DSB-Finanzchef tritt zurück

Axel Viereck, Vizepräsident Finanzen des Deutschen Schachbunds, ist zurückgetreten. „Aufgrund meiner persönlichen Situation und der zeitlichen Überforderung durch drei Funktionen im Schach, meinem Beruf und weiteren privaten Aufgaben“ sei ein Rücktritt unumgänglich, erklärt Viereck gemäß einer DSB-Mitteilung. Steuerberater Viereck, verheiratet, drei Kinder, ist auch Schatzmeister des Landesverbands Sachsen sowie seines Clubs SV Dresden Striesen.

Nicht mehr DSB-Finanzchef, nicht mehr Stellvertreter der Präsidentin: Axel Viereck. | Foto via DSB

Mit dem Rücktritt Vierecks setzt sich die im September 2017 mit dem Rücktritt von Ralf Chadt-Rausch aufgekommene Tendenz fort, dass DSB-Finanzchefs dieses Amt nicht lange bekleiden. Seit 2017 war Viereck der sechste Vizepräsident Finanzen, dazu zwei DSB-Präsidenten, die als Finanzchef einsprangen, nachdem ihnen der bzw. die Zuständige abhandengekommen war.

Als nach knapp sechs Wochen DSB-Finanzchefin Gulsana Barpiyeva hinschmiss. Aus, wie es bei solchen Anlässen oft heißt, damit niemand nachfragt, “persönlichen Gründen.”

DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach hat angekündigt, das vakante Amt gemeinsam mit Geschäftsführerin Anja Gering auszufüllen. Der Hauptausschuss am 26. Oktober in Rosenheim soll einen neuen Vizepräsident Finanzen wählen, der das Amt bis zum nächsten Kongress kommissarisch besetzt. Vakant ist und bleibt die Funktion des Stellvertretenden Präsidenten, zu dem der Kongress im Mai 2023 Viereck gewählt hat.

Werbung

“Persönliche Gründe”, “persönliche Situation”: sich für ein Amt wählen zu lassen und dann festzustellen, es geht nicht, das ist nicht neu im DSB-Rücktritt-Kontext. Aber dem Vernehmen nach ist Vierecks Rücktritt anders gelagert als die Abschiede der jüngeren Vergangenheit. Diesmal scheint es nicht mit internen Abgründen zusammenzuhängen (die es in den ersten Monaten des neuen Präsidiums durchaus gab). Auch für ein neues Finanzloch gibt es keine Indizien. Allem Anschein nach hat Viereck seinen Job erledigt, bis er am vergangenen Wochenende Ingrid Lauterbach anrief, um ihr mitzuteilen, es gehe nicht mehr.

Allzu präsent nach außen war Axel Viereck während seiner Amtszeit nie. Auch zu Finanzthemen hat sich öffentlich meistens Lauterbach geäußert. Offenbar hat die Zusammenarbeit in der Sache funktioniert, aber dass die beiden ein Team sind, wie es die gemeinsame Kandidatur suggerierte, schien nach der Wahl kaum durch. Nach einer zerfahrenen, nicht teamreifen Präsentation der DSB-Finanzen beim Kongress 2024 hörten Viereck/Lauterbach intern erstmals vernehmbare Kritik. Sie gelobten Besserung. Gleichwohl kommt Vierecks Rücktritt zu einem Zeitpunkt, an dem die Talsohle fast durchschritten ist, an dem Licht am Horizont erscheint – und der Termin, sich regulär nicht wieder zur Wahl zu stellen.

Ingrid Lauterbach und Kevin Högy in Budapest im DSB-Gespräch.

Auch die aktuellste Wasserstandsmeldung zu den DSB-Finanzen stammt nicht vom Finanzchef. Wie eine Entwarnung klang es noch nicht, aber immerhin erklärte Ingrid Lauterbach während der Schacholympiade, sie sei optimistisch, “dass wir besser dastehen als noch vor ein paar Monaten gedacht”. Auch eine solche Äußerung ist anders gelagert als noch vor nicht allzu langer Vergangenheit. Es besteht wieder Anlass zu glauben, was die DSB-Spitze von sich gibt.

