Mein Club: Unbezahlbar!

An Schachspieler:innen mangelt es nicht, es gibt sie zu Hunderttausenden, Tendenz steigend. Die Frage ist: Wie bekommen wir diese Masse potenzieller Neuzugänge in unsere Vereine? Was ist zu tun, damit dem Hobbyschachspieler die Mitgliedschaft im Schachverein attraktiv erscheint?

Die überfällige bundesweite Kampagne zur “Mitgliedergewinnung”, wie es in der Schachverwaltungssprache heißt, würde aus einem Bündel koordinierter, auf ein Ziel ausgerichteter Projekte bestehen. Ein Beispiel, wie ein zentraler Baustein einer solchen Kampagne aussehen könnte, demonstriert jetzt der SC Höchstadt: Geben wir den Neuzugängen ein Gesicht – und das Wort.

Nick zum Beispiel. Der spielte schon seit Jahren Schach, mal mehr, mal weniger ambitioniert, aber stets für sich, ohne Teil einer Schachgemeinschaft zu sein. Jetzt ist Nick dem SC Höchstadt beigetreten, und er merkt den Unterschied. Mit der Hilfe eines Trainers wird Nick schnell besser, als er jemals war, er erlebt die Freude am gemeinschaftlichen Wettkampf, den er nicht kannte, und er genießt die Gemeinschaft Gleichgesinnter, die ihm seit Jahren gefehlt hat (ohne dass er es wusste). “Ich wäre viel früher einem Verein beigetreten, hätte ich die Vorteile gekannt”, sagt Nick.

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Den Originalbeitrag von der Website des SC Höchstadt haben wir redaktionell leicht bearbeitet. Nick hat das Wort:


Ich heiße Nick, bin 35 Jahre alt und erst seit wenigen Monaten Mitglied beim SC Höchstadt. Nun wurde ich gefragt, wie sich für einen “Neuen” das Vereinsleben anfühlt. Wie ist das Training, wie erlebt man die gemeinsamen Online-Matches auf Lichess und chess.com? Für diejenigen, die über einen Vereinsbeitritt (oder ein “Reinschnuppern”) nachdenken, sei vorangestellt: Es fühlt sich ausgesprochen gut an. Ich wäre wohl viel früher einem Verein beigetreten, wenn ich die Vorteile gekannt hätte.

Nick. | Fotos via SC Höchstadt

Für mich ist Schach schon seit einigen Jahren ein sehr persönliches Hobby gewesen. Gegen Ende meines Studiums begann ich, Interesse für das königliche Spiel zu entwickeln. Ich spielte gegen Schachcomputer, überredete Freunde zu Partien und holte mir Tipps und Tricks aus dem Internet.

Meinen Account auf chess.com habe ich seit 2013. Vor allem im Schnellschach erspielte ich mir mühsam etwas Erfahrung zusammen (früher zählten die 10-Minuten-Partien noch als Blitz). Die meisten Freunde brauchte ich bald nicht mehr fragen, ob sie eine Partie spielen möchten. Ich wusste zu viel, ich war zu gut geworden. Mir blieb ein Kollege, der mein Hobby mit mir teilte – und der zog wegen der Liebe von dannen.

Ralf (Name evtl. geändert): Ich vermisse dich und unsere Partien im Garten!

Ohne Ralf wurde es einsam in meinem Schachuniversum. Ich spielte gelegentlich zum Zeitvertreib oder so, wie andere eben Computerspiele spielen. Die Luft war raus. Auch fehlte mir manchmal die Zeit oder ich nutzte meine Freizeit für andere Hobbys.

Nach der Geburt meines zweiten Sohnes habe ich ein Jahr so gut wie gar nicht gespielt (die Lücke lässt sich schön an meinem Rating-Profil auf chess.com ablesen). Letztlich bin ich doch wieder zur Vernunft gekommen. Über Elias Pfann – wir haben uns auf chess.com kennengelernt –  habe ich zum SC-Höchstadt gefunden.

Das Schachbrett im Garten steht noch, leider ist Ralf weggezogen.

