Ju Wenjun bleibt Weltmeisterin

Dank eines Siegs in der letzten Partie hat Ju Wenjun mit einem 6,5:5,5-über Herausforderin Lei Tingjie ihren WM-Titel verteidigt. Die vierfache Weltmeisterin, die 17. der Schachgeschichte, gewinnt neben dem Titel ein Preisgeld von 300.000 Euro. Die Herausforderin bekommt 200.000. Mit diesem Sieg hat Ju mit ihrer Landsfrau und Exweltmeisterin Hou Yifan gleichgezogen: Beide haben viermal den Weltmeistertitel errungen. Bis zum Rekord, acht Titelgewinne, von Vera Menchik (Weltmeisterin 1927-44) ist es noch ein weiter Weg.

Mit Beginn des Matches ruhte die Freundschaft, die die neue und alte Weltmeisterin und ihre Herausforderin verbindet.

Auch die Herausforderin darf sich als Gewinnerin fühlen, als eine der stärksten Herausforderinnen jemals. Die erste Hälfte des Matches gehörte ganz der 26-Jährigen mit ihrer Courage und ihrem taktischen Scharfsinn, auch ihrer fundierten Eröffnungsvorbereitung, die mehrfach fruchtete. Nachdem sie fast mühelos durch das Kandidatenturnier spaziert war, kann sie sich jetzt nur vorwerfen, nicht mehr herausgeholt zu haben als die Ein-Punkte-Führung nach einem Sieg in der fünften Partie.

Schon in der ersten Matchpartie (im Video) musste Ju Wenjun schwer ums Remis kämpfen. Und das sollte erstmal so weitergehen.

Chancen für mehr gab es. Ju Wenjun kämpfte bis zur siebten Partie fast durchgehend mit dem Rücken zur Wand. Momentum nahm sie erst auf, nachdem sie in der achten Partie den Stand ausgeglichen hatte. Fortan war die Herausforderin diejenige, die sich wehren musste.

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In der zwölften und letzten Partie gelang ihr das mit den schwarzen Steinen nicht mehr. Aus dem zweischneidigen Noteboom-Halbslawisch (mit vertauschten Farben) heraus verpasste Ju Wenjun zwar eine Möglichkeit, dank zweier verbundener Freibauern substanziellen, fast schon gewinnträchtigen Vorteil zu bekommen. Stattdessen ließ sie die Herausforderin eine Hälfte des Freibauernduos abräumen.

Aber als sich Lei Tingjie wenig später auf Kosten ihrer unantastbaren Bauernkette auch noch über den zweiten Freibauern hermachte, erwies sich das als entscheidende Fehleinschätzung. Die beiden landeten in einem Endspiel, in dem die Titelverteidigerin die Bauern ihrer Herausforderin gewieft belagerte, unter Druck setzte und schließlich entscheidend einsammelte. Alle Versuche Lei Tingjies, Verwirrung zu stiften, fruchteten nicht.

Nachdem sie das Match in der achten Partie ausgeglichen hatte, gelang Ju Wenjun dank filigraner Endspieltechnik in der zwölften und letzten Partie (im Video) die Entscheidung.

Der Sieg der Titelverteidigerin war auch ein Sieg der WM-Erfahrung. Mit der Atmosphäre eines WM-Matches war die 32-Jährige vertraut, auch mit Alles-oder-Nichts-Konstellationen wie jener bei Gleichstand vor der letzten Partie.

Die Erfahrung mag ihr auch die Stabilität verliehen haben, in der kritischen ersten Hälfte des Matches hartnäckigen Widerstand zu leisten. Genau diese Qualität könne sie sich von ihrer Gegnerin abschauen, erklärte Lei Tingjie hinterher: unter Druck stabil bleiben, in jeder Partie bis zum Ende zu kämpfen, ohne nachzulassen.

“Aufgeregt und erleichtert zugleich” sei sie, sagte die neue und alte Weltmeisterin nach der zwölften Partie. Ein Kompliment vergab sie an ihre Herausforderin, die sehr gutes Schach gezeigt hatte. Ju Wenjun: „Ich hatte Glück.“

Lei Tingjie verhehlte ihre Enttäuschung nicht, empfand das Ende des Matches aber auch als „Befreiung“. Jetzt plant sie erst einmal eine ausgedehnte Ruhepause – anders als ihre langjährige Freundin Jun Wenjun. Als Topgesetzte wird die Weltmeisterin Ende Juli beim World Cup in Aserbaidschan antreten.

(Titelfoto: David Llada/FIDE)

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[…] sprachen. Pähtz schob die Angelegenheit sicher nach Hause. In der vierten Runde trifft sie auf Weltmeisterin Ju […]