Eine Opferkaskade und täglich Tennis: Großmeisternorm für Collin Colbow

Die Normen für den IM-Titel hat Collin Colbow aus Bremen längst unter Dach und Fach, die Titelverleihung ist Formsache. Jetzt hat der 19-Jährige beim elften Schachfestival in Budweis eine GM-Norm erzielt, ein erster Schritt auf dem Weg zum nächsten Ziel. Das wolle er „möglichst schnell erreichen“, sich aber auch keinen Druck machen, teilt Colbow auf Anfrage mit.

Collin Colbow mit den in Budweis gewonnenen Trophäen. Nicht im Bild: die 24,5 Elo, die er außerdem gewonnen hat. | via Werder Bremen

Ein Geheimnis des jüngsten Erfolgs: körperliche Fitness. Neben Schach spielt Colbow Tennis, und das auch während Wettbewerben am Brett möglichst regelmäßig. In Budweis war sein Bundesliga-Mitspieler und Tennisfreund Jari Reuker von Werder Bremen im GM-B-Turnier mit von der Partie. Jeden Tag schlugen die beiden Bälle übers Netz. „Wir hatten beide das Gefühl, dass wir uns durch die Bewegung während des Turniers in Budweis am Schachbrett besser konzentrieren konnten“, sagt Colbow. Auch IM Reuker spielte mit 5,5/9 (Performance 2461) ein ordentliches Turnier, wenngleich nicht in Reichweite einer GM-Norm.

Ob U14-Vizeweltmeister Magnus Ermitsch in Budweis Tennis gespielt hat, ist nicht bekannt. Sicher ist, er erzielte im selben Turnier 5/9 (Performance 2424), ein gutes Resultat, nicht weit von einer IM-Norm entfernt. Beide, Reuker und Ermitsch, bringen jeweils gut neun Elopunkte mit nach Deutschland. (chess-results)

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Eine Achillesferse seines Schachs scheint DSB-C-Kader Colbow repariert zu haben: Nervosität in bessere Stellungen, die Bürde des Drucks, den Vorteil nach Hause zu bringen, führte Colbow vor zwei Jahren gegenüber dem Werder-Magazin als problematisch an. Im neunrundigen GM-A-Turnier in Budweis war von solchen Problemen wenig zu sehen, im Gegenteil.

Opferkaskade nebst Mattfinale: der Schwarzsieg über GM Stefansson, mit dem sich Collin Colbow wieder auf Normkurs brachte. Anders als im Videotitel suggeriert, wird Collin Colbow den IM-Titel höchstwahrscheinlich nicht überspringen. Dafür müsste er GM werden, bevor ihm im September der FIDE-Kongress in Budapest den IM-Titel verleiht.

Nach einem Raketenstart mit 4/4 erlitt Colbow in der siebten Runde eine Niederlage, und die angepeilte GM-Norm wackelte. Wie sich der Deutsche A-Jugend-Meister 2023 in der achten Runde wieder auf Kurs brachte, ist außergewöhnlich, ein Zeugnis von Mut, Stabilität und Rechenkraft. Von wegen Druck und Nervosität. Der Schwarzsieg gegen GM Hannes Stefansson, vielfacher Landesmeister und Nationalspieler Islands, war das Resultat einer sehenswerten Opferkaskade. Drei Figuren opferte der Bremer, und zum Mattfinale pfefferte er noch eine Qualität in die gegnerische Königsstellung.  

Aus dem Colbow-Porträt im Werder-Magazin: Wie Klein-Collin den großen Magnus nicht entkommen ließ.

Collin Colbow, aufgewachsen im Stadtteil Blumenthal, hat als Sechsjähriger von seinem Vater Schach gelernt. Übers Schulschach führte ihn sein Weg in den Schachklub Bremen-Nord. Je besser er wurde, desto mehr bestimmte das Schachprogramm des hochbegabten Sohns die Urlaubspläne der Familie Colbow. Das galt insbesondere 2015, als der DSB ihn für die Jugendweltmeisterschaft nachnominierte.

Damit stand fest, wo Colbows diesen Urlaub verbringen: auf der Halbinsel Chalkidiki in der Ägäis. Martina Colbow war damit im Nachhinein sehr einverstanden. „Auch mal schön, sich im Fünf-Sterne-Hotel verwöhnen zu lassen“, freute sie sich gemäß Werder-Magazin.

Collin Colbow, SV Werder Bremen, beim Bundesliga-Meisterturnier 2020 gegen Ilja Zaragatski vom SC Viernheim. | Foto: Christian Bossert/Schachzentrum Baden-Baden

2018 folgte der Wechsel zum Bundesligisten Werder Bremen, wo Colbow 2020 erstmals als Teil der Bundesligamannschaft am Brett saß. Nach seinem Abitur hat sich Colbow entschieden, beim SV Werder ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Jetzt ist er nicht mehr nur Spieler, auch Trainer in seinem Club, in dem er Kinder und Jugendliche betreut. Im Gespräch mit DSB-Mitarbeiterin Katharina Reinecke sagte Colbow, das Werder-Jahr sei für ihn eine Möglichkeit, dem Club, der ihn gefördert hat, etwas zurückzugeben.

Collin Colbow auf dem DSB-Kanal.
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CoachJaxx
CoachJaxx
1 Monat zuvor

…, als der DSB ihn für die Jugendweltmeisterschaft nachnominierte.

Das klingt so ein wenig nach Krankheitsfall oder als ob die Nominierung erst nach dem Verstreichen der Meldefrist erfolgte. In den jüngeren Altersklassen ist die Qualifikation über sog. Performance-Normen bei der DJEM nachgelagerten Turnieren bis hin zur offiziellen Meldefrist aber gang und gäbe. Ansonsten wären die EM/WM-Delegationen ein wenig kleiner. 2015 hat sich Collin auch recht “normal” über eben diesen Weg zur U10-WM qualifiziert.