Schach960 – die Zukunft?

Schach960 taugt prima zum Training für klassisches Schach. Das Gehirn ist gezwungen, in neue Richtungen zu denken, wird mit Motiven und Stellungsbildern konfrontiert, die es sonst kaum einmal sehen würde. Wer Schach960 spielt, erweitert seinen Horizont, und das sollte auch beim klassischen Schach helfen.

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Obendrein macht das Spiel Spaß. Wer sich erst einmal damit zurechtgefunden hat, von Beginn an die Rochade zu planen, neu und wieder neu zu planen, ideale Posten für Springer und Läufer ausgeklügelt hat und dann feststellt, dass es so nicht funktionieren wird, der findet schnell Freude an dieser ganz neuen Herausforderung.

Was machen wir nun mit diesem Spiel? Es fördern, damit es mittelfristig zumindest gleichberechtigt neben dem klassischen Schach steht? Es ablöst sogar? Und was sagen eigentlich die Schachprofis?

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Auf dem Kanal des Schachklubs St. Louis haben jetzt während des Chess960-Champions-Showdowns einige der weltbesten Spieler ihre Meinung zum Schach 960 kundgetan. Wir haben mitgeschrieben.

(Porträtzeichnungen: Willum Morsch/@WillumTM)

Garry Kasparow

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90% der Partien führen sofort in unerforschtes Territorium. Den Zuschauern gefällt es, wenn die besten Spieler der Welt von Beginn an kreativ sein müssen. Und den Spielern auch: 64 Felder, 32 Figuren, alles wie immer, aber nur, indem wir die Aufstellung durcheinanderwürfeln, wird der Spieler wieder zum Entdecker. Beim klassischen Schach weißt Du ja, was Dich erwartet, und bist darauf vorbereitet. Diese Vorbereitung ist ein wesentliches Element des heutigen professionellen Schachs, und das fällt weg. Aber beim klassischen Schach wird es ohnehin selbst für die besten Spieler, unterstützt von den besten Teams, immer schwieriger, mit neuen Ideen aufzuwarten. Das wäre beim Chess960 anders.

Hikaru Nakamura

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Vorbereitung gibt es so gut wie gar nicht. Du bist vom ersten Zug an auf Dich gestellt, während beim traditionellen Schach in den ersten 10, 15 Zügen und manchmal noch viel tiefer die Vorbereitung greift. Die Läufer ins Spiel zu bringen, sehe ich als größte Herausforderung beim Chess960. Anfangs fiel mir das schwer, da waren sie oft blockiert. Man muss sehr präzise vorgehen, um die Läufer auf gute Diagonalen zu bekommen. Ob Chess960 die Zukunft ist, keine Ahnung. Aber ich denke, das Spiel sollte gefördert und gespielt werden. Auf jeden Fall gibt es auch auf höchstem Level viel mehr entschiedene Partien, das mögen die Zuschauer.

Peter Svidler

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Es ist so frisch und neu, das finden die Leute wahrscheinlich attraktiv. Als Schachspieler kannst Du Dich beim Chess960 auf eine Weise ausdrücken, die Dir beim klassischen Schach verbaut ist, und der Kampf beginnt unmittelbar. Viele Stellungen führen direkt in ein Handgemenge. Nach ein paar Zügen navigierst Du dann durch eine Marslandschaft, die Du nie zuvor gesehen hast, und es besteht keine Aussicht, so bald wieder vertraute Gefilde zu betreten. Eine Zukunft sehe ich für Chess960 allemal. Der Schachkalender ist ja nicht so vollgepackt, dass nicht für alles Platz wäre. Und dann sehen wir ja, was gedeiht und was eingeht.

Wesley So

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Chess960 ist schon ein kurioses Spiel. Manchmal stehen die Figuren so komisch, dann hängt schon im ersten Zug ein Bauer. Ich mag Chess960 tatsächlich lieber als das klassische Schach. Aber das Spiel ist in der öffentlichen Wahrnehmung noch lange nicht weit genug, wird nicht so oft gespielt und ist auch nicht so verbreitet, als dass wir jetzt schon vor einer Ablösung des klassischen Schachs stünden.

 

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[…] lieben das. „Ich spiele lieber 960 als klassisches Schach“, hat Wesley So schon gesagt, bevor er Weltmeister wurde. Ex-Juniorenweltmeister Parham Maghsoodloo würde gerne mehr […]

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[…] Variante. Zahlreiche Weltklassespieler haben längst ihre Präferenz für Schach960 zu Protokoll gegeben, darunter 960-Weltmeister Wesley So, der sagt, er würde lieber heute als morgen auf diese neue […]