Viertelfinale gegen Nepo! Vincent Keymer: “Dagegen anzukommen, wird nicht leicht.”

Eric Hansen hatte für seine Partie der letzten Runde gegen Vincent Keymer sichergestellt, dass er während der laufenden Runde alle aktuellen Ergebnisse im Blick hat. Während sich zwischen ihm und dem Deutschen eine schwerblütige Partie entwickelte, strauchelten nach und nach die Verfolger – Aronian, Giri, Abdusattorov. Hansens Berechnungen zufolge müsste er sich nun sogar eine Niederlage gegen Keymer erlauben können und wäre trotzdem weiter. Aber Keymer drückte, und beim Kanadier setzte die Furcht vor einer Null ein: “Was, wenn ich mich verrechnet habe?”

Letztlich zogen beide ins Viertelfinale ein, Hansen und Keymer, die Überraschungen der Airthings Masters. Der hauptberufliche Schachstreamer Eric “Chessbrah” Hansen repräsentiert nach Hikaru Nakamuras Sieg beim Grand Prix ein neuerliches Indiz, dass Streaming nicht notwendigerweise dem Schach schadet. Keymer wiederum, Erfolgreichster der jungen Wilden im Feld, schaffte bei seiner ersten Tour-Teilnahme auf Anhieb den Sprung unter die besten acht. Als Achtplatzierter trifft Keymer heute ab 18 Uhr im Viertelfinalmatch auf den Erstplatzierten der Vorrunde, WM-Herausforderer Ian Nepomniachtchi.

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Für Keymer galt vor den letzten drei Partien der Vorrunde, dass ihm dank seiner exzellenten Ausgangsposition ein Sieg mit einiger Wahrscheinlichkeit reichen würde, um ins Viertelfinale einzuziehen.

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Abseits des eigenen Punktekontos war für die Führenden wichtig, die Konkurrenz auf Distanz zu halten, zum Beispiel Praggnanandhaa, der noch aufs Viertelfinale hoffte, aber zu Beginn des vierten Vorrundentags gegen Keymer unter Gewinnzwang stand.

Wie Vincent Keymer mit Schwarz gegen Praggnanandhaa nichts anbrennen ließ.

Das präzise verteidigte Schwarzremis gegen Pragg war für Keymer auch im Sinne des eigenen Punktekontos wertvoll. Aber dann missriet ihm die Partie gegen den in den USA lebenden vietnamesichen 2700er Quang Liem Le, die schon ausgangs der Eröffnung den Bach herunterzugehen drohte, aber dann in ein theoretisch zwar haltbares, aber praktisch kaum zu verteidigendes Turmendspiel mündete, an dessen Ende eine Null für Keymer stand.

Der 17-Jährige war auf Rang acht zurückgefallen, und es sah danach aus, als bräuchte er nun in der letzten Runde einen Schwarzsieg gegen Eric Hansen, um weiterzukommen – außer die Verfolger würden kollektiv straucheln. Aber auch Hansen würde nach seiner Niederlage gegen Alexandra Kosteniuk mindestens einen Punkt fürs Weiterkommen brauchen, sollten nicht die Verfolger Giri, Aronian, Abusattorov allesamt verlieren.

Statistiker statt Eröffnungshelfer anheuern, ein Vorschlag, der Levon Aronian hätte helfen können, statt Vincent Keymer ins Viertelfinale einzuziehen.

Während die Runde lief, wechselte das Tabellenbild fortlaufend. Letztlich ergab sich genau die Konstellation, die Hansen und Keymer erlaubte, sich beiderseits über das Remis zu freuen. Beide waren damit weiter und eine ganze Riege von WM-Kandidaten ausgeschieden. In die Freude mischte Keymer ein wenig Selbstkritik: Allzu gut seien seine Partien an diesem vierten Vorrundentag nicht gewesen, sagte er im Interview nach der Partie gegen Hansen.

Nepomniachtchi versus Keymer, eines der heutigen Viertelfinals beim Airthings Masters. | Foto: Rafal Olieksiewicz/ECU, Thorstein Magnusson, Reykjavik Open

Die im Vergleich zu den anderen Tagen weniger souveräne Vorstellung mag an der Nervosität gelegen haben – die Keymer aber nach eigener Einschätzung mit den Kollegen an den virtuellen Brettern teilte: “Alle waren nervös, es konnte ja wegen der Drei-Punkte-Regel noch so viel passieren.” Allemal sah Keymer einen Fortschritt gegenüber seinen Auftritten bei der Junior-Tour im vergangenen Jahr: “Da habe ich am letzten Turniertag schrecklich gespielt und alle wichtigen Partien verloren. Heute war es immerhin gut genug, um weiterzukommen.” Und das, in diesem Elitefeld, “hatte ich überhaupt nicht erwartet”.

Jetzt erwartet Keymer einen Gegner, der von einer langen, intensiven Vorbereitung auf sein WM-Match gegen Magnus Carlsen zehren kann. “Dagegen anzukommen, wird nicht leicht. Aber ich werde mein Bestes tun.”

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