Erstauflage der DSOL: Erfolgsmodell mit einem Cheating-Fall

Die Deutsche Schach-Online-Liga (DSOL) war die mit weitem Abstand beste Erfindung unseres Schachbunds und seines Partners ChessBase während der Corona-Monate. Während bei allen Vereinen Bretter und Uhren in der Materialkammer Staub ansetzten, stellte dieser Ersatz-Ligabetrieb sicher, dass ungeachtet der Pandemie Mannschaftsschach gespielt werden konnte. 246 Mannschaften mit 1803 Spielern nahmen teil, und die anfänglichen Klagen über technische Probleme verstummten im Lauf der Zeit.

DSOL-Mannschaftskampf beim SV Berolina Mitte: Andreas Volkmer (l.) und Georg Richter zeigen, dass die Online-Liga auch eine Hybrid-Liga ist. Es muss ja nicht jeder allein zu Haus vorm Rechner sitzen. | Foto: Frank Hoppe

Bevor die DSOL jetzt zuende geht, soll sich das teilnehmende Schachvolk äußern, wie es war und was besser werden könnte. Wer die Umfrage noch nicht gesehen hat, hier ist sie. Bitte schnell mitmachen, offiziell endet sie am 10. September.

Wir am Bodensee hätten da auch den einen oder anderen Wunsch, zuvorderst diesen: Neuauflage, und das möglichst schnell.

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Wer landauf, landab die Versuche der Landesverbände und ihrer Bezirke verfolgt, den regulären Spielbetrieb wieder aufzunehmen, der sieht, dass ein signifikanter Teil der organisierten Schachspieler dafür noch nicht bereit ist. Eine täglich wachsende Zahl der jetzt in diversen Ligen angesetzten Mannschaftskämpfe endet, bevor der Kampf begonnen hat, kampflos nämlich. Darum brauchen wir die Online-Liga.

Gastspieler-Regelung?

Wir am Bodensee dürfen an der Umfrage leider nicht teilnehmen, weil wir nicht in der DSOL mitgespielt haben. Am fehlenden Willen lag das nicht, im Gegenteil, sondern an den Umständen: kleiner Verein, mehrheitlich nicht online-affin, keine Chance, ein halbes Dutzend oder mehr Leute zu finden, die sicherstellen, dass wir stets komplett antreten.

Wahrscheinlich wollen nicht nur bei uns einzelne Leute trotzdem mitspielen. Und darum posaunen wir heute per Perlen-Lautsprecher einen zweiten Wunsch in Richtung Spielleitung (Hallo, Gregor? Winke, winke!): Bitte schafft eine Gastspieler-Regelung, sodass Leute aus zu kleinen Vereinen auch mitmachen können, indem sie bei der DSOL einen anderen Verein ver …, ähem, … stärken.

Dürfen wir in diesem Zusammenhang einmal mehr auf das Leitbild verweisen, das sich unser Schachbund vor 18 Jahren gegeben hat? “Dienstleister für Vereine und alle Schachspieler” steht darin (und einiges mehr, das unser Schachbund seit 18 Jahren ignoriert, aber das lassen wir heute mal). Wahrscheinlich würden sich nicht nur einzelne Mitglieder des SC Überlingen über die Dienstleistung freuen, eine Mitspielgelegenheit in der DSOL eröffnet zu bekommen.

Cheating-Kontrolle stoppte die Siegesserie

Neben der anfänglichen Meckerei über Technik-Probleme auf der Uralt-Spielplattform war das Unken über die absehbare Cheating-Seuche nicht zu überhören. – Tja. Von wegen. Allem Anschein nach sind 1.802 von 1.803 Spielern dem Gedanken freundschaftlichen Wettkampfs gerecht geworden. Nur einem Spieler der SG Weiß-Blau Eilenriede nahm die DSOL-Cheatingkontrolle seine Siegesserie weg – und verwandelte sie in eine Reihe von Nullen.

Getreu der Kommunikationspolitik unseres DSB-Führungsduos (“besser nix sagen”) schlägt sich dieser Cheating-Vorfall in der offiziellen DSOL-Berichterstattung nicht nieder. Anstatt ihn zu verschweigen, ließe er sich offensiv kommunizieren: Eine Cheating-Quote von 0,06 Prozent ist ein Riesenerfolg. Sie zeigt, dass die bei weitem überwiegende Teil der Teilnehmer fairen Wettkampf will, und dass die Kontrolle funktioniert, falls jemand ausschert. Zwei Gründe mehr, die DSOL fortzusetzen.

