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Kandidatin ohne heißes Thema

Einen Vergleich ansteuern, den Spatz in der Hand nehmen und die Sache schnell vom Tisch bekommen? Oder aufs Ganze gehen – und riskieren, dass sich die Angelegenheit über Jahre hinzieht? Das waren die Optionen im Fall Jordan, beide hatten entschiedene Fürsprecher.

Über diesem Fall drohte die DSB-Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren knapp zu werden. Herausforderer Uwe Pfenning repräsentierte diejenigen, die die Sache schnell vom Tisch bekommen wollten, anstatt jahrelang vor Gericht einem ungewissen Ausgang entgegenzusteuern. Amtsinhaber Ullrich Krause befürchtete, dass er darüber die Wahl verlieren könnte.

Zwei Jahre später ist Krause frei von derlei Befürchtungen. An Erdbeben jordanscher Ausmaße hat es seit seiner ersten Wiederwahl nicht gemangelt, an selbstverschuldeten zumal, allerdings bebte es in Gebieten, die die Delegierten weniger tangieren als die Übernachtungsgeschäfte eines Dresdner Turnierveranstalters.

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"Wir mussten so handeln, sonst hätten wir uns strafbar gemacht": In der Jordan-Affäre tauchte diese Argumentationslinie erstmals auf. Weil das so prima funktioniert hat, wird sie seitdem immer neu dekliniert, zuletzt von Ullrich Krause in der Causa Meier: "Wir durften Uruguay nicht die Wechselgebühr erlassen, sonst ..." Jetzt meldet sich mit Paul Meyer-Dunker zum ersten Mal jemand, der das hanebüchen findet.

Am kommenden Samstag wird der DSB-Kongress Ullrich Krause zum Präsidenten wählen. Alles andere als seine zweite Wiederwahl wäre eine Sensation.

Ein Leben ohne Schach kann sich die Bayerische Meisterin Olga Birkholz nicht vorstellen. Sollte sie am Samstag verlieren, will sie sich aus DSB-Angelegenheiten zurückziehen, sich aber umso mehr im Bayerischen Schachbund engagieren. | Foto: Klaus Steffan

Eine Herausforderin gibt es dieses Mal auch, Olga Birkholz. Nur hat die, anders als Uwe Pfenning vor zwei Jahren, kein Thema, das die Gemüter der Schachverwalter zu erhitzen vermag. Und daran ist die 59-Jährige in erheblichem Maße selbst schuld. Zwei Jahre lang hat die Vizepräsidentin Sport weder gegen die ihr in der DSB-Spitze widerfahrenen Schäbigkeiten aufbegehrt, noch hat sie inhaltliche Kontrapunkte gesetzt. Nicht einmal, als der ihr unterstellte Leistungssport über Monate hinweg demontiert wurde, hat sie angemerkt, dass sie das nicht gut findet.

Zum Entschluss, es besser selbst zu machen, ist Birkholz erst gelangt, nachdem Christian Kuhn seine Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen hatte. Kuhn hatte wiederholt erklärt, er steige im Sinne des Schachs nur deswegen in den Ring, weil sich niemand anderes finde. Wie Kuhn haftet nun Birkholz das Etikett der Notkandidatin an, die nicht vom unbedingten Wunsch getrieben ist, am Steuer des Tankers zu stehen.

Gegenüber Walter Rädlers Newsletter nennt Birkholz diese Anliegen:

  • Nach Corona sind die Werte und Weiterentwicklung des Schachsports neu zu entscheiden.
  • Kompetenzen des Hauptamtes und Ehrenamtes fachgerecht nutzen.
  • Transparenz und Kontrolle der Geschäfte des DSB.
  • Breitensport und Leistungssport unter einem Verantwortlichen Vizepräsidenten/in zusammenlegen. Die Position des Sportdirektors stärken und mit neuen Aufgaben ausschreiben lassen.
  • Strukturen und Konzepte im Leistungssport erneuern.
  • Vertretung bei nationalen und internationalen Organisationen, Institutionen und Firmen intensivieren und ausbauen.

Olga Birkholz in der Frankenpost.

Einen inhaltlichen Kontrapunkt setzt Birkholz jetzt im Gespräch mit der Frankenpost, ihren Fokus auf Ausbildung und Ehrenamt: Die Ullrich Krause vorschwebende Professionalisierung laufe ihren Vorstellungen zuwider, sagt Birkholz – und verpasst eine letzte Gelegenheit, die Wattebäuschchen beiseite zu legen und den Fehdehandschuh anzuziehen.

