Mal genial, mal verhaltensauffällig: chess.com sperrt Baadur Jobava

Drei Tage nach einer rassistischen Tirade während der Qualifikation zum „Airthings Masters“ hat chess.com den georgischen Großmeister Baadur Jobava gesperrt. Für den Rest des Jahres darf Jobava nicht mehr an Preisgeldturnieren auf chess.com teilnehmen.

Das „Airthings Masters“ markiert den Auftakt der neuen, mit zwei Millionen Dollar dotierten und von chess24 zu chess.com umgezogenen Champions Chess Tour. Anders als bisher ist die Serie kein geschlossener Einladungszirkel mehr. Die Qualifikation zu den drei Finalgruppen (Division I-III), in denen neben Preisgeld Tourpunkte zu gewinnen sind, steht allen Titelträger*innen offen.

Am Brett erfindungsreich wie kaum ein anderer: Großmeister Baadur Jobava, dreifacher georgischer Meister, Elo-Höchstwert 2734. | Foto: Andreas Kontokanis, CC BY-SA 2.0

Beim „Airthings Masters“ ist es etwa Matthias Blübaum und Vincent Keymer gelungen, sich für die zweite bzw. dritte Division zu qualifizieren. Dort schied Keymer gleich zu Beginn aus, kann sich trotzdem über 1.000 Euro Preisgeld freuen. Blübaum ist zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrags noch im Turnier.

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Doppelbelastung: zwei Siege in der Bundesliga, kein überragendes Ergebnis im ersten Turnier der Champions Chess Tour.

Baadur Jobava, Elo 2578, hat die Finalgruppen nicht erreicht. Am 3. Februar hatte er in seinem Stream vor laufender Kamera an der Qualifikation teilgenommen. Nach einer Niederlage gegen den ebenfalls mit 2578 bewerteten chinesischen GM Xiangyu Xu flippte Jobava aus. Er beschuldigte seinen Gegner des Betrugs und beschwerte sich auf unflätige Weise beim Moderator von chess.com.

„Sperrt die chinesischen moherf***er“, so Jobavas Worte.  Nach Darstellung der Website der FIDE-Online-Arena hat der dreifache georgische Meister außerdem seinem Gegner eine beleidigende Nachricht geschickt: “Du kleines chinesisches Stück Sch**ße. Wie kannst du es wagen, so schamlos zu betrügen?”

Die starke Vorstellung der dritten chinesischen Garnitur um Xiangyu Xu bei der Mannschaftsweltmeisterschaft legt vor allem nahe, dass die außerhalb Chinas wenig bekannten chinesischen Spitzenspieler aus der zweiten und dritten Reihe unterbewertet sind.

Jobava verlangte vom Veranstalter, nicht nur seinen Gegner, sondern alle Chinesen zu sperren – und zwar sofort, „nicht erst nach zwei Stunden“. Außerdem forderte er den verlorenen Punkt zurück. „Chess.com tut nichts und sagt nichts. Das ist unwirklich.”

Der Vorfall blieb anfangs weitgehend unbemerkt – bis ein Clip davon auf Reddit auftauchte. Dazu gesellten sich bald weitere Clips, die zeigen, Jobava ist jetzt nicht zum ersten Mal auffällig geworden.

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Schnipsel aus vergangenen Jahren zeichnen das Bild eines emotionalen Schachprofis, der allenfalls gebrochen Englisch spricht („I’m not the guy you can ironic“), aber trotzdem über ein veritables Repertoire von Kraftausdrücken verfügt. Die Kombination von beidem führt dazu, dass der 39-Jährige maßlos überzieht und ins Rassistische/Sexistische abgleitet, sobald er sich angegriffen oder ungerecht behandelt fühlt.

