Die englische Schachszene war sich einig: Dieser begnadete Junge muss in England bleiben. Vier Jahre ist das mittlerweile her. Wahrscheinlich hat selten ein auslaufendes Visum so viele Schlagzeilen gemacht wie 2018 das von Jitendra Singh, dem Vater von Shreyas Royal, dem größten englischen Schachtalent, vielleicht einem der größten Schachtalente überhaupt.
Bei der 25. Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaft am Tegernsee zeigt der 13-Jährige, wozu er jetzt schon in der Lage ist. Alleine führt er nach fünf Runden die Tabelle, einziger Spieler mit 100 Prozent. Eine ganze Reihe namhafter Großmeister musste sich dahinter einordnen, der Ukrainer Anton Korobov etwa oder die langjährige deutsche Nummer eins Liviu Dieter Nisipeanu. Nach sechs Runden und einem Kurzremis gegen Eltaj Safarli (Elo 2616) steht er bei 5,5/6.
Der Reigen hatte in Runde eins mit einem schnellen Sieg begonnen. Nach 9.c5! war die Partie im Prinzip schon vorbei, siehe Video oben. Shreyas Royal hielt die Schlagzahl fast, auch in der dritten Runde, als ihm mit Nationalspielerin Jana Schneider eine veritable Gegnerin von internationalem Format gegenübersaß. Auch diese Aufgabe bewältigte er in weniger als 20 Zügen.
In Runde vier dann der ersten Großmeister. Bobby Cheng hat beim World Cup im vergangenen Jahr Schachgeschichte geschrieben: als erster Australier, der in der Qualifikation zum Kandidatenturnier eine Partie gewinnt. Jetzt reist Cheng in Sachen Schach durch Europa. Gegen Shreyas Royal hielt er wesentlich länger durch als dessen Gegner bis dahin – was vor allem mit einem Versäumnis des jungen Engländers zusammenhängt. Auch diese Partie hätte Shreyas Royal nach 24 Zügen ausknipsen können, hätte er nur 24.d5! +- gespielt.
Er verpasste die Chance – und erarbeitete sich ein zweites Mal eine Gewinnstellung, in der diesmal nichts anbrennen ließ. Mit nun 4/4 musste sich Shreyas die Tabellenführung noch teilen. Der tschechische Großmeister Jiri Stocek stand nach einem Sieg über Leonardo Costa ebenfalls bei 100 Prozent. Und so trafen diese beiden in der fünften Runde aufeinander:
Leichter wird es natürlich nicht für Shreyas Royal. Nachdem er nun zweimal in Folge gezeigt hat, dass er 2550+ kann, durfte er sich am heutigen Donnerstag erstmals an 2600+ versuchen. Mit den schwarzen Steinen wartete Großmeister Eltaj Safarli auf die Gelegenheit, die Siegesserie des groß aufspielenden Engländers zu unterbrechen. Und es offenbarte sich der Respekt, den Spieler dieser Klasse mittlerweile vor dem Talent haben: In der Eröffnung überrascht, bot der 13-Jährige Remis durch Zugwiederholung an, Safarli akzeptierte.
Als Dreijähriger war Shreyas Royal mit seiner Familie aus Indien nach England gekommen, wo sein Vater dank eines auf fünf Jahre begrenzten Visums als IT-Projektmanager arbeiten sollte. Im Lauf dieser fünf Jahre lernte Shreyas Royal Schach – und wurde rasant besser: englischer Meister U7, britischer Meister U8, U8-Europameister. So einen Jungen hatten sie im englischen Schach lange nicht gesehen. Aber dann lief das Visum ab.
Der Fall landete schließlich auf dem Schreibtisch von Innenminister Sajid Javid. Und der entschied: Shreyas Royal und seine Familie dürfen in England bleiben. Der Junge sei eines der größten Talente seiner Generation, und das gelte es anzuerkennen und zu fördern. Klein-Shreyas dankte es ihm mit einer gewagten Ansage: Mit 18 wolle er Weltmeister sein. Noch hat er dafür reichlich Zeit, und einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zum höchsten Titel hat er gerade erst hinter sich gelassen.
Shreyas Royal hat gerade seine dritte IM-Norm gemacht – im zarten Alter von 13 Jahren. Alle weiteren Titel wird er wahrscheinlich auch als Engländer erringen. Das neue Visum seines Vaters läuft zwar im kommenden Jahr ab, aber danach besteht die Möglichkeit, einen dauerhaften Aufenthalt zu beantragen. Das Turnier am Tegernsee mag die Startrampe in Sachen GM-Titel sein. Mit seinem 5,5/6 liegt Shreyas Royal auf GM-Norm-Kurs.
2022 fragt man sich, ob es für den jungen Mann und seine Familie langfristig wirklich so gut wäre in England zu bleiben. Wird er wirklich richtig stark, sollte er zurück nach Indien gehen, Nationalheld und Festangestellter eines großen Konzerns (ala Sarin, Pragg, etc.) werden, und sich über finanzielle Dinge nie wieder Sorgen machen müssen. Ganz im Gegenteil zu Europa…
Hier, also z.B. in England oder Deutschland, ist er ein Niemand mit einer skurilen Tätigkeit: “Ah, Sie sind Schachspieler… und wovon leben Sie?”.
Viel Hype, war nicht Karjakin mit 12 Großmeister?
Für meine Begriffe zerreden die meisten Kommentatoren durch das Aufzeigen aller möglichen Varianten das zu Grunde liegende Spiel. Zumindest ich, als Hobby Schachspieler (Elo: – 2300)verliere dann den Faden und habe Schwierigkeiten, die Pointe des Spiels – den Grund, warum das Spiel überhaupt aufgezeichnet und kommentiert wird, nachzuvollziehen.
Mit weihnachtlichem E2-E4
WZ