„Erst engagierte, fähige Ehrenamtliche rauszuekeln, um dann nach Profis zu rufen, ist absurd“, hätte sie ausführen können. „Einen Pressesprecher wollen Marcus Fenner und Ullrich Krause einstellen, damit sie selbst nach außen nicht mehr so peinlich sind. Mit der Außendarstellung des Schachs hat das nicht viel zu tun“, hätte sie zum Profi-vs.-Ehrenamt-Thema anmerken können.

Immerhin möchte sie nicht wortlos stehen lassen, wie es ihr ergangen ist, nachdem sie das Amt erstritten hatte, das von Ullrich Krause für Klaus Deventer vorgesehen war. Schlechte Erfahrungen mit Krauses Führungsstil habe sie gemacht, erklärt Birkholz jetzt der Frankenpost. In Entscheidungen sei sie nicht eingebunden worden, beim Fall Schulz und der Entscheidung, dem DSJ-Geschäftsführer zu kündigen, etwa. Oft hätten nur die drei Herren ohne Präsidiumsbeschluss entschieden. Zuletzt sei sie nicht einmal gefragt worden, ob sie weitermachen möchte. Stattdessen wurde ihr Ralph Alt als Kandidat für die Vizepräsidentschaft Sport vor die Nase gesetzt.

Kandidiert als Vizepräsidentin Finanzen: Gulsana Barpiyeva. | Foto: privat

„Wenn ich schon als Präsidiumsmitglied nichts mitentscheiden kann, dann aber sicher als Präsidentin“, sagt Birkholz jetzt. Nur sind aus dem Verwaltungsbuschfunk keinerlei Signale zu vernehmen, die sich in Richtung einer mehrheitsfähigen Unterstützung für die erste Präsidentschaftskandidatin in der Geschichte des Schachbunds deuten ließen.

Spannender erscheint die Wahl für die Vizepräsidentschaft Finanzen, die der glücklose und jetzt anderweitig berufene Hans-Jürgen Weyer aufgibt. Für dieses Amt bringt Olga Birkholz eine Kandidatin mit, die sich ihrer Bewerbung nach als hoch-, wenn nicht überqualifiziert darstellt. Bundesbank-Referatsleiterin Gulsana Barpiyeva könnte die Chance haben, als zweite Frau in der Geschichte des Schachbunds in ein Präsidium einzuziehen.

Eine kurzfristige Kandidatur für die Vizepräsidentschaft Finanzen ist nicht zu erwarten. Jan Werner hätte im Team von Christian Kuhn als Vizepräsident Verbandsentwicklung kandidiert. Nachdem Kuhn zurückgezogen hatte, hat der Vorsitzende des Düsseldorfer SK lange mit sich gerungen, ob er seine Kandidatur aufrechterhält. Die Versuchung sei groß gewesen, sagt Werner.

In der ausklingenden Pandemie sieht der 53-Jährige das organisierte Schach vor einer selten kritischen Phase voller Herausforderungen und Gelegenheiten. „Dieses wäre die Zeit, sich einzubringen, Dinge anzustoßen und zu bewegen.“

Kandidiert nicht: Jan Werner | Foto: privat

Die Chance, eine Wahl gegen den beim Kongress vor einem Jahr angezählten Amtsinhaber Boris Bruhn zu gewinnen, wäre zumindest existent gewesen, womöglich veritabel. Trotzdem entschied sich Werner im Lauf der vergangenen Tage, nicht anzutreten.

„In einem Team mit Christian Kuhn, Georg Meier und Gerald Hertneck hätten wir gemeinsam Konzepte entwickeln und vorantreiben können. Mich in Graben- und Machtkämpfen aufzureiben, das brauche ich nicht.“ Aber die gegebene Konstellation lasse ihn befürchten, dass es auf ebensolche Kämpfe hinausgelaufen wäre.

Werner beschloss, seine Kraft und seine Ideen fürs Schach weiterhin auf den Düsseldorfer SK zu fokussieren: „Auch da stehen wir vor einer Phase voller Herausforderungen und Chancen.“

Sturm im Wasserglas

So wird vermutlich die Wahl des Präsidenten ablaufen. Es sei denn, die vermutlichen Widersacher ballen nicht nur still ihre Fäuste, sondern puschen und unterstützen die Kandidation. Aber wer so wenig konkretes Programm bietet, drängt sich nun wirklich nicht auf, die erste Präsidentin des DSB zu werden.

