Als Boris Spassky mit Blinddarm im Krankenhaus lag, hätte Vlastimil Hort das Kandidaten-Viertelfinale 1977 gegen den Exweltmeister kampflos gewinnen können. Stattdessen, Ehrenmann!, beantragte er, die Fortsetzung zu verschieben. Als dann weitergespielt wurde, stand Hort auf Gewinn - und vergaß, die Uhr zu drücken.
Eine Episode aus einer unsortierten, aber inhaltsreichen Gratulation zum 80. Geburtstag:
Vlastimil Hort bei einer Buchpräsentation beim Schachfestival in Prag 2022
Der frühere Weltklassespieler Vlastimil Hort, der seit 2019 auch Ehrenmitglied des Deutschen Schachbundes ist, wird heute 80 Jahre alt. Wir gratulieren ihm dazu sehr herzlich und wünschen ihm für die Zukunft Gesundheit und noch viel Freude am Schach!
Hort, der 2022 auch Ehrenmitglied des Weltschachverbandes FIDE wurde, gehörte ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zu den besten Schachspielern der Welt. Beim Interzonenturnier 1976 in Manila (Philippinen) qualifizierte er sich für die Kandidatenwettkämpfe, bei denen der Herausforderer von Weltmeister Anatoli Karpow gesucht wurde. Dort traf er auf Exweltmeister Boris Spasski, der nachgerückt war, weil Karpows WM-Vorgänger Robert Fischer nicht antrat. Hort unterlag Spasski nach großem Kampf etwas unglücklich mit 7½:8½.
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Nach dem Interzonenturnier 1985 in Tunis (Tunesien), wo Hort Sechster wurde, kehrte er nicht mehr in seine Heimat ČSSR zurück und bat um Asyl in der BRD. In die Bundesrepublik bestanden schon länger Kontakte. Hier spielte er bereits seit 1979 für die SG Porz. 1986 wurde er westdeutscher Staatsbürger.
Für die Nationalmannschaft der BRD und im wiedervereinigten Deutschland war Hort bei drei Schacholympiaden von 1988 bis 1992 im Einsatz. Insgesamt absolvierte er von 1988 bis 1999 56 Länderkämpfe für deutsche Mannschaften. Im WDR-Fernsehen war Hort bei der Sendung "Schach der Großmeister" ein gern gesehener Kommentator an der Seite von GM Dr. Helmut Pfleger.
Als Boris Spassky mit Blinddarm im Krankenhaus lag, hätte Vlastimil Hort das Kandidaten-Viertelfinale 1977 gegen den Exweltmeister kampflos gewinnen können. Stattdessen, Ehrenmann!, beantragte er, die Fortsetzung zu verschieben. Als dann weitergespielt wurde, stand Hort auf Gewinn - und vergaß, die Uhr zu drücken.
Eine Episode aus einer unsortierten, aber inhaltsreichen Gratulation zum 80. Geburtstag:
Vlastimil Hort bei einer Buchpräsentation beim Schachfestival in Prag 2022
Der frühere Weltklassespieler Vlastimil Hort, der seit 2019 auch Ehrenmitglied des Deutschen Schachbundes ist, wird heute 80 Jahre alt. Wir gratulieren ihm dazu sehr herzlich und wünschen ihm für die Zukunft Gesundheit und noch viel Freude am Schach!
Hort, der 2022 auch Ehrenmitglied des Weltschachverbandes FIDE wurde, gehörte ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zu den besten Schachspielern der Welt. Beim Interzonenturnier 1976 in Manila (Philippinen) qualifizierte er sich für die Kandidatenwettkämpfe, bei denen der Herausforderer von Weltmeister Anatoli Karpow gesucht wurde. Dort traf er auf Exweltmeister Boris Spasski, der nachgerückt war, weil Karpows WM-Vorgänger Robert Fischer nicht antrat. Hort unterlag Spasski nach großem Kampf etwas unglücklich mit 7½:8½.
Nach dem Interzonenturnier 1985 in Tunis (Tunesien), wo Hort Sechster wurde, kehrte er nicht mehr in seine Heimat ČSSR zurück und bat um Asyl in der BRD. In die Bundesrepublik bestanden schon länger Kontakte. Hier spielte er bereits seit 1979 für die SG Porz. 1986 wurde er westdeutscher Staatsbürger.
Für die Nationalmannschaft der BRD und im wiedervereinigten Deutschland war Hort bei drei Schacholympiaden von 1988 bis 1992 im Einsatz. Insgesamt absolvierte er von 1988 bis 1999 56 Länderkämpfe für deutsche Mannschaften. Im WDR-Fernsehen war Hort bei der Sendung "Schach der Großmeister" ein gern gesehener Kommentator an der Seite von GM Dr. Helmut Pfleger.
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre gehörte er zu den besten Schachspielern der Welt: 1977 lag er mit Lew Polugajewski und Exweltmeister Michail Tal auf Platz 6 der Weltrangliste. Nach seiner Übersiedlung 1985 in die Bundesrepublik Deutschland kam er 1988 erstmals in der deutschen Nationalmannschaft zum Einsatz und erzielte bei der Schacholympiade in Saloniki am ersten Brett ein hervorragendes Ergebnis von 8 aus 12. Heute wird Vlastimil Hort 75 Jahre alt und wir gratulieren ihm dazu auf das Herzlichste!
