Zwar bereitet sich Weltmeister Ding Liren schon auf das WM-Match gegen Gukesh vor, aber wo genau in Singapur gespielt wird, weiß er noch nicht. Bislang sei nur die Stadt bestätigt. Den Vertrag für das Match habe er noch nicht unterschrieben, erklärte der Chinese jetzt in einem Gespräch mit ChessBase-India-Chef Sagar Shah.
Ein großer Teil der WM-Vorbereitung des Titelverteidigers wird praktischer Natur sein. Um sich in Form zu spielen, wird Ding Liren nach der Rapid- und Blitz-Team-WM in den kommenden Tagen die Schacholympiade und den Sinquefield Cup spielen. „Ich will die wichtigsten Turniere nicht verpassen.“
Auch die Vorbereitung mit seinem Sekundanten (dessen Identität Ding nicht enthüllte) beschrieb der Weltmeister als eine eher praktische. Der WM-Helfer muss ein sehr starker Großmeister sein, denn die beiden spielen Trainingspartien. Daraus sollen Ideen erwachsen, die Ding Liren weiter erforschen und im WM-Match gegen Gukesh anwenden will, ganz ähnlich wie vor zwei Jahren gegen Ian Nepomniachtchi.
Im Match gegen den Russen, das zum wildesten WM-Match der jüngeren Geschichte wurde, verließ sich Ding Liren darauf, seinen Gegner am Brett mit einer breiten Auswahl von Eröffnungen und Strukturen zu konfrontieren, weniger auf konkrete, tiefe theoretische Vorbereitung. Im Laufe des Matches kam es zu einem Leak, ein Teil der online gespielten Vorbereitungspartien wurde bekannt, aber das erwies sich in der Match-Praxis als zu verkraftender Rückschlag.
Ganz ähnlich sieht Ding den Ansatz seines WM-Gegners Gukesh. Der Inder vertraue darauf, die von ihm angesteuerten Stellungen sehr gut zu verstehen. Den Gegner „in der Eröffnung zu überrumpeln“ sei nicht Teil des Konzepts des jüngsten WM-Herausforderers jemals.
Dass Gukesh das Kandidatenturnier gewinnt, hatte Ding Liren nicht erwartet. „Die drei Spieler der älteren Generation hatten bessere Chancen zu gewinnen, aber Gukesh hat bewiesen, dass er derjenige mit dem längsten Atem sein kann“, erklärte Ding. Dieser Sieg eines 17-Jährigen zeige den Wandel im Schach und markiere den Beginn einer neuen Ära – den Ding als Vertreter der „älteren“ Generation im Dezember noch zwei Jahre aufschieben möchte.
Chancen dafür sieht er durchaus. Ding ist mit seinen Resultaten gegen seine Altersgenossen weniger zufrieden als mit denen gegen die in der Weltrangliste emporkletternden Junioren. Gukesh habe er zuletzt zweimal besiegt, jeweils in Wijk an Zee 2023 und 2024.
Bei der Rapid- und Blitz-Team-WM in Kasachstan wird Ding Liren Teil eines starken chinesischen Teams sein. Aus seiner chinesischen Heimat ist er zwei Tage eher angereist, um Jetlag zu vermeiden. Ding freut sich darauf, „entspannt spielen zu können“, weil es kein sportlich zentraler Wettbewerb sein. Beim zweitägigen Blitz-Wettbewerb wird Ding seine auf Eis liegende Blitz-Elo reaktivieren. Zuletzt 2019 vor der Pandemie hat Ding gewertete Blitz-Partien gespielt.
Hinsichtlich der bevorstehenden Schacholympiade glaubt Ding an die Stärke des chinesischen Teams, das er in eine Reihe mit Indien und den USA stellte. Den Teamgeist sieht Ding als wichtigsten Faktor, wichtiger als der Eloschnitt der Mannschaft. Dieser Geist habe die Chinesen 2018 zur Goldmedaille getragen.
An jene Phase seiner Galaform mit 100 Partien ohne Niederlage denkt Ding gern zurück. Das erste Brett der Chinesen verteidigte Ding 2018 mit einer 2873-Performance trotz doppelten Handicaps. Eine gebrochene Hüfte erlaubte ihm das Gehen nur an Krücken und unter Schmerzen. Um während der Partien einen Gang zur Toilette zu vermeiden, spielte Ding Liren die Schacholympiade, ohne zu trinken – und blieb unbesiegt.
(Titelfoto: Maria Emelianova/chess.com)