Spätestens mit der Causa Niemann und den in der Öffentlichkeit lancierten privaten E-Mails von Schachmeistern steht auch chess.com unter dem dringenden Verdacht, ein rechtes und vor allem einheitliches Maß im Umgang mit Profis noch nicht gefunden zu haben. Gut drei Tage nach dem Vorfall hat die Plattform jetzt reagiert:

Eine Reaktion die Fragen aufwirft, etwa die der deutschen Nationalspielerin Josefine Heinemann: „Offenbar sind rassistische Kommentare nur in Turnieren mit Preisgeldern ein Problem, denn ansonsten darf er ja weiterspielen?“, schrieb sie auf Twitter. Der ukrainische Großmeister Andriy Volokitin merkt an: „Baadur Jobava wurde wegen eines emotionalen Ausbruchs gesperrt, während chess.com Sergei Shipov, der unter ukrainischen Sanktionen steht und zum Völkermord an Ukrainern aufruft, spielen lässt.“

Zeit für ein klares, transparentes Reglement.

Schachfotografin Maria Emelianova fragt, ob rassistische/sexistische Ausbrüche auf Twitch und einer Schachplattform die Grundlage sein sollten, auf der die Ethik-Kommission der FIDE eine Sperre am Brett prüft. Ein von chessarena.com befragter, anonymer Rechtsexperte sagt dazu, dass die Kommission solche Vorgänge untersuchen kann, wenn Betroffene, ihr Verband oder ein FIDE-Gremium eine Beschwerde bei der Kommission einreichen.

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Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor

Zu Jobava: Ich bin ihm 2015 als Reporter in Wijk aan Zee mehrfach begegnet, eine Reihe Zufälle: im Gang, einmal auch draußen vor der Tür direkt vor der Runde (Interview direkt vor der Partie gegen Carlsen war “seine Idee”, drinnen auf der Bühne Minuten vor der Runde gab er auch dem norwegischen Fernsehen ein Interview). Trotz am Ende 3/13 nach anfangs 0,5/6 behielt er immer gute Laune – das übrigens im Gegensatz zu Naiditsch anno 2014, wobei sie sonst am Brett und auch abseits davon Gemeinsamkeiten haben. Damals sagte ein niederländischer GM “Jobava hat auch seine dunklen Seiten” – es… Weiterlesen »

Joschi
Joschi
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

Ich darf Dich als Klugscheißer bezeichnen, aber wenn ich Dich als deutschen Klugscheißer bezeichnen würde, wäre das rassistisch. (Würde ich natürlich nie tun)
Sonnenklar also! 😉

Chris
Chris
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

Oder wenn derjenige wirklich ein cheater ist

Gerold
Gerold
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

Ach wenn du doch geschwiegen hättest.

Ist der Beitrag jetzt zu Jobava, oder ist er der Besessenheit zum Thema MC geschuldet?

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor
Reply to  Gerold

Mein Kommentar war ja weitgehend zu Jobava – man kann den letzten Absatz natürlich anders sehen. Ich hätte ihn auch weglassen bzw. daraus einen separaten Kommentar machen können – dann wäre wohl klarer, was die vielen Daumen runter verursacht. Aber in diesem Artikel steht auch “Spätestens mit der Causa Niemann … steht auch chess.com unter dem dringenden Verdacht, ein rechtes und vor allem einheitliches Maß im Umgang mit Profis noch nicht gefunden zu haben.” Was heißt hier eigentlich “auch”, wer noch? Gemeint ist vielleicht “wie üblich” FIDE, die bisher immer einheitlich entschieden hatten: Topalov, Mamedyarov und Zhukova wurden für Cheating-Anschuldigungen… Weiterlesen »

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor
Reply to  Gerold

Insgesamt ist es “ein weites Feld”. Natürlich spielen bei chess.com finanzielle Interessen eine Rolle: Carlsen hatten sie sofort unterstützt – so schnell dass man Kontakt zuvor plausibel vermuten oder unterstellen kann. Bei Jobava reagierten sie erst, nachdem es anderswo thematisiert wurde. Und dann – da Jobava generell durchaus populär ist – vielleicht auch lange Diskussionen: reicht auch eine öffentliche Verwarnung oder eine kürzere Sperre? Preisgeld einbehalten ging nicht, da Jobava nichts bekam oder bekommen hätte. Bewiesenes Cheating (nach ihren geheimen Methoden) wird generell diskret behandelt – Ausnahme Niemann wo Jahre zurückliegende Dinge nochmal aufgewärmt oder aufgekocht werden. Auch eine Ethikkomission… Weiterlesen »

