EM-Splitter: der Prügelknabe

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GM Bogdan-Daniel Deac

Neulich im Beitrag “Berliner Mauer aus Pappe” haben wir schon gesehen, wie sich Großmeister Bogdan-Daniel Deac eine ordentliche Tracht Prügel eingefangen hat. Heute setzt es eine weitere.

Der Fairness halber wollen wir feststellen, dass der rumänische Großmeister zu den überragenden Schachtalenten des europäischen Kontinents zählt. 16 Jahre alt, Elo 2.584. Bald wird er die 2.600 knacken, und der Himmel ist das Limit.

Deac hat in Batumi auch gar keine sooo schlechte Europameisterschaft gespielt. Aber da waren nun einmal diese beiden Schwarzpartien, in denen er hübsch, schnell und instruktiv verlor. Als in der dritten Runde der englische Großmeister Gawain Jones die weißen Steine gegen Deac führte, passierte dieses:

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Gawain Jones – Bogdan-Daniel Deac, Europameisterschaft Batumi 2018

Caro-Kann-Verteidigung

1. e4  c6 2. d4 d5 3. e5

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Hat längst 3.Sc3/Sd2 als Caro-Kann-Hauptvariante abgelöst, in erster Linie, weil Schwarz im Short-System kein leichtes Leben hat.

3… Lf5

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4. h4

Die einzige veritable Alternative zu Shorts ruhigerer Gangart 4.Sf3/5.Le2. Schirows 4.Sc3 e6 5. g4 und andere weiße Versuche gelten als entschärft. Per 4.h4 will Weiß dem Lf5 an den Kragen. 4… e6?? würde nach 5.g4 usw. schon eine Figur verlieren.

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4… h5

Führt im Vergleich zur kämpferischen Alternative 4…h6 zu statischeren Stellungen, in denen Schwarz ein kleines, aber anhaltendes Problem mit sich herumschleppt: die Schwäche des Feldes g5.

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Variante 4… h6, Stellung nach 7… Dd6.

(4… h6 5. g4 Le4 (5… Ld7 ist der solide Zug. Schwarz spielt in der Folge Französisch und pocht darauf, dass sich Weiß am Königsflügel überdehnt hat.) 6. f3 Lh7 7. e6 Dd6 Lugt nach g3, verhindert Lf4. 7… Dd6 galt über Jahrzehnte als unverzichtbar und gut für Schwarz, aber das im Fernschach erfundene und im Nahschach noch wenig bekannte Bauernopfer 10.Sf3/11.h5 sieht für Weiß vielversprechend aus.

(7… Sf6 8. Lf4 Qb6 9. Sc3 Dxb2 10. Kd2 geschah 2013 in einer Partie Vachier-Lagrave – Ding Liren. Wem danach ist, eine verrückte Schachpartie zu sehen, dem sei diese ans Herz gelegt.)

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Variante 4… h6, Stellung nach 11.h5.

8. exf7+ Kxf7 9. f4 Sf6 10. Sf3 Sxg4 11. h5 Kurios. Weiß hat in den ersten elf Zügen zehn Mal einen Bauern bewegt und erfreut sich nun mehr als ausreichender Kompensation. Schwarz bietet sich ein halbes Dutzend plausibler Züge, aber keine überzeugende Idee, seine Truppen koordiniert ins Spiel und den König in Sicherheit zu bringen. Objektiv betrachtet, ist der weiße Vorteil überschaubar, aber praktisch steht Schwarz vor einer langen Reihe von ätzenden Entscheidungen, während dem Weißen die kommenden Züge leicht fallen werden.)

Zurück zur Partie:

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5. Ld3 Lxd3 6. Dxd3 e6 7. Lg5 Le7 8. Sf3 Sh6

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9. Lxh6

Eine Idee des israelischen GM Emil Sutovsky. Weiß behauptet, der Turm auf h6 stehe schlecht und der schwarze König komme nun nicht so leicht aus dem Zentrum heraus.

9… Txh6 10. c4 

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Eine logische Neuerung. Bislang geschah 10.Sbd2, aber angesichts des so bald nicht zu rochierenden schwarzen Königs ist es naheliegend zu versuchen, die Stellung sofort zu öffnen.

10… dxc4 11. Dxc4

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11… Db6?

Das “?” gilt diesem und den kommenden drei Zügen. Schwarz plant, sich auf b2 zu bedienen, dann die Dame zum Königsflügel zu fahren und dort im Verein mit dem Turm Spiel zu organisieren. Aber die Zeit dafür hat er nicht. Stattdessen hätte er schleunigst seinen Springer via d7 und b6 nach d5 beordern sollen. Oder, wie von der Engine vorgeschlagen, …Th6-g6-g4, und der Turm steht gar nicht so schlecht, wie Weiß mit 9.Lxh6 behauptet hat. Auch 11…Dd5 war eine Möglichkeit.

12. O-O Dxb2

Wer “A” sagt…

13. Sc3

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13… Dc2 

(13… b5 14. Qd3 Qa3 (sonst spielt Weiß 15.a3 mit Damenfang) war noch
eine Chance, die Partie mit Mehrbauer fortzusetzen. Eine unmittelbare
Exekution droht dem Schwarzen nicht, aber seine teils versprengten, teils
unterentwickelten Truppen garantieren dem Weißen langfristig ein Spiel auf
ein Tor.)

14. Tfc1 Df5

“Jetzt noch …Tg6, und ich habe ordentliches Spiel gegen den weißen König”, dachte Schwarz.

15. Db3

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15… b6

(15… Tg6 Zu spät! 16. Sb5! cxb5 (Wenn Schwarz nicht auf b5 schlägt, folgt 17.Sd6+ Lxd6 18.exd6 nebst Se5, und Weiß steht auf Gewinn.) 17. Tc8+ Ld8 18. Sg5 a6 19. Tac1 Jetzt liegt T1c7 und/oder Db3-b4-d6 in der Luft. Schwarz ist hilflos.)
16. Sb5!

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16… Kd8

(16… cxb5 17. Tc8+ Ld8 (17… Kd7 18. Dc3 Ld8 19. Tc1 und die Drohung Txd8+ ist tödlich.) 18. Dc3 De4 19. Dc7 Dd5 20. Sg5 Dd7 21. Txd8+ und aus.)

(16… Kd7 verhindert zwar die kleine Kombination 17.Sxa7, aber mit dem König auf d7 darf Schwarz in der Folge nie auf b5 schlagen. Weiß kann in Ruhe verstärken und gewinnt.)

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17. Sxa7! Txa7 18. Dxb6+ Tc7 19. Dxb8+ Kd7 20. Tab1 Ld8 21. Da8 und Schwarz gab auf.

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