Mit der Vereinsmitgliedschaft kam die Würze zurück ins Spiel. Zum einen macht das Training zusammen deutlich mehr Spaß. Hier muss ich ganz ehrlich sagen, dass mir so etwas gefehlt hat, um meine Spielstärke zu steigern. Mit der Hilfe eines erfahrenen Trainers geht es deutlich effektiver voran. Ich bekomme beim Training klare Erklärungen, die ich sonst höchstens in Videos (kein Nachfragen möglich!) oder Büchern (teils sehr anstrengend) finden würde. Mein Dank gilt unserem Coach Alex Mönius, der wöchentlich ein Training vorbereitet und uns jedes Mal mit exzellentem Stoff versorgt!

Auf chess.com durfte ich gleich zu Beginn in der Clubs League mitspielen. Unsere Team-Matches dort und auf Lichess sind für mich ein Highlight.

Wilde Pfeile auf dem Brett

Klar, ich spiele gerne einfach nur für mich und habe damit natürlich auch nicht aufgehört. Aber für eine Mannschaft zu spielen, hat seinen ganz eigenen Reiz. Es weckt den Ehrgeiz, man fiebert mit den anderen mit und gibt stets sein Bestes, da man ja auch an das Team und nicht nur an das eigene Rating denkt. Wenn dann auch noch die Mannschaft einen Sieg (oder einen Aufstieg in der Lichess-Bundesliga) erringt, freut man sich gleich doppelt.

Last but not least: Die Begegnungen im Vereinen geben Raum zum Plaudern, der Spaß kommt nicht zu kurz. Wir tauschen uns über Schach und alles mögliche aus, die Unterhaltungen kennen schier keine Grenzen. Meistens bin ich zu konzentriert, um auf Discord viel von mir zu geben, aber ich finde die Online-Treffen zumeist sehr unterhaltsam.

Gekrönt wird das Ganze, wenn man sich nach dem Training oder beim Vereinsabend zu einer Partie Vierspielerschach zusammenfindet. Jeder weiß es besser, da werden wild Pfeile aufs Brett gemalt (ja, das geht mit Rechtsklick), fiese Pläne für garstige Doppelangriffe geschmiedet, und am Ende stehen alle baff dar, wenn das Matt aufs Brett gezaubert wird.

Bei solchen Gelegenheiten lässt sich die Materie Schach ganz einfach beschreiben, es reicht ein Wort: unbezahlbar. 

Vierspielerschach mit wilden Pfeilen.

Aus dem Höchstadter Beispiel könnte (sollte!) eine Serie werden. Du bist neu im Verein? Und du hättest schon viel eher beitreten sollen? Dein Verein freut sich über Neuzugänge? Und die würden gerne wie Nick ihre Geschichte erzählen? Schreib an diese Seite, außerdem an die freundlich-unermüdlichen Schacharbeiter:innen unter presse@schachbund.de, dann stellen wir dich und deinen Verein ins Rampenlicht. Danke!


(Titelfoto via Solihull Chess Club)

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Peter Kalkowski
Peter Kalkowski
2 Jahre zuvor

Auf dem Titelbild sieht man deutlich, der Vereins- Schachsport lebt von Ü60 Mitgliedern.
Auch im Jugendbereich, wird die Arbeit von vielen älteren Ehrenamtlern getragen.

Bernd Simonis
Bernd Simonis
2 Jahre zuvor

Meine Erfahrung ist eine andere. Schach ist vielen zu anstrengend, wenig kommunikativ, zeitraubend. Kids sind abgelenkt von Handyspielen. Eltern begreifen den Wert des Spiels nicht. Inseriert der Karateverein einen neuen Kurs, stehen Eltern Schlange, trotz hoher Kosten. Inseriert der Schachverein, kommt wahrscheinlich niemand. Schüler winken ab und gehen lieber in die Garten-AG als in die Schach AG, Schach gilt als langweilig. In der Tat entdeckt man die Faszination erst, wenn man tiefer eintaucht. Bis ein gewisses Niveau erreicht ist, sind die Leute weg.