Vier Züge sind gespielt, Weiß steht riesig, fast schon auf Gewinn. Bevor wir anschauen, wie Weiß dem Schwarzen am besten an die Gurgel geht, sollten wir erst einmal klären, was bei Schwarz schief gelaufen ist. Also unternehmen wir einen kleinen Ausflug in sizilianische Gefilde.
Dir ist noch nicht klar, von welcher der drei Stellungen wir sprechen? Von dieser natürlich:
Antwort 40
Martin Büchsel – Solange Sarafian, Dezember 2017
Mit 4.d4-d5! hätte Weiß einen Keil ins schwarze Lager treiben sollen. Der angegriffene Sc6 findet kein gutes Feld, und der d5-Bauer wird oft bis d6 weitermarschieren und Schwarz auf absehbare Zeit daran hindern, seine Figuren zu entwickeln. Weiß beherrscht zwei Drittel des Brettes, kann sich seelenruhig entfalten, während Schwarz weder den Lc8 noch den Lf8 ins Spiel bringen kann noch rochieren. Weiß steht riesig.
Ok, und was ist bei Schwarz schief gelaufen? Hätte er nicht einen substanziellen Fehler begangen, dann hätte sich ja nach nur drei Zügen keine Chance für Weiß ergeben können, schon deutlich besser zu stehen.
Schauen wir uns also die Stellung nach 1.e2-e4 c7-c5 2.Sg1-f3 e7-e6 (oder 2…d7-d6 oder 2…Nb8-c6) 3.d2-d4 an:
Sobald Weiß d2-d4 spielt, handelt es sich um einen “offenen Sizilianer”.
Um 4.d4-d5 zu vermeiden, MUSS Schwarz auf d4 tauschen. Weiß schlägt zurück, dann steht es so:
Mit dem Abtausch auf d4 hat sich Schwarz eine Bauernmehrheit im Zentrum geschaffen, ein kleines strukturelles Plus. Außerdem hat er sich die c-Linie geöffnet. Auf dieser Linie wird er sein Spiel organisieren (zumal, wenn Weiß lang rochiert) und mittelfristig versuchen, …d5 durchzusetzen und seine Zentrumsmehrheit zu betonen.
Weiß hat derweil freieres Spiel und ein wenig Raumvorteil. Oft kann er einen Angriff auf den schwarzen König inszenieren, gelegentlich auch den rückständigen d-Bauern des Schwarzen als Schwäche festnageln und belagern. Aber gelingt es dem Weißen nicht, den Schwarzen unter Druck zu setzen, dann arbeitet dessen Zentrumsmajorität für ihn, je mehr das Spiel verflacht.
Die vier Gebote der Eröffnung, da sind sie wieder
Martins Gegner schien mit diesen Sizilianisch-Grundlagen nicht vertraut zu sein, vielleicht war es auch ein Schwächeanfall anderer Art, so oder so, er hat den Abtausch auf d4 verpasst, und Martin hätte ihn dafür mit 4.d4-d5 bestrafen sollen, anstatt mit 4.Lf1-e2 seinen Läufer auf das passivstmögliche Feld zu entwickeln.
Und da sind sie wieder, die vier Gebote der Eröffnung. Ja, die Figuren zu entwickeln (möglichst aktiv), das steht zu Beginn der Partie oben auf unserer Agenda. Aber zwischendurch müssen wir eben immer auch schauen, was der Gegner macht, und ihm dazwischenfunken, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt.
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