Kiel vor dem Rückzug, Bundesliga mit einer Mannschaft weniger

Der SK Doppelbauer Turm Kiel will sich aus der Bundesliga zurückziehen. Das haben die Verantwortlichen des Vereins gut drei Wochen vor Saisonbeginn dem Bundesligavorstand mitgeteilt. Eine offizielle, verbindliche Erklärung des Vereins zum beabsichtigten Rückzug gibt es noch nicht. Sollte es dazu kommen, wird die Bundesliga mit 15 Mannschaften spielen – und der Kieler Club wahrscheinlich bestraft.

In dieser Konstellation werden diese Teamchefs einander in der kommenden Bundesligasaison nicht begegnen: Wolfgang Pajeken (Kiel, 2.v.l.) mit (v.l.) Stefan Martin (Viernheim), Reinhard Ahrens (Hamburger SK) und Oliver Kniest (Solingen). | Foto: Stefan Spiegel/SC Viernheim

Nach einem Bericht von ChessBase fehlt der 2017 ins Oberhaus aufgestiegenen Bundesligamannschaft der Rückhalt im Verein. Demnach waren nicht die Finanzen das Problem, sondern die Bereitschaft, sich an Organisatorischem rund um die Bundesligamannschaft zu beteiligen. Teamchef Wolfgang Pajeken gegenüber ChessBase:

“Wir haben diese Entwicklung in gewisser Weise kommen sehen und hätten uns gerne mit der Bundesliga-Mannschaft nach der kommenden Saison auf sportlich ordentliche Weise verabschiedet, indem wir danach vielleicht weniger Großmeister und mehr Jugendliche eingesetzt hätten. Es gab jetzt noch einmal ein Treffen der Organisatoren und des Sponsors mit dem Vereinsvorstand, in dem über die Situation und über die Unterstützung aus dem Verein gesprochen wurde. Hier ist der Eindruck entstanden, dass der Verein den Aufwand für die Teilnahme einer Mannschaft in der Bundesliga eigentlich nicht leisten möchte.”

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Schon am ersten Doppelspieltag 5./6. Oktober war der Kieler Fusionsverein als Gastgeber vorgesehen. außerdem am dritten, 11./12. Januar. Gäste, die die Reise nach und Übernachtung in Kiel schon geplant und gebucht hatten, müssen jetzt stornieren. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass der Hamburger SK zusätzlich zu seinen regulären Heimspielen diejenigen übernimmt, die in Kiel angesetzt waren. “Das ist aber noch unklar”, sagt ein von dieser Seite befragter Vereinsfunktionär.

Bundesliga-Chef Markus Schäfer hat die Vereine im Lauf des Freitags über die Entwicklung informiert. Der Vorstand werde sich jetzt mit Auswirkungen auf den Spielplan befassen. Sobald der Rückzug nach Meldeschluss offiziell ist, sieht die Satzung des Schachbundesliga e.V. dafür eine Strafe vor. Ein Verfall der Kaution ist denkbar, auch eine Geldstrafe von bis zu 15.000 Euro.

Mit der Kieler Mannschaft verliert die Liga eines der Teams, deren Macher Wolfgang Pajeken bemüht war, sich vom Retortencharakter anderer abzusetzen. Unter einer Reihe starker Großmeister, ohne die sich die Liga nicht halten lässt, war stets die wahrscheinlich jüngste Mannschaft der Liga versammelt. Zu einigen der größten norddeutschen Talente kamen stets eine Reihe außergewöhnlicher Jugendspieler aus dem Ausland, die dänische Nummer eins Jonas Buhl Bjerre etwa (jetzt nach St. Pauli gewechselt). Auch Hans Niemann hat eine Saison in Kiel gespielt.

Wie sich Jakob Leon Pajeken aus dem Kieler Bundesligakader in Riga eine GM-Norm sicherte.

Zuletzt sorgte Lokalmatador und Teamchef-Sohn Jakob Leon Pajeken mit einer GM-Norm für Aufsehen. Marius Fromm; Magnus Ermitsch und einige weitere Hochbegabte sind Teil des Kieler Kaders. Sie werden wahrscheinlich in der kommenden Serie das Gerüst der zweiten Kieler Mannschaft in der zweiten Bundesliga Nord bilden.

