Oh, là, là: Deutschland besiegt in der vorletzten Runde der Europameisterschaft Frankreich mit 2,5:1,5, ist als einzige Mannschaft ungeschlagen – und gibt trotzdem die Tabellenführung ab. Dank besserer Wertung haben die Serben nach einem 2,5:1,5 über England die Deutschen überholt. In der letzten Runde kommt es zwischen Deutschland und Serbien, beide 13:3 Punkte, zu einem Fernduell um den EM-Titel. Deutschland trifft auf Kroatien, Serbien auf Griechenland.
Die Frauen sind aus dem Kampf um die Medaillen ausgeschieden. Den für den Erhalt der Medaillenchance notwendigen Sieg über Frankreich schaffte die Mannschaft knapp nicht. Nach dem 2:2 gegen die Französinnen stehen die Deutschen mit 10:6 Punkten auf dem siebten Rang als Teil eines Pulks von sieben punktgleichen Mannschaften zwei Punkte hinter den Medaillenrängen.
“Gesundheitlich angeschlagen” sei Matthias Blübaum, teilte der DSB zum frühen Remisschluss des 26-Jährigen gegen Laurent Fressinet mit. Ob das die ganze Geschichte war? Mit einem Blick nach links und einem nach rechts hatte sich Blübaum wahrscheinlich davon überzeugt, dass der Kampf gegen Frankreich speziell an den Schwarzbrettern gut läuft.
Sollte er auch bei Vincent Keymer reingeschaut haben, wird ihm das kaum zusätzliche Erkenntnis verschafft haben. Die Partie am ersten Brett war beiderseits außer Kontrolle. Aber das war schon ein gutes Zeichen, war doch Keymer früh ins Straucheln geraten. Anfangs hatte es ausgesehen, als würde dies ein weiterer Tag, an dem Svane, Blübaum und Donchenko zu dritt die nötigen Punkte einfahren müssen.
Vincent Keymer dekliniert bei dieser Europameisterschaft ein wiederkehrendes Motiv: Springerrückzüge auf die erste Reihe, die tiefsinnig ausgedacht, aber konkret nicht gut sind. Gegen Frankreich erneut:
Sollte Etienne Bacrot gehofft haben, nun auf einer Einbahnstraße unterwegs zu sein, er hatte sich getäuscht. Objektiv blieb es besser für Schwarz, aber die Partie verwandelte sich in eine undurchsichtige Prügelei. Als dann beiderseits die Zeit knapp wurde, schwankten die Waagschalen. Bis sich Bacrot die Chance bot, eine linke Gerade abzufeuern, die der Knockout hätte sein sollen:
Vincent Keymer blieb auf den Beinen und fand sogar eigenes Punchpotenzial. Am Ende standen beiderseits die Könige auf Dauerschach:
Remis, nochmal gutgegangen.
Damit war der Mannschaftssieg schon fast beschlossene Sache. Alexander Donchenko drückte mit Schwarz, Beton-Rasmus Svane arbeitete daran, sein Vorhaben wahrzumachen, eine Partie zu gewinnen. Und das gegen einen Gegner, der anfangs den Eindruck erweckt hatte, es simultan mit der kompletten deutschen Nationalmannschaft aufnehmen zu wollen.
Anstatt sich ans zweite Brett zu setzen, war Jules Moussard von Brett zu Brett gegangen, um alle Gegenspieler der Reihe nach per Handschlag zu begrüßen. Aber er führte dann doch nicht an jedem Brett einen Zug aus, sondern nahm Svane gegenüber Platz. Schon dieser eine Gegner war an diesem Tag zu gut. Svane gewann – und wie!
An anderen Tagen hätte Alexander Donchenko Anlass gehabt, sein vorteilhaftes Doppelturmendspiel auf Gewinn zu kneten. Nicht an diesem. Kurz nachdem Svane gewonnen hatte, machte Donchenko mit einem Remisangebot, das Maxime Lagarde nicht ablehnen konnte, den Mannschaftssieg perfekt.
Auch die Frauen brauchten einen Sieg gegen Frankreich, um am Montag noch die Chance auf einen Medaillenplatz zu haben. Die Möglichkeit war da, obwohl es am vierten Brett früh gegen die Mannschaft lief. Jana Schneider war, wieder im Wiener Damengambit, auf einen mit Fallgruben übersäten Nebenzweig gelockt worden.
Trotz des Rückstands: Josefine Heinemann brachte in einem scharfen Sizilianer mit entgegengesetzten Rochaden ihre schweren Geschütze gegen den gegnerischen König in Stellung, und Elisabeth Pähtz spielte mit Weiß einen klassischen Königsinder, der sich in die Einbahnstraße verwandeln sollte, von der am ersten Brett der Herren Etienne Bacrot träumte. Nur Dinara Wagner stand ein wenig unter Druck.
Heinemanns Angriff stoppte jäh, als sie in beiderseitiger Zeitnot eine gegnerische Dauerschach-Ausrede übersah:
Dinara Wagner hielt zwar, aber ein Sieg war nicht mehr drin. Nun war beim Stand von 1:2 statt eines Sieges nur noch ein Unentschieden gegen den Tabellenzweiten möglich. Mit Mehrqualität musste Elisabeth Pähtz im Endspiel Turm vs. Läufer bei jeweils drei Bauern hart für den vollen Punkt arbeiten, aber nach 85 Zügen war der Job erledigt.
Herzlichen Glückwunsch an beide Teams
Für die Damen(oh sorry Frauen) reichte es leider nicht zu einen Medalienrang, egal eine tolle Leistung unserer jungen Mannschaft.
Seit dem Generationswechsel schaue ich mir auch gerne unsere DSB-Auswahl an. Die Teams machen einfach nur Spaß.