Fast bis zum bitteren Ende habe ich am Wochenende an der online durchgeführten Mitgliederversammlung der Deutschen Schachjugend teilgenommen. „Schreckliche“ Sitzungen habe ich schon oft erlebt. Seit Sonntag habe ich eine neue Nummer eins auf dieser unnötigen Liste.
Noch im vergangenen Frühjahr in Freiburg erlebte ich die DSJ so, wie ich sie kennen- und vor allem schätzen gelernt habe: kreativ, aktiv und Inhalte diskutierend. Seinerzeit ist mir kein anderer Vertreter eines Landesverbands aufgefallen, der sich für die Arbeit der DSJ interessierte. Vermutlich war ich der einzige. Und nach diesem Wochenende habe ich Anlass, ketzerisch festzustellen, dass das im Sinne der Schachjugend wahrscheinlich gut so war.
In diesem Jahr interessierten sich viele. Und wie. Der Landesverband, der die Eigenständigkeit seiner Schachjugend seit Jahren als Vorbild herausstellt, war sogar durch Präsident und Vizepräsident des Verbandes der “Großen” mit Stimmrecht vertreten. Irgendwie nicht mein Humor!
Und sie haben mit anderen “Erwachsenen” der Jugend dann mal gezeigt, was im Leben wirklich wichtig ist: Formalia, Verträge, nicht zu erteilende Entlastungen und ganz viele die Formalien betreffende Redebeiträge. Sechs Stunden für einen Kassenprüfbericht habe ich in 20 Jahren DSB noch nicht erlebt. Einer der jungen Vertreter sprach das nach endlosen Momenten auch an. Ich hoffe, dass er uns trotz seiner spürbaren Enttäuschung in der ehrenamtlichen Arbeit erhalten bleibt.
Zum aus meiner Sicht heikelsten Thema der Versammlung: Entlastet wurden Malte Ibs und Rafael Müdder trotz gegenlautender Antragstellung. Wenn auch mit vielen, aus meiner Sicht nicht gerechtfertigten Gegenstimmen.
Wenn ich meinen Unmut ausdrücken will, kann ich einfach anders wählen. Entlastung zu verweigern, ohne real justiziable Sachverhalte anzuführen, ist aus meiner Sicht ein No-Go. Im DSB ist es seit 2002 ein fast schon standardisiertes Vorgehen. Jetzt haben diejenigen, die das gut finden, es bei der DSJ eingeführt.
Zur Wahl: Herzlichen Glückwunsch, Niklas! Ich wünsche Dir wirklich im Sinne der Sache, die DSJ wird gebraucht, alles Gute und viel Erfolg bei Deiner Arbeit. Es wird schwierig, diese nun in zwei Hälften (131:129) geteilte Struktur zu einen. Umso schwieriger wird es, da die Gewinnerseite auch noch an der letzen möglichen Abzweigung Richtung Gemeinsamkeit, der Wahl zur stellvertretenden Kassenprüferin, ihre Mehrheit plakativ demonstrierte.
Stichwort Kassenprüferin. Es ist einmalig, dass eine Organisation einen Compliance-Beauftragten (mit sehr weitgehenden Befugnissen) einsetzt und quasi zeitgleich eine erst neun Tage zuvor ausgeschiedene ehemalige Mitarbeiterin zur Kassenprüferin wählt. Satiremagazine hätten sich das nicht ausdenken können.
Heute fand die Wahl zum neuen Vorsitzenden der DSJ statt. Niklas Rickmann setzte sich hauchdünn durch. Wir bedanken uns…
Gepostet von Bayerische Schachjugend am Samstag, 8. Mai 2021
Noch ein bisschen Begleitmusik:
- Malte Ibs wurde nach Jahren ehrenamtlicher Arbeit abgewählt. Die Schachjugend, die diese Abwahl federführend forciert hat, dankt ihm dann abschließend via Facebook für seine Lebensleistung. Mann, Mann…
- Onlinesitzungen sind manchmal gefährlich. Ich habe bisher noch nie so viel pseudoversachlichte und unterdrückte Aggression ausstrahlende Sitzungsmomente erlebt. Ich hoffe, dass sich die eine oder andere Baustelle im richtigen Leben und Miteinander wieder schließen lässt.
Ich bedanke mich an dieser Stelle mit Nachdruck für die vielen Jahre ehrenamtlicher Arbeit von Malte Ibs für die Schachjugend. Mein Dank gilt auch Rafael Müdder.
Unlängst im Interview mit dieser Seite sagte ich, ich sei „ratlos“. Heute bin ich vor allem von Sorge erfüllt.
Der DSJ wünsche ich, dass sie wieder zu inhaltlicher, kreativer und nachhaltiger Arbeit zurückfinden kann. Wir brauchen im deutschen Schach eine starke Jugend.
Hallo Herr Langer,
auf welches Alter würden Sie denn das Teilnahmerecht bei einer Jugendversammlung beschränken?
Wären Sie dann auch davon betroffen?
Glauben Sie denn wirklich, es wurde so lange über den Kassenbericht diskutiert, weil in diesem Bereich so gut gearbeitet wurde?
Sollte man so „unnötige“ Dinge wie eine Entlastung (und am besten auch gleich die Wahlen…) lieber ganz abschaffen?
Immerhin war ein hessisches Vorstandsmitglied des Niedersächsischen Schachverband durchaus an der Eskalation beteiligt.
Die Verselbstständigung der Deutschen Schachjugend zum e.V. musste zwangsläufig dazu führen, dass mit dem direkten Kontakt zu Finanzamt und Registergericht Formalien in den Vorderung geraten. Die beanstandeten Unregelmäßigkeiten haben nicht die Kassenprüfer zu vertreten, sondern die für die Kassenführung Verantwortlichen. Jede andere Betrachtungsweise vertauscht Ursache und Wirkung. Auf Entlastung besteht kein Rechtsanspruch; ich kann nicht erkennen, was daran zu kritisieren ist, wenn die Versammlung sich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Verantwortlichen zumindest vorbehalten möchte. Was an der Bestellung der durch Sachkunde ausgewiesenen Kassenprüferin Satire sein soll, erschließt sich mir nicht. Offenkundig bevorzugt der Autor, der selber etliche eigene Etattöpfe… Weiterlesen »