1970 in einer Blitzpartie hatten der große Viktor Kortschnoi (Weiß) und der noch größere Bobby Fischer (Schwarz) diese Stellung auf dem Brett.
Welche Eröffnung die beiden gespielt haben, sehen wir sofort: ein klassischer Königsinder, aus dem sich bei geschlossenem Zentrum das typische Wettrennen auf den Flügeln ergeben hat.
Weiß versucht, auf dem Damenflügel ins schwarze Lager einzudringen, Schwarz stürzt sich derweil mit allen verfügbaren Truppen auf den weißen König. Wer zuerst an sein Ziel gelangt, der gewinnt.
Seinen Läufer auf c8 hat Bobby Fischer bislang nicht angefasst, und doch ist der Läufer eine zentrale Figur im Konzept des Schwarzen. Will er zum weißen König durchdringen, wird er auf die eine oder andere Weise auf h3 eine Figur ins Geschäft stecken müssen, um den Schutzwall aus Bauern vor dem weißen König zu zertrümmern. Nur weil der Läufer von c8 aus auf den weißen Königsflügel späht, bieten sich dem Schwarzen einige Optionen, sein Ziel zu erreichen.
Nicht nur in diesem konkreten Fall, sondern generell im klassischen Königsinder gilt, dass der weißfeldrige Läufer für den schwarzen ein unverzichtbarer Baustein seiner Ambitionen gegen den weißen König ist. Oft bleibt der Läufer lange auf c8 stehen, nur um dann im Mittelspiel entscheidend in die Attacke einzugreifen.
Natürlich müssen weder Schwarz noch Weiß diese Strukturen mit geschlossenem Zentrum und gegenseitigen Angriffen anstreben. Für beide Seiten bieten sich im Königsinder eine Reihe von Möglichkeiten, sich aufzubauen. Das gilt auch für Jürgens Partie neulich.
Wer die verpasst hat, hier der Beitrag aus der Schachschule mit den Fragen, die wir nun beantworten:
Was sind eigentlich hässliche Züge und wie erkennen wird die?
Antwort 59
Jürgen Lerner – Richard Kupprion, Januar 2018
Früher oder später muss Schwarz entscheiden, wie er sich im Zentrum dagegenstemmen will. Schwarz kann sofort mit …e7-e5 im königsindischen Sinne fortsetzen. Er kann auch …c7-c5 spielen, wonach die Partie eher einen Benoni-Charakter bekäme. Oder er bleibt vorerst flexibel mit …Sb8-d7 oder sogar …Sb8-a6 und legt sich erst später fest.
…b7-b6 ist hässlich, weil es nicht in die Stellung passt. Egal, wie sich Schwarz aufbauen wird, egal, welchen Plan er verfolgen wird, wo er Hebel ansetzen wird, …b7-b6 passt nicht rein und die Idee, den Lc8 zu fianchettieren, noch weniger.
Lc8-b7, noch ein hässlicher Zug.
Antwort 60
Auf b7 wäre der Läufer nur sinnvoll aufgestellt, wenn es Schwarz gelänge, nach …e7-e5 oder …c7-c5 auf d4 zu tauschen und in der Folge Druck gegen den weißen e4-Bauern zu entwickeln.
Aber das kann ihm nicht gelingen, weil beim Schach abwechselnd gezogen wird.
Weiß spielt natürlich d4-d5, schließt das Zentrum ab, stellt den Lb7 kalt, und Schwarz hat zwei Tempi investiert, um seinen Läufer auf ein schlechteres Feld zu stellen als das, von dem er kam.
Der einzige Hebel, der sich jetzt für Schwarz anbietet, ist …b6-b5 – noch ein Indiz, welch ein bescheidener Zug …b7-b6 war. Lieber würde Schwarz seinen Hebel in einem Zug per …b7-b5 ansetzen, aber das geht nun nicht mehr, nachdem er mit …b7-b6 und …Lc8-b7 Zeit verplempert hat.
Antwort 61
1.e4xd5 ist die klar beste der drei möglichen Arten, auf d5 zurückzuschlagen.
Der Lb7 bleibt kaltgestellt, der Hebel …b6-b5 verhindert, und Weiß erfreut sich Raumvorteils und freieren Figurenspiels, während der Schwarze zusammengedrängt und ohne Plan dasteht. Vorteil Weiß.
Nach 1.c4xd5?! b6-b5 entwickelt Schwarz unmittelbar Gegenspiel am Damenflügel.
Auch nach 1.Sc3xd5 ist sofortiges 1…b6-b5 stark. Schwarz befreit sich, und Weiß kann auf b5 keinen Bauern gewinnen, weil sich am Ende der Ta8 auf a2 bedient.