Der Zähler der Rückzüge aus der eingleisigen Schachbundesliga seit ihrer Erweiterung in eine gesamtdeutsche Liga 1992 steht mittlerweile bei deutlich über 30 – nicht mitgezählt die Aufstiegsverzichte von Zweitligameistern (zuletzt München 1836). Im Schnitt zieht sich pro Saison etwa eine Mannschaft aus dem Oberhaus zurück, zuletzt der SC Ötigheim. Der Grund besteht meist darin, dass die Vereine den Aufwand nicht schultern können. Alleine durch Reisen und Spesen kostet eine Bundesligasaison einen kleinen bis mittleren fünfstelligen Betrag pro Jahr, dazu Honorare für Profis.

Mit vergleichsweise überschaubaren Mitteln hatten sich die Ötigheimer bis nach ganz oben durchgekämpft. Dort spielten sie zwar die Saison zu Ende, stellten aber fest, dass sie sich eine zweite nicht leisten können.

Nachtrag, 7. September: Der SK Doppelbauer Turm Kiel hat jetzt eine Entschuldigung beim Rest der Liga und eine Erklärung veröffentlicht.

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Peter
Peter
1 Monat zuvor

Vermutlich kann man auf Bezirksmeisterschaften mehr Zuschauer begrüßen,als in der Bundesliga.

joschi
joschi
1 Monat zuvor

Stell Dir vor es ist Bundesliga und keiner spielt mit …

Eine Kritik muss sich die Bundesliga schon gefallen lassen: Wie reagiert sie auf die ständigen Rückzüge und das “Nicht-aufsteigen-Wollen”?
Scheinbar gar nicht. Wenn es in Deutschland nicht das Potential für 16 Profimannschaften gibt, muss man vielleicht die Liga etwa auf 12 reduzieren! – Luxemburg hat auch keine erste Fußballliga mit 20 Teams…
Peinlich ist das Aufgeilen am Begriff der weltweit stärksten Liga, die sich dann bei Lichte besehen als Potemkinsches Dorf entpuppt.

Kommentator
Kommentator
1 Monat zuvor

Eine kleine Korrektur: Die eingleisige Bundesliga wurde nicht 1992, sondern bereits 1980 gegründet (die Rückzüge haben allerdings in der Tat erst nach der Wiedervereinigung überhand genommen; vorher gab es einen einzigen Rückzug mit Königsspringer Frankfurt in der Saison 1983/84).

Walter Rädler
Walter Rädler
1 Monat zuvor

Im Schachfeld hat der Schachfreund Flachspieler die Rückzüge seit 1990 aufgelistet, sie ist richtig lang. 91-92 FTG Frankfurt 8 92-93 Sindelfingen 7 94-95 BayernM 1, also als Meister; Stadthagen 97-98 St. Ingbert 6 98-99 Bochum31 7 99-00 Delmenhorst 3, Passau 5, Dresden 13 00-01 Magdeburg 01-02 Castrop-Rauxel 10 02-03 Emsdetten 12 03-04 Bremer SG 6, St. Ingbert 12, Plauen 14, Lübeck 07-08 Bindlach 4, 08-09 Tegernsee 3, Kreuzberg 7, Dresden 12-13 Wiesbaden 10 13-14 Wattenscheid 10 14-15 Eppingen 9, Katernberg 14 15-16 Emsdetten 9, Dortmund 12, Erfurt 13 16-17 Trier 8 17-18 Schwäbisch Hall 8 18-19 DJK Aachen 19-21 Hockenheim… Weiterlesen »

Thomas Richter
Thomas Richter
1 Monat zuvor

Zu “sich vom Retortencharakter anderer absetzen” und “wahrscheinlich jüngste Mannschaft der Liga” (sie legen sich selbst fest: wir haben/hatten den Rekord des jüngsten Bundesligateams): Das kann man durchaus etwas relativieren, eventuell gar den Jugendteil der Truppe als quasi-Retortentruppe bezeichnen. Um mal in Norddeutschland zu bleiben: Werder Bremen hat dem Anschein nach ein ähnliches Konzept: vorne erfahrene GMs, dann der immer noch junge Lucas van Foreest, an den Reservebrettern (aber recht viele Einsätze) mit Nikolas Wachinger, Spartak Grigorian, Jari Reuker und Collin Colbouw junge deutsche Spieler – z.T. nicht mehr ganz jung aber man kann ihnen ja nicht mit Anfang/Mitte 20… Weiterlesen »

Walter Rädler
Walter Rädler
1 Monat zuvor

Sorry, du hast die beste Liga der Welt, Baden-Baden, Düsseldorf, Viernheim.., und dann so etwas, das ist einfach peinlich und darf nicht passieren. Hier müssen Regularien geschaffen werden, um das zu verhindern. Kritik geht natürlich an die Schachbundesliga e.V., vielleicht sollte das alles wieder zurück zum DSB gehen.