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

“+1” hierzu :
‘Und dann – da Jobava generell durchaus populär ist – vielleicht auch lange Diskussionen: reicht auch eine öffentliche Verwarnung oder eine kürzere Sperre?’
MFG
LK (den die Popularität eines Spielers in diesem Zusammenhang wenig interessiert, aber diese Bitte hat : Schachspieler, wenn sie mal ausrasten, nicht sperren, sondern anders strafen)

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

Bewiesenes Cheating (nach ihren geheimen Methoden) wird generell diskret behandelt” – könnte problematisch sein, wenn sich betrogen einschätzende oder realiter Betrogene wie gemeint exponieren.

Angeraten werden könnt i.p.Cheating eine Zero-Tolerance Policy ?!

Ich habe selbst schon erlebt wie Cheater von Veranstaltern geschützt worden, um die Veranstaltung möglichst unbelastet zu lassen, mag so nicht.

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

“Was bedeutet der Vorfall nun auch? ”
Aus meiner Sicht nicht viel, da ist einer “ausgeflippt” und war womöglich auch “indischponiert”, Toleranz geht.
Sperren sind nicht “cool”.
X-Ismus muss nicht vorgelegen haben.

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Monat zuvor

Hab Baadur Jobava mehrfach kennengelernt, er ist nett, scheint nett zu sein, aber so-o geht es nachvollziehbarerweise nicht. Ich mag ihn, seine Schachkarriere, vergleiche vielleicht auch so : -> https://ratings.fide.com/profile/13601520/chart … ist bemerkenswert. Es gibt auch interessante Interviews mit ihm, vergleiche : -> https://de.chessbase.com/post/interview-mit-baadur-jobava-1-2 (‘Später habe ich meinen Stil verändert – ich habe weniger Betonung auf die Anfangsphase der Partie gelegt und mehr auf einen kreativen Spielstil. Mir gefällt dieser Trend, 25 bis 30 Züge Theorie runterzublitzen. Das kann man machen, wenn man jung ist und Energie hat. Aber jetzt interessiert mich das nicht mehr.’ – es gibt also noch… Weiterlesen »

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Monat zuvor

Aja, vielen Dank für die zeitnahe Veröffentlichung meines kleinen Kommentars, hier ist der zweite Teil des gemeinten Interviews per Webadresse verwiesen :
-> https://de.chessbase.com/post/interview-mit-baadur-jobava-2-2 (Text-Probe : ‘Was das Schach betrifft, so würde ich sagen: “Benutzt keine Computer, benutzt euer Gehirn! (Allgemein gesprochen, würde ich sagen, dass wir beim Wettlauf, erfolgreich zu sein, dazu neigen, das zu vergessen, was im Leben wichtig ist – zwischenmenschliche Beziehungen.)’
(Ganz so meint es Herr Jobava schachlich womöglich nicht, die “Engines” sind schon zu nutzen, beim oben einklammerten Teil des Zitats mag ich seine Richtigkeit.)
MFG
LK

Faustus
Faustus
1 Monat zuvor

Zunächst ist das Verhalten von Jobava eine vollkommen inakzeptable verbale Entgleisung. Das hat zunächst nichts mit Rassismus zu tun. Chess.com sollte die Vorwürfe prüfen und gegenüber Jobava Sanktionen einleiten. Ihn ein komplettes Jahr von lukrativen Onlineturnieren auszuschließen , scheint mir etwas überzogen.
Man hätte ihn auch für das aktuelle Turnier ausschließen und eine Entschuldigung verlangen können. Es gibt nun mal Choleriker. Vielleicht wäre auch eine Anti-Aggressionstherapie sinnvoll.
Es wäre meiner Ansicht schade auf ihn verzichten zu müssen. Seine Partien sind teilweise sehr interessant und er hat viele „Patzereröffnungen“ salonfähig gemacht.

Andreas Lange
Andreas Lange
1 Monat zuvor

Manche Schachprofis lassen sich wohl nicht bei der Ehre packen, sondern am Geldbeutel.