Ob Viereck der Arbeitsaufwand überwältigt hat? Worauf er sich einlässt, wusste der angehende DSB-Vizepräsident Finanzen, als er sich im Mai 2023 zur Wahl stellte: rund eine halbe Million Euro weniger in der Kasse als angenommen, dazu ein aus dem Ruder gelaufenes IT-Projekt für Mitglieder- und DWZ-Verwaltung, das ursprünglich 100.000 Euro kosten sollte und nun im mittleren Sechsstelligen aufschlagen wird. Was es genau kostet, steht etwa vier Jahre nach Beginn des Projekts nicht fest. Ein dreiteiliger Antrag zur Mitgliederverwaltung an den Hauptausschuss 2024 legt nahe, dass weitere Zusatzleistungen eingekauft werden müssen, bis alles so läuft, wie es wünschenswert wäre.

Ausgeufert war das IT-Projekt längst, zu stoppen/retten war es kaum noch, da geriet weiterer Sand ins Getriebe: Das Präsidium wollte die Verträge nicht unterschreiben.

Für all das kann Viereck nichts. Er hat diese Gemengelage im Mai 2023 von einem DSB-Kongress und einem DSB-Präsidium geerbt, deren herausragende Leistung fürs deutsche Schach von 2017 bis 2022 darin besteht, Unheil anzurichten oder geschehen zu lassen. Nun musste Viereck als neuer Mann an der Kasse die Notbremse ziehen, um die Existenz des Ladens zu retten.

Nach der Grundsatzentscheidung, die kostenintensive Personalstruktur nicht zu verschlanken, fehlten dem Lauterbach-Viereck-Präsidium große einzelne Posten mit Sparpotenzial. Damit der DSB nicht in die roten Zahlen läuft, strich es kleinteilig quer durch den Haushalt Ausgaben. Mehr oder weniger alles wurde aufs Minimum eingedampft. Das Kürzungs-Klein-Klein reichte von den Spesen für einen DSAM-Stand-Betreuer bis zu Funktionärssitzungen, die ab sofort nur noch online erlaubt waren.

Am ärgsten betroffen waren diejenigen, die am besten Schach spielen, diejenigen, für die es den Spitzenverband unseres Sports namens DSB gibt. Die Kürzungen im Leistungssport sind der schmerzhafteste Aspekt der Hinterlassenschaften vergangener DSB-Präsidien und -Kongresse. Es macht die Sache nicht besser, dass die Kürzungen geräuscharm vonstatten gingen, weil sie Leute treffen, die nicht dazu neigen, das Wort in eigener Sache zu erheben.

Tolle Nationalmannschaften, tolle Talente, aber leider kein Geld mehr, die Lage im Juni 2023, die 15 Monate später eher schlechter ist – aber mit einem Silbestreif am Horizont.

Das verhält sich mit den “Senioren” ganz anders. Dort rumort es im Angesicht von Kürzungen am lautesten, ohne dass das Rumoren einen Effekt hätte. Dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem DSB sich eher einstellen wird, wenn sie sich von Dirk Jordan lossagen, ist bei der Führungsriege im Seniorenreferat noch nicht eingesickert. Das Rufen nach Zuschüssen würde glaubwürdiger, wenn diejenigen, die nach Geld rufen, sich nicht jemanden zurückwünschen, der seiner Kundschaft über Jahre tiefer in die Tasche gegriffen hat, als anständig, geschweige denn verabredet gewesen wäre. Offenbar können und wollen die Senioren sich das Prinzip Jordan leisten.

Nominell besteht für das Seniorenreferat durchaus Anlass zur Klage. Von einst 26.000 auf 600 Euro bzw. knapp über null hat Axel Viereck den Etat zusammengestrichen, ein Indiz, wie eng der Rahmen war, in dem sich der Finanzchef speziell in diesem Jahr bewegte. 2024 markiert die Talsohle der DSB-Finanzkrise. 2025 wird die Zahlung fürs IT-Projekt kleiner ausfallen (voraussichtlich 56.000 Euro statt 200.000), dazu greift die in diesem Jahr beschlossene Beitragserhöhung zum ersten Mal.

Das fast komplette Zusammenstreichen des Seniorenetats ist auch ein Indiz dafür, dass das Präsidium den Sinn dieser Zuschüsse nicht gesehen hat. Hinsichtlich kommender, besserer Jahre könnte die jetzige Zäsur ein Anlass sein, Zweck und Ziel der Seniorenförderung zu hinterfragen. Auf Seiten des DSB geschieht das. “Die Emotionen der Senioren stammen größtenteils aus der Vergangenheit. Es gab Zeiten, in denen hohe Zuschüsse für Turniere gezahlt wurden, aber wir können uns das heute nicht mehr leisten. Wir müssen das Geld effizient einsetzen”, erklärte Lauterbach jetzt auf DSB-YouTube.

