Levon Aronian – Vladimir Kramnik, Kandidatenturnier Berlin 2018, 3. Runde
Die Stellung sieht aus, als sei nicht viel los. Inmitten der Eröffnung müssen beide Seiten noch jede Menge Figuren entwickeln. Schwarz wird wahrscheinlich bald rochieren, und dann folgt eine langwierige, strategiegeprägte Positionspartie mit einer typischen Struktur, wie sie im Spanischen häufig entsteht, nachdem Lb5xc6 und …d7xc6 gespielt worden ist. Die Kommentatoren weit und breit schauten erstmal auf die anderen Bretter, als die Partien der dritten Runde wenige Minuten alt waren. Kramnik-Aronian würde sich ja noch hinziehen.
Aus Erstaunen wurde Einsicht
Dann griff Vladimir Kramnik zu seinem Turm auf h8 und zog ihn ganz unscheinbar ein Feld weiter, nach g8. Was, bitte, ist das?
Die anfängliche Belustigung (“wahrscheinlich wollte er kurz rochieren und hat aus Versehen zuerst den Turm angefasst”) wandelte sich erst in Erstaunen über ein kühnes Konzept, dann in Einsicht, dass hier ein ganz Großer des Sports die Stellung schlicht besser versteht als alle Beobachter.
Sehr bald stellte sich die Frage, wie sich Levon Aronian eigentlich retten soll. Kramnik hatte ja alles andere als subtil angekündigt, dass er sich nun auf die weiße Königsstellung stürzen wird. Th8-g8 kündigt in aller Deutlichkeit g7-g5 und den folgenden Angriff an, aber der entwickelt sich nicht von jetzt auf gleich. Die Truppen müssen erst voranmarschieren, das sollte dem Weißen Zeit geben, sich auf den Sturm vorzubereiten. Aronian grübelte und grübelte, einen Weg aus der Misere fand er nicht.
Tatsächlich steht Schwarz nach Kramniks …Th8-g8 schon besser. Der russische Exweltmeister sagte nach seinem Glanzsieg, er habe diese Neuerung schon seit einigen Jahren in der Pipeline, und glücklicherweise habe sich nun bei einer derart wichtigen Partie die Gelegenheit ergeben, sie aufs Brett zu bringen. Glück war es in der Tat, dass Aronian mit 1.e2-e4 eröffnet hat, denn das tut er höchst selten.
Aber ob wir Kramnik den Rest der Geschichte glauben können? Vladimir Kramnik hat als Sekundant ja den jungen niederländischen Großmeister Anish Giri an seiner Seite, selbst ein Weltklassespieler aus der 2.750+-Liga. Und von dem ist bekannt, dass er gewissenhaft Fernschachpartien studiert. Bei seinen Studien hätte dieses auf seinem Bildschirm auftauchen können:
Tatsächlich ist Kramniks Neuerung nicht unbekannt, wenngleich sie im Nahschach noch nie gespielt wurde. Im Fernschach, wo Mensch und Maschine gemeinsam deutlich besser spielen als beide Spezies das alleine könnten, hat …Tg8 den Schwarzen schon wertvolle Dienste geleistet. Auf Twitter wurde Anish Giri mit einem Mal hyperaktiv, als sein Chef den Zug aufs Brett stellte – und seinen Gegner vor eine kaum lösbare Aufgabe.
[…] eine Niederlage, die Meier in der vorletzten Runde ereilte. Nicht nur nahm sein Gegner eine Anleihe bei Vladimir Kramniks …Tg8 aus dem Kandidatenturnier, obendrein erwischte es Meier in der Rubinstein-Variante des Französischen, der Eröffnung, als […]
[…] Spiel zu verschärfen. Das Kandidatenturnier in Berlin sah auf höchster Ebene diverse Beispiele, unter anderem Kramniks …Tg8 nebst …g5 gegen Levon Aronian, der in diesem Fall selbst angerempelt wurde, anstatt […]
[…] Im Rückblick ist es kaum zu glauben, aber noch im März 2018 war es überhaupt nicht klar, wer die Nummer zwei der Welt ist. Nach einem desaströsen Auftritt in Wijk an Zee galt Fabiano Caruana als ein möglicher WM-Herausforderer, keinesfalls als alleiniger Favorit für das Kandidatenturnier. Shakhriyar Mamedyarov und natürlich Levon Aronian schienen mindestens genauso gute Chancen zu haben. Während Mamedyarov vorne mitspielte, scheiterte „Lev“ wieder einmal an seinen Nerven. Und an Vladimir Kramnik, der den armenischen Nationalhelden mit Schwarz in Windeseile überspielte. […]
[…] Neuerung …Tg8: Kramnik pustet Aronian um […]
[…] Mit 6.Lg5 schenkt der Weiße dem Schwarzen Königsangriff. Wie so ein Angriff ablaufen kann, hat in einer ähnlichen Struktur 2018 beim Kandidatenturnier Vladimir Kramnik demonstriert. […]