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor

Bluebaum ist noch nicht ausgeschieden. Es gilt ja “double elimination”, d.h. es gibt auch eine “Loser bracket”. Da hat er gerade Bogdan-Daniel Deac im Armageddon in “remislichen bis für Blübaum verlorenen” Damenendspiel über die Zeit gehoben. In den Schnellpartien hatte erst Deac ein Turmendspiel vergeigt, der dritte Verlustversuch war erfolgreich (zuvor stand Deac auch mal glatt gewonnen). Dann fand Blübaum in guter Stellung eine kreative Art, eine Figur einzustellen. Schnellschach ist toll! Morgen spielt Blübaum nun gegen good ol’ Kramnik. Keymer hat dagegen zwei Matches verloren und ist damit ausgeschieden, wie gerade auch Firouzja: in Division I 0-3 gegen Erigaisi… Weiterlesen »

Joschi
Joschi
1 Monat zuvor

Genau das ist das Problem, an dem Turnier. Kein Mensch kennt sich aus, wer wo spielt, ob wer noch Chancen auf einen Aufstieg hat oder nicht, wann welches Spiel beginnt etc.
Klar lässt sich das recherchieren, aber es nimmt gibt dem Turnier einen amateurhaften Charakter.

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor
Reply to  Joschi

So kompliziert ist es auch wieder nicht, und da es insgesamt 6 dieser Turniere geben wird gewöhnt man sich wohl daran. Nach einer Matchniederlage landet man in der Losers Bracket, nach zwei Matchniederlagen ist man ausgeschieden. Ich hatte nicht berücksichtigt, dass Runde für Runde Spieler aus der Winners Bracket “absteigen”. Der Sieger des “Losers Final” steigt dann wieder auf und spielt gegen den Sieger des Winners Final um den Turniersieg, dafür muss er ihn dann zweimal nacheinander besiegen. Runde für Runde geht es in allen drei Divisionen auch um Preisgeld und Tourpunkte. Es gibt auch die Webseite https://championschesstour.com/ – da… Weiterlesen »

Joschi
Joschi
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

Erwähnenswert, dass sich Jan und Peter bei den Übertragungen selbst nicht ausgekannt haben und nicht wussten, wer gegen wen wann antritt …
Kompliziert oder nicht: es ist unübersichtlich.

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor
Reply to  Joschi

Natürlich ist es unübersichtlich – geht nicht anders wenn drei bzw. (mit jeweils Winners und Losers Bracket) sechs Turniere parallel stattfinden. Zuschauer werden sich daran gewöhnen, Kommentatoren auch. Ob es ein gutes Konzept ist ist ein anderes Thema. Für mich hat es Stärken (alle GMs können teilnehmen) und Schwächen in der Umsetzung. Letzteres betrifft vor allem die Zeitkontrolle (mit diesem kleinen Inkrement wird aus Schnellschach zwangsläufig Blitz, das dann bis zum Partieende) und die große Rolle von Armageddons mit Zufallsprinzip betrifft Schwarzvorteil. Ich freue mich jedenfalls jetzt auf WR Chess Masters – klassische Bedenkzeit und interessantes Feld fast ohne Pragmatiker/Opportunisten… Weiterlesen »

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Monat zuvor
Reply to  Thomas Richter

Ja, vielen Dank für Ihre Erläuterungen, Herr Thomas Richter, ich blicke da bei einigen Events auch nicht mehr durch.

Was “cool” wäre, wenn ich auch den Rest der Nachricht lesen könnte, wenn ich auf die Schaltfläche mit der Beschriftung ‘Weiterlesen’ klicke, eine Ausbreitung des wie gemeinten Texts erfolgt dann nicht, just for the record.

Mit freundlichen Grüßen
Ludger Keitlinghaus

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor

“Weiterlesen” funktioniert bei mir manchmal, manchmal nicht – Tagesform der Webseite?
Mein letzter Satz begann mit “Ich freue mich jedenfalls jetzt auf WR Chess Masters”.

Manfred
Manfred
1 Monat zuvor

Bei mir geht das immer nur einmal und dann nicht mehr. Auch wenn ich die Seite neu lade. Am Handy ist es auch so. Liegt vermutlich nicht am Browser etc..
Habe diesbezüglich auch schon vor Monaten eine mail geschrieben.