Unterstützung für Härtefälle wäre gut. Fokus auf Leistung und Legenden wäre gut.
Die Schacholympia-Silbermedaillengewinner 2000: Zu Senioren-Welt- und -Europameisterschaften könnte Deutschland leicht spannende Teams entsenden. | Foto: Dagobert Kohlmeyer via Berliner Schachverband
Nichts gegen diese Herren, denen der Schachurlaub natürlich gegönnt ist. Aber als “Team Germany I” bei einer Weltmeisterschaft?

Als Ergebnis der Vergangenheit sind die Seniorenturnierzuschüsse ohne spezifischen Fokus auf Leistung leicht erklärbar. Sie sind in einem Verband gewachsen, der zwar für den Spitzensport zuständig ist, den aber vor allem alte Männer steuern, deren gespaltenes Verhältnis zum Spitzensport auf Bundesebene seit Jahrzehnten Kapriolen schlägt. Aktuell steht in dieser Reihe der seit Jahren andauernde Versuch, die Deutschen Meisterschaften gegen den Widerstand des DSB-Kongresses zu solchen zu machen. Auch die Turnierzuschüsse für Senioren werfen ein Schlaglicht auf die Fehlkonstruktion DSB mit seinen 22 regional geprägten, dem Hobby verpflichteten Mitgliedern, deren Interessen (falls es mal inhaltliche gibt) denen des DSB oft zuwiderlaufen.

Die Senioren stehen vor der Wahl, in einen konstruktiven Dialog einzutreten, wie sich DSB-Geld für ihre Abteilung “effizient einsetzen” lässt. Anstatt sich nach dem immer gleichen Muster zu beschweren, sollten Wolfgang Block und Gerhard Meiwald den Wert ihrer Schäfchen deutlich machen: Der unter “DSB-Senioren” firmierende Tross solventer Hobbyspieler:innen, oft mit Ehepartner:in auf Reisen, könnte allein der Übernachtungen wegen ein Pfund für den Turnierveranstalter DSB sein.

Es müsste im deutschen Schach nur “gens una sumus” gelten. 2025 wird das noch nicht der Fall sein. Während der Schachgipfel als zentrales Schachfest für alle erneut ausfällt, haben sich die Senioren früh darauf festgelegt, im kommenden Jahr wieder ihr eigenes Ding zu machen. Axel Viereck wird froh sein, sich mit der Reintegration der bockigen 30.000 nicht länger beschäftigen zu müssen.

3.5 6 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

11 Comments
Most Voted
Newest Oldest
Inline Feedbacks
View all comments
Ingo Althöfer
Ingo Althöfer
4 Stunden zuvor

Eigentlich ein informativer Artikel. Aber im letzten Satz finde ich den Ausdruck von der “Reintegration der bockigen 30.000” nicht passend, schon alleine deswegen, weil nicht alle 30.000 Schachsenioren alle Dinge gleich sehen.

Ralf Schreiber
Ralf Schreiber
4 Stunden zuvor

Welches Gremium hat eigentlich festgelegt, das man ab 50 Jahren als Senior gilt?

Klaus Zachmann
Klaus Zachmann
32 Minuten zuvor

Die Sache ist recht einfach, der Haushaltsplan wird vom Bundeskongress beschlossen und daran muss sich das DSB-Präsidium halten.

Thorsten Cmiel
Thorsten Cmiel
4 Stunden zuvor

Das eigentliche Problem kommt nicht vor: Geld könnte man in Zeiten leerer Kassen durch Kreativität und Ideen zu kompensieren versuchen und viele recht kostengünstige Initiativen auf den Weg bringen. Beispiele: Ideendatenbank, Erfahrungen bei Meisterschaften als Know how und Best Practice sammeln und auswerten. Beispielsweise Schach fördern außerhalb des Vereins, indem man Ideen für Veranstaltungen und Angebote (Schach im Pub, Schach im Park etc.) verfügbar macht und planerische Unterstützung und Vernetzung von Interessenten systematisch anbietet und darüber redet. Dafür braucht es kaum Etat, sondern die erwähnte und fehlende Kreativität. Solche Initiativen sollte m. E. der Vizepräsident Verbandsentwicklung ergreifen und konzipieren. Stattdessen… Weiterlesen »