Bis zur Neuauflage ein paar DSOL-Endspielübungen:

Pavlov-Erbis, Alexej (792) – Vesszö, Aaron (951)
DSOL 8. Liga Gruppe A

Etwas Elementares Aufwärmen: Schwarz zieht und gewinnt.

(Du willst lösen? Klick aufs Brett.)


Beetz, Maximilian (1000) – Bade, Deniz (1486)
DSOL 8. Liga Gruppe A

Ein bisschen schwieriger: Weiß zieht und gewinnt.


Hasselmeyer, Albert (1935) – Belickin, Mirko (1435)
DSOL 1. Liga Gruppe C

Noch schwieriger (und sehr hübsch): Weiß zieht und gewinnt.


Kalthoff, Peter (2013) – Lamby, Philipp (2137)
DSOL 3. Liga Gruppe C

Hier ist präzises Rechnen gefragt: Schwarz zieht und gewinnt.

Die Idee siehst du wahrscheinlich schnell, aber sie muss exakt ausgeführt werden, sonst funktioniert es nicht. In der Partie scheiterte der Schwarze an dieser Aufgabe.


Wessendorf, Thomas (2250) – Monninger, Moritz (2090)
DSOL 1. Liga Gruppe A

Der schwarze Freibauer droht durchzulaufen, was nun? Weiß am Zug, ja, was macht der? Hält er remis? Oder gewinnt er gar? Für den Weißen war diese Aufgabe in der Partie zu schwierig.


Probleme im Endspiel? Die “100 endgames you must know” haben sich zum Standardwerk für Leute mit Endspielproblemen gemausert. Nicht überladen, nicht ausufernd, aber voll mit fundamentalem Wissen, pointiert präsentiert.

Nachtrag, 11. September – Siehe auch:

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Tobias
Tobias
3 Jahre zuvor

Ich bezweifle, dass es nur einen Cheatingfall gab. Unabhängig von der Anzahl der Fälle ist aber die Kommunikation des Themas und da ist nichts sagen sicherlich die schlechteste Wahl.
Jetzt lässt sich nur spekulieren, ob die Erkennungssoftware einfach keine (Verdachts-)Fälle findet oder ob es nicht erwünscht ist Cheatingfälle auzudecken. Für mich sieht es eher danach aus, dass in dem in Artikel angesprochenen Fall das Cheating gemeldet wurde und dann auch “bearbeitet” werden musste.

Wäre das der einzige Cheatingfall wäre eine 100% Quote doch eine Erfolgsmeldung!

Günter Schöttker
Günter Schöttker
3 Jahre zuvor

Der o.g. Cheatingfall war mir unbekannt. Aber es gab sicher eine Dunkelziffer. Vor allen Dingen, wenn man allein zu Hause spielt und unbeobachtet ist, ist die Versuchung groß, sich helfen zu lassen. Teilweise ungewöhnliche Resultate und Siegesserien gegen bessere Spieler deuten auf Cheating hin. Im Halbfinale hat z.B. ein über die gesamte Saison sehr erfolgreicher 1800er einen rund 600 Punkte stärkeren Großmeister mit Schwarz vom Brett gefegt.

David
David
3 Jahre zuvor

Als jemand, der die Liga mitgespielt hat kann ich nur sagen einmal und nie wieder ! Die Zeitkontrolle war viel zu lang (spiele normal im Internet höchstens 10+10 aber meistens 5+0) und das war furchtbar. Obwohl ich im klassischen Schach eig. genau gegenteilig von Neopstyle spiele, ich überlege lang und komme in Zeitnot. Aber das Internet ist eine andere Welt und meiner Meinung nur Bullet und Blitz tauglich.

Für klassische Beenkzeiten doch zurück zum klassischen Brett.

Marcel
Marcel
3 Jahre zuvor

Das ist ein schlechter Witz. Allein in meinem Verein gibt es einen Spieler, der mindestens 2 Partien wie ein Großmeister gespielt hat.

Kommentator
Kommentator
3 Jahre zuvor

Die Umfrage richtet sich an “alle Mannschaftsleiter, Spieler oder zukünftige Spieler”, so dass auch ihr über Lingen in Überlingen daran teilnehmen durftet (oder sogar noch dürft; die Umfrage kann immer noch aufgerufen werden).

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[…] hat ein Beitrag auf dieser Seite so viel unmittelbaren Widerspruch ausgelöst wie der gestrige zur DSOL. Tenor all der Nachrichten, die auf diversen Kanälen am Bodensee eingingen: Es sei naiv, […]