Zweierlei Maß

Die Anti-Cheating-Regeln von chess.com sind eindeutig: Ist ein Account wegen eines Fair-Play-Verstoßes geschlossen worden, dann bleibt er geschlossen. Reuige Ersttäter mögen die Möglichkeit bekommen, einen neuen Account zu eröffnen, aber niemals wird der alte entsperrt.

Jetzt hat sich offenbart, dass diese Regeln nicht für alle gelten. Milliardäre, Filmstars und -magnaten bilden eine Ausnahme. Das zeigen die Beispiele der indischen Schachfreunde Nikhil Kamath, Sudeep Sanjeev und Sajid Nadiadwala. Wie berichtet, hatten diese drei während eines Benefiz-Simultans gegen Viswanathan Anand eine Engine spielen lassen, anstatt ihr Gehirn zu benutzen:

Schon die unmittelbare Reaktion der weltgrößten Schachseite lotete die Extreme aus. Einerseits ein butterweiches, allgemeines Statement über Cheating beim Online-Schach, das den Fall, um den es ging, und die Namen der Falschspieler nicht einmal erwähnte. Andererseits sperrte chess.com die Accounts der drei Herren unmittelbar, die schärfstmögliche Vorgehensweise, obwohl sie den chess.com-Fair-Play-Regeln nach nicht nötig gewesen wäre. Beim Simultan wurden keine gewerteten Partien gespielt, und in freien Partien ist, mehr oder weniger, alles erlaubt.

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Die drei Betroffenen hatten mit Sicherheit nicht damit gerechnet, zu was für einem PR-Desaster öffentlicher Betrug beim Schachspiel führen kann. In den Wikipeda-Einträgen der beiden Filmleute tauchte die traurige Episode sofort auf, und die Geschichte des Milliardärs, der beim Benefiz-Schach betrügt, ging um die Welt.

Die millionenfach gesehenen Nikhil-Kamath-Cheating-Schlagzeilen lassen sich nicht rückgängig machen. Ein gesperrtes Profil auf einer Schachseite ist dagegen nicht der Rede wert. Umso erstaunlicher die Kehrtwende, die chess.com nun vollzieht – und weiterhin auf eine eigene Sicht der Dinge verzichtet. Dieses Mal lässt sich Viswanathan Anand als derjenige einspannen, auf dessen Betreiben hin die Schachseite ihre eigenen Regeln außer Kraft setzt.

Damit hat sich chess.com nun ein unnötiges Ei ins Nest gelegt. Die vermeintliche, oft betonte Konsequenz, mit der das Unternehmen gegen Cheater vorgeht, hat es ohne Not ausgehöhlt.

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