Hingegen gibt es bei der Gegenkandidatin Finanzen mehrere Fragen an den Verfasser des Artikels: Gibt es überhaupt eine "Überqualifizierung" für irgendein Amt? Reicht andererseits die alleinige, unbestrittene Finanzkompetenz aus, im Präsidium und im zentralen Bereich der Finanzen über Schach - und Sportpolitik zu entscheiden? Für welche Positionen in der deutschen Schachdiskussion steht die Kandidatin? Was kennt sie von den offenkundigen Streitpunkten im DSB und wie sind ihre Positionen? So geht es ja z.B. bei den strittigen Themen "Spezialtraining für einen GM" und "Wechsel der Förderation" und DSJ auch um Geld - um nur einige naheliegende Beispiele zu nennen. Von Hauptamtlichen etwa für die Schwachstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ganz zu schweigen. Welche Finanzpolitik ist von ihr zu erwarten? Es wäre schön gewesen, solche Fragen im Vorfeld des Kongresses zu stellen. Und es gehört sich auch, bei der Personaldiskussion den anderen Kandidaten Finanzen zu benennen, den Berliner C.Schmidt. Ganz gleich, welche Aversionen den Autor reiten mögen.

Schließlich noch die Frage an alle: Hat sich jemand zu dem Online - Kongress als Gast beim DSB anmelden können und entsprechende Zugangsdaten erhalten? Haben die PvB einen Zugang gesucht und erhalten?

Nun bleibt abzuwarten, wie es am Wochenende ausgeht ... Hoher Seegang, den es ja gelegentlich sogar auf dem Bodensee gibt, oder der Sturm im Wasserglas?

Die Krönung wäre wenn Perlen vom Bodensee Herrn Ullrich  Krause  zur Wiederwahl auch noch gratuliert. 

Zitat :"Schließlich noch die Frage an alle: Hat sich jemand zu dem Online - Kongress als Gast beim DSB anmelden können und entsprechende Zugangsdaten erhalten? Haben die PvB einen Zugang gesucht und erhalten?"

Warum Zugangsdaten ? Der einzige Schachexperte ist als Experte und Delegierte live beim Kongress mit der Lizenz zum Zwitschern. 

 

 

 

Zitat von Silvio am 9. Juni 2021, 0:05 Uhr

Hingegen gibt es bei der Gegenkandidatin Finanzen mehrere Fragen an den Verfasser des Artikels: Gibt es überhaupt eine "Überqualifizierung" für irgendein Amt?

Ja

Reicht andererseits die alleinige, unbestrittene Finanzkompetenz aus, im Präsidium und im zentralen Bereich der Finanzen über Schach - und Sportpolitik zu entscheiden?

Finanzkompetenz beim Vizepräsidenten Finanzen wäre erstmal ein guter Neubeginn an dieser Stelle. Sie spielt Oberliga und Frauenbundesliga, insofern kennt sie sich ein wenig mit Schach und Sport aus. Dazu nennt sie in ihrer Kandidatur die zentralen Begriffe "Fair Play" und "Respekt", auch eine Infusion damit kann der DSB-Führung nicht schaden. Als Beobachter wäre ich da erstmal voller Vertrauen. 

Für welche Positionen in der deutschen Schachdiskussion steht die Kandidatin? Was kennt sie von den offenkundigen Streitpunkten im DSB und wie sind ihre Positionen? So geht es ja z.B. bei den strittigen Themen "Spezialtraining für einen GM" und "Wechsel der Förderation" und DSJ auch um Geld - um nur einige naheliegende Beispiele zu nennen. Von Hauptamtlichen etwa für die Schwachstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ganz zu schweigen. Welche Finanzpolitik ist von ihr zu erwarten? Es wäre schön gewesen, solche Fragen im Vorfeld des Kongresses zu stellen.

Ja, das sind schöne Fragen. Vielleicht stellt die ja beim Kongress jemand. Glaube ich allerdings nicht, es war ja gerade jemand in dieses Amt geraten, dem vor der Wahl 2019 unmöglich jemand eine differenzierte Antwort zu Finanzthemen abverlangt haben kann. 

