den zweiten Platz der Weltrangliste und Elo 2822 führte ihn sein Aufstieg.
In unmittelbarer Nähe eines WM-Matches war So noch nie. Sein bislang einziges Kandidatenturnier 2018 in Berlin endete enttäuschend. Aber zuletzt hatte es den Anschein, als sei Wesley So stärker denn je. Nicht nur im Finale der Schach960-WM besiegte er Magnus Carlsen, auch in zwei Finals der Meltwater Champions Tour triumphierte er über die Nummer eins – und das in einem Format, das Carlsen unverändert als künftiges WM-Format favorisiert: An Spieltagen sollten Matches von vier Schnellpartien ausgetragen anstatt einer klassischen Partie, hatte Carlsen schon nach seinem WM-Match gegen Fabiano Caruana angeregt, und dasselbe sagte er jetzt wieder.
Anish Giri hat kürzlich angemerkt, Carlsens Weltmeistertitel nicht zu ernst zu nehmen. „Abgesehen davon, dass Magnus den Titel hält, gibt es nicht viele Beweise dafür, warum er stärker als Wesley sein sollte.“ Wesley So selbst allerdings hält sich in dieser Hinsicht bedeckt, er sagt, Magnus sei klar der Bessere.
I would like to welcome GM Levon Aronian https://www.facebook.com/LevAronian to the USA! Thank you to the St Louis Chess…
Gepostet von Wesley So am Dienstag, 2. März 2021
Selbst Wesley So wird nicht bestreiten, dass er zumindest Teil der stärksten Nationalmannschaft auf dem Planeten Erde ist. Nach der Entscheidung von Levon Aronian, nach Saint Louis zu ziehen und künftig für die USA zu spielen, könnte So künftig sogar nur die Nummer drei dieser Mannschaft sein. In der aktuellen (seit Pandemiebeginn kaum veränderten) Weltrangliste liegt Aronian vor ihm.
Gleichwohl empfängt auch Wesley So den Neuzugang im US-Team mit offenen Armen. „Levon ist ein angenehmer Mensch und ein großartiger Schachspieler. Ich weiß, dass er alle hier anspornen wird, noch besser zu werden.“
[…] Schachs zu übergeben. Aber Ausnahmetalent Wesley So kehrte seiner Heimat den Rücken, um in und für Sinquefieldland zu spielen. Und so setzte sich auf den Philippinen der Niedergang des Schachs, das Eugenio Torre in […]