Es ist schon ein Abenteuer, mit über 45 Jahren, ohne damit aufgewachsen zu sein, autodidaktisch die Welt des Schachs entdecken zu wollen. Zu meinen tapsigen ersten Gehversuchen auf unbekanntem Terrain habe ich mich ja schon ausgelassen. Seit dem letzten, selbstverständlich bierernst gemeinten Bericht ist inzwischen knapp ein Jahr vergangen. Zeit, mal einen Blick zu riskieren, wie es in der Zwischenzeit gelaufen ist.
Dass es überhaupt dazu gekommen ist, rührt von einem Kreisliga-Spieltag im Winter 2021/22 her, als ich Chauffeur der Kids war, während sie coronabedingt bei den Erwachsenen aushalfen und ich auswärts vier Stunden Wartezeit zu überbrücken hatte. Der SKK spielte an dem Tag mit einem Brett zu wenig, während ich dumm herumstand. Da gehen einem natürlich irgendwann Fantasien durch den Kopf: „Wenn ich jetzt auf der Spielerliste stehen würde, dann…“ Na ja – kaputtmachen kann ich ja nichts, da ein leeres Brett so oder so verloren ist.
Ich ließ mich also nachmelden, damals nur in der fünften, für die zurückliegende Saison in den Mannschaften III, IV und V; überall dort, wo meine Kids auch gemeldet waren und die „Gefahr“ bestand, dass wir hinkommen und plötzlich feststellen, dass ein Kelheimer zu wenig da ist. Ein paar Liga-Einsätze zu besagten Gelegenheiten, sowie das ein oder andere Open, die Vereinsmeisterschaft und die OSEM sind seitdem zusammengekommen.
Gewisse Ansätze, die das Ganze nach Schach aussehen lassen, sind ja durchaus vorhanden. In der Regel komme ich mit meinem abseitigen Eröffnungskram gut in die Partie, weil es die überraschten Gegner aus ihrer Komfortzone wirft, wo sie sich blind auskennen. Aber die, nennen wir es mal Tendenz, danach per Total-Blackout selbst komplett gewonnene Partien noch wegzuwerfen, zieht sich wie ein roter Faden durch meine bisherige Schach-„Karriere“. Nur die Auslöser variieren. Ein paar Kostproben gefällig? Bitte:
Diese Partie ist im Grunde vorbei, der gegnerische König schon auf der letzten Reihe gefangen, ich muss den Sack nur noch zu machen. Nun ist es in einem Turmendspiel natürlich hilfreich, noch einen Turm zu haben. Deshalb darf man die angegriffene Schwerfigur auf h7 in dieser Situation gerne wegziehen, da spräche nichts dagegen; auf d7 zum Beispiel. Oder man macht’s wie ich, gruschelt gedanklich schon am übernächsten Zug herum (h-Bauer ran holen) und lässt den Turm einfach stehen. Kann man machen, wenn man es nochmal spannend machen will, muss man aber nicht.
Oder das hier:
Ich kam trotz Schwarz mit ordentlich Schwung aus der Eröffnung und war zufrieden bis dahin, alles so aufgegangen wie erhofft und der Gegner hatte eigentlich nichts. Die Überlegung an dieser Stelle war, ob ich das Inferno (e4, Bauer nimmt, Dame nimmt gegen mit Abzug “Turm auf gegnerische Dame”, Abtauschgemetzel) sofort lostrete oder erst noch den Läufer auf c5 entwickle. Ich entschied mich für “Inferno”, damit er mir nicht noch irgendwie davonkommt.
Also erst alles ‘rausnehmen, dann die aufgeschobene Läufer-Entwicklung nachholen. Nur sollte man vielleicht nochmal ‘ne Zehntelsekunde investieren, ob das vormals dafür auserkorene Feld c5 dann immer noch ok ist. Oder man zieht einfach so da hin, weil man derart zufrieden ist mit sich und der Welt und setzt diese Partie in den Sand.
Ganz gefährlich auch, wenn Papa Schlumpf einen Plan verfolgt. So wie hier:
Nach einer tatsächlich vorab geplanten Abtauschsequenz von acht Halbzügen, die das Ziel hatte einen Bauern zu gewinnen, komme ich super raus, bis zu dieser Stellung:
Ich hatte unbeachtet gelassen, dass der Gegner seine zwischendurch angegriffene Dame nicht einfach nur weggezogen, sondern bis auf a5 runtergefahren hat, weswegen – anders als in meinem Plan – nun der Läufer auf e5 hängt. Aber was macht der Papa? Nimmt selbstverständlich – ohne nochmal eine Sekunde drüber nachzudenken – alles nach Plan natürlich – den Bauern auf c4. Ist ja nur ‘ne Leichtfigur, die dabei draufgeht, wir haben’s doch!
Das sind also die Sachen, mit denen ich mich auf meinem Level herumschlage. Grundsätzlich machen sie schon Spaß, meine kleinen Ausflüge in die Welt des Schachs, aber diese völlig unerklärlichen Patzer, praktisch schon gewonnene Stellungen mit einem Wisch noch zu vernichten, die nerven tatsächlich massiv. Zum Glück geht das nicht die ganze Zeit so, sonst hätte ich die Figuren samt Brett schon längst in die Ecke gefeuert. Manchmal sind auch lichte Momente dabei:
Die VM mit 5 aus 5 war ok, oder erster Tag Forchheim-Open mit 1,5 aus 2, auch mit 3 aus 6 auf einer OSEM könnte man als Anfänger zufrieden sein, wenn man nur das Ergebnis betrachtet, nicht, was alles blödsinniger Weise liegengeblieben ist. An der Wertungszahl kann man es leider nicht ablesen: Ich habe ein goldenes Händchen dafür, immer dann zuzuschlagen, wenn’s keine DWZ gibt. 🙁
Auf der anderen Seite sind dann wieder so Turniere wie der Altmühltalcup, wo ich tatsächlich in jeder einzelnen Partie auf Gewinn stehe, und es fertigbringe, trotzdem nur 1,5 aus 5 daraus mitzunehmen – vom Arber-Open erst gar nicht zu reden. Das ist schon übel – und ein Grund, warum ich mich auch in der kommenden Saison nicht fest in einer der Mannschaften aufstellen lasse. Es ist das eine, seine eigenen Partien so wegzuschmeißen, bei einer Mannschaft hört der Spaß dann aber doch auf. Gelegentlich in Sitzweite zu sein, wenn ein richtiger Schachspieler plötzlich krank wird oder eine Panne hat, kann hingegen ganz nützlich sein, wie gesehen: 😉
Trotzdem freue ich mich auf die nächsten Einzelwettbewerbe. Vielleicht bekomme ich dann ja auch mal andere Schach-Eltern als Gegner, zum Beispiel bei der Vereinsmeisterschaft demnächst. Das wäre doch spaßig, oder nicht? Eltern ans Brett! 😎
Herrlich, danke! Ich hoffe, die Serie wird fortgesetzt.
Meinen Schachkiddys, deren Partien oft eine ähnliche Achterbahnfahrt sind, empfehle ich in Situationen wie oben beschrieben immer folgendes:
«Der beste Zug ist jetzt, die Hände unter den Poppes zu legen und nochmal kurz nachdenken, bevor Ihr eine Figur anfasst.»