Antwort 62
Erst einmal ist Schwarz ganz zufrieden damit, auf der e-Linie Material vom Brett nehmen zu können, um sich zu entlasten und damit dem Ausgleich näher zu kommen. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass der Weiße weiterhin mehr Raum besitzt und der Lb7 im Abseits steht.
Schwarz braucht einen aktiven Plan, und der besteht in …b6-b5. Will Schwarz vollwertiges Spiel haben, dann muss er eher früher als später am Damenflügel seinen typischen und in diesem Fall einzigen Hebel ansetzen.
Sobald Weiß c4xb5 spielt, würde der d5-Bauer schwach und der Lb7 hätte endlich eine Aufgabe. Stützt der Weiße stattdessen per b2-b3 seine zentrale Bauernkette, ergeben sich schwarzfeldrige Löcher am weißen Damenflügel, gegen die der Schwarze spielen kann.
Antwort 63
Anstatt per …b6-b5 energisch auf Gegenspiel zu pochen, spielt der Schwarze …Nd7-e5. Als würde er damit zufrieden sein, schlechter zu stehen, und nur darauf hoffen, per Entlastung den Nachteil in Grenzen zu halten.
Durch den Tausch auf e5 hat die Struktur eine wesentliche Veränderung erfahren. Auf einmal besitzt der Weiße einen gedeckten Freibauern auf d5. Der marschiert zwar nicht unmittelbar los, aber der Schwarze hat auch unmittelbar keine gute Möglichkeit, ihn wirksam zu blockieren.
Mit einem Blockade-Springer auf d6 (der zudem …b6-b5 und …f7-f5 unterstützen würde), stünde Schwarz vielleicht sogar besser. Aber der Gaul hat keinen Weg nach d6, und Weiß wird ihn sofort vom Brett tauschen, sollte er drohen, auf sein Traumfeld zu gelangen.
Warum Weiß besser steht, ist offensichtlich. Aktivität, Raumvorteil, gedeckter Freibauer. Der Schwarze hat sich zwar ein wenig entlastet, aber seine Koordination ist immer noch kümmerlich. Der Lb7 bleibt kaltgestellt, der Lg7 spielt auch nicht mit, und der Sf6 findet keinen Weg nach d6.
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie Weiß nun weiterspielen soll. Ein klarer Plan, den Vorteil auszubauen, ist schwierig zu benennen. Wichtig ist, den Schwarzen in seinem Saft schmoren zu lassen, Material auf dem Brett zu halten, bis sich ein Szenario ergibt, in dem der weiße Trumpf (sein gedeckter Freibauer) sticht. Die einzige Figur, die Weiß bereitwillig heraustauschen wird, ist der schwarze Springer, damit der nicht nach d6 gelangt.
Auch der weiße Springer hat ja ein Traumfeld, e4. In diesem Sinne wäre eine Idee von mehreren, 1.Lg5xf6 Lg7xf6 2.Sc3-e4 Lf6-g7 3.g4-g5 zu spielen. Danach stünde es so:
Der weiße Springer hat unbehelligt sein Traumfeld e4 erreicht, Schwarz kann den d6-Freibauern nicht mehr wirksam blockieren und ebenso wenig günstig …f7-f5 spielen. Das Läuferpaar, das uns oft so wichtig ist, könnten wir an dieser Stelle ohne große Bedenken aufgeben.
Vorteil Weiß.
Antwort 64
Jetzt müsste schon deutlich geworden sein, warum Sc3-e4 ein hässlicher Zug war. Das einzige, was der Zug leistet, ist Schwarz weitere Entlastung zu bescheren.
Außerdem hat der Schwarze nach …Sf6xe4 Ld3xe4 plötzlich zwei Hebel als realistische Optionen: Zum ewigen …b6-b5 kommt nun auch noch …f7-f5, das die aufgelockerte weiße Königsstellung betonen würde. Des Weißen gedeckter Freibauer kommt derweil kein Stück voran.
Mit einem Mal ist der weiße Vorteil fast verflogen. Schade eigentlich. Wer seinen Königsinder so misshandelt wie hier der Schwarze, der sollte dafür bestraft werden.
[…] weil er zuletzt so viele alte Meisterpartien gesehen hat, zog Konstantinos 18…Ta8-e8, ein hässlicher Zug, der in erster Linie den Tf8 […]
[…] Hier geht’s zu den Antworten […]
[…] dem Weißen das Leben schwer zu machen (wer sich angesichts des schwarzen Spiels an den Beitrag „Was sind eigentlich hässliche Züge?“ erinnert fühlt, der liegt richtig.). …b5 und …e6 wären potenzielle Hebel, […]