Bisschen anderes Thema, aber es geht bei diesen Wahlen halt nicht um Inhalte und Programme, nur um Nasen und ob die den Delegierten passen. Würden nicht Leute aus dem Verwaltungsturm das Präsidium wählen, sondern Schachspieler, die sich darauf verlassen, dass das passiert, was die Kandidaten vor der Wahl ankündigen, dann wären Inhalte wichtig, dann hätte ich die Kandidaten auch der Reihe nach durchinterviewt. Die erste Frage an Gulsana Barpiyeva wäre keine fachspezifische, sondern die, ob sie überhaupt antritt, wenn ihre Präsidentschaftskandidatin nicht durchgeht. Die beiden verstehen sich ja als Team.

Und es gehört sich auch, bei der Personaldiskussion den anderen Kandidaten Finanzen zu benennen, den Berliner C.Schmidt. Ganz gleich, welche Aversionen den Autor reiten mögen.

Carsten heißt der mit Vornamen, der ist im Lauf der Berichterstattung natürlich benannt worden und Lesern dieser Seite als Kandidat bekannt. Dieser Text sollte die neuesten Lebenszeichen der Präsidentschaftskandidatin abbilden, ihre Wahlchance beleuchten, und dann die beiden Leute vorstellen, die bislang nicht genannt worden waren. Aber du hast Recht, im Barpiyeva-Kontext hätte ich ihren Gegenkandidaten nennen sollen.

Haben die PvB einen Zugang gesucht und erhalten?

Nein, nicht gebeten. Hätte ich darum gebeten und keinen bekommen, du kannst dir vorstellen, was dann hier los wäre 🙂 Ist doch eine öffentliche Veranstaltung. Kann übrigens sein, dass der Kongress auf Schachdeutschland TV gestreamt wird, ich habe da sowas gehört, aber noch nicht nachgefragt, ob das stimmt.

Danke für die prompten Antworten!

Ich kann fast alle Antworten nachvollziehen und möchte hier auch keine weitere Diskussion beginnen.

Aber geschmunzelt habe ich bei der ausführlichen, fundierten ersten Antwort. Ja.

Über Qualifikationen und Über - Qualifizierung ausgerechnet für ein Ehrenamt im Spitzengremium der deutschen Schachorganisation (wie immer "man" zu ihr stehen mag), ja, darüber liesse sich trefflich polemisieren. Wer z.B. war bisher über -qu. (um nicht immer den Finger auf die Wunde unter-qu. zu legen) in der Geschichte der Organisatoren des deutschen Schachs auf Bundesebene - heißa, das könnte auch ein hübscher, alternativer Artikel an langweiligen Tagen sein. Z.B. nur mal der Blick auf die DSB - Präsidenten nach dem Hamburger Kaufmann Dähne ... Oder auf die Inhaber einer beliebigen anderen Funktion - da kann Schach- und Zeitgeschichte anschaulich und lebendig werden.

Aber genug der ketzerischen Gedanken; jetzt könnte ein spannendes Wochenende bevorstehen. Danke nochmals für die Antworten und besonders für den möglichen Streaming-Tipp.

Jetzt können die drei Herren nicht mehr alleine entscheiden, weil jetzt zwei Frauen dabei sind und ein Herr sogar eine doppelte Klatsche erhalten hat, während der andere ohne Gegenkandidat nicht gewählt wurde.

Das kommt davon, wenn man gegen Frauen auch noch schriftlich hetzt.

Gut ist auf jeden Fall, dass die Damen ohne heiße Themen ins Präsidium gewählt wurden.

Die Präsidiumsarbeit sollte künftig ohne heiße Themen auskommen. Themen sollten sachlich und zielorientiert behandelt werden.

Ebenso sollte auch der Umgang untereinander sein. 

Das ist wie im richtigen Leben, kaum sind ein paar Damen dabei, können sich die Herren plötzlich benehmen.

Und dass die Beitragsordnungsanträge abgelehnt werden, war auch zu erwarten.

Von daher alles gut.

Zitat von Peter Kalkowski am 9. Juni 2021, 1:10 Uhr

Die Krönung wäre wenn Perlen vom Bodensee Herrn Ullrich  Krause  zur Wiederwahl auch noch gratuliert. 

Wo ist das Problem?

Hiermit gratuliere ich dem neuen DSB-Präsidium zur Wahl und wünsche den ab/nicht-gewählten Leuten eine gute Zeit.

Ich denke, die beiden Damen werden auf jeden Fall eine Bereicherung sein und eMails mit abschätzigen Inhalten gegenüber anderen Präsidiumsmitgliedern werden künftig unterbleiben. 🙂