Hort wurde am 12. Januar 1944 in Kladno, einer Industriestadt 25 km nordwestlich von Prag geboren. Zum Schachspiel kam er im Alter von 5 Jahren durch einen Aufenthalt im Krankenhaus, wo er mit Fieber zwei Monate in Quarantäne lag. Ein Arzt, der in den Nachtschichten seine Fernschachpartien analysierte, brachte ihm die Regeln bei und löste damit eine Entwicklung aus, mit der nie zu rechnen war. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus mußte sich Hort's Mutter sofort auf die Suche nach Spielpartnern machen. In der Nachbarschaft fand sie einen etwa 60-jährigen Kaninchenzüchter, der sich bereit erklärte, mit ihrem Sohn Schach zu spielen. Im Gegenzug mußte der kleine Vlastimil aber beim Füttern der Kaninchen helfen. In der ersten Partie mit dem Nachbarn hatte er Schwarz und wurde mattgesetzt. Zuvor hatte sein Gegner auf f6 einen Bauern en passant geschlagen, einen Zug den Vlastimil von dem Arzt nicht gelernt hatte. Weinend berichtete er seiner Mutter später von dem "Betrug".
Vlastimil Hort entwickelte sich in den nächsten Jahren sehr gut. Er wurde nicht nur besser im Schach und lernte viel über die Kaninchenzucht, sondern er war auch sehr interessiert an anderen Sportarten. So spielte er in seiner Heimatstadt als Torwart beim Eishockey und hatte mit dem späteren Nationalspieler František Pospíšil einen prominenten Spieler in seiner Jugendmannschaft. Hort: "Ich habe ihn immer ausgeschimpft, das er zu langsam ist." Ambitionen es im Eishockey zu etwas zu bringen hatte er aber nicht, zumal der Sport sehr anstrengend war. Ganz im Gegensatz dazu Schach, wo er sich ohne Trainer autodidaktisch mit relativ wenig Aufwand, zu einem sehr guten Spieler entwickelte. In Kladno gab es zwei Schachvereine, wo er hervorragende Fortschritte erzielte. Hort zählte damals zu einer goldenen Generation der tschechischen Schachspieler, mit Namen wie Lubomir Kavalek, Michael Janata (U20-Vizeweltmeister 1963), Jindřich Trapl (1942–2010 - Hort: "Der tschechische Tal"), Josef Augustin oder Vlastimil Jansa. Hort: "Ich will nicht sagen, ich war König da. Sie hatten aber Respekt, weil ich spielte am wenigsten Theorie." (ChessBase-Interview 2014, sh. unten)
Turnierbuch/johannes-fischer.net
Vlastimil Hort (16) in Leipzig
Bereits mit 16 Jahren war Hort stark genug um bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig für die ČSSR zu spielen. Die beiden Großmeister Ludek Pachman (1924-2003) und Miroslav Filip (1928-2009) spielten an den Brettern eins und zwei, IM Jiri Fichtl (1921-2003) an Brett drei. Hort erzielte in Vorrunde und A-Finale ein Ergebnis von 7½ aus 13. Die ČSSR belegte Platz 5 - noch vor den beiden deutschen Mannschaften, die Achter (GER) und Neunter (DDR) wurden.
Vom 29. März bis 5. April 1970 war Hort für eine Weltauswahl nominiert, bei der in Belgrad die besten zehn nichtsowjetischen Schachspieler auf eine Auswahl der UdSSR trafen. Die sowjetischen Schachspieler dominierten zu dieser Zeit die Weltrangliste und konnten an allen Brettern neben dem amtierenden Weltmeister Boris Spasski, viele ehemalige Weltmeister und WM-Kandidaten aufstellen. Hort saß an Brett 4 Lew Polugajewski gegenüber, den er mit 2½:1½ besiegte. An den vorderen Brettern erwies sich die Weltauswahl als überlegen, doch im Unterhaus bogen die UdSSR-Spieler das Ergebnis wieder gerade und siegten mit 20½:19½. In diesem Wettkampf standen die ersten drei Bretter der Weltauswahl mit Larsen, Fischer und Portisch schnell fest. Um Brett vier gab es einen Streit zwischen Reshevsky und Najdorf. Bei einem Zusammentreffen aller Kandidaten sprach Fischer ein Machtwort: "Vlasti, you will be fourth".
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Angriff auf die Krone im Weltschach
Vlastimil Hort's Weg in den WM-Zyklus nach der kampflosen Eroberung der Krone 1975 durch Anatoli Karpow begann ohne die Qualifikationsmühle über ein Zonenturnier. Die FIDE gab ihm einen Freiplatz für das Interzonenturnier in der philippinischen Hauptstadt Manila. Er rechtfertigte die Nominierung mit einem sehr guten dritten Platz und der erst- und einmaligen Qualifikation für die Kandidatenwettkämpfe.
Pl.
Name
Land
Elo
Pkt.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
1.
GM Henrique Mecking
2620
13,0
x
½
½
1
½
½
½
1
½
0
½
1
½
1
1
½
½
1
1
1
2.
GM Lew Polugajewski
2635
12,5
½
x
0
½
½
½
½
½
1
½
1
½
½
1
½
1
1
½
1
1
3.
GM Vlastimil Hort
CSR
2600
12,5
½
1
x
0
½
0
½
0
½
½
1
½
1
½
1
1
1
1
1
1
4.
GM Witali Zeschkowski
2550
12,0
0
½
1
x
½
½
0
1
½
½
½
½
0
1
1
1
1
½
1
1
5.
GM Zoltan Ribli
2575
11,5
½
½
½
½
x
1
1
1
½
0
½
0
1
1
½
0
½
½
1
1
6.
GM Lubomir Ljubojevic
2620
11,5
½
½
1
½
0
x
0
0
1
½
0
½
1
1
1
1
½
1
½
1
7.
GM Lubomir Kavalek
2540
10,5
½
½
½
1
0
1
x
½
½
1
½
1
0
½
0
0
½
½
1
1
8.
GM Oscar Panno
2520
10,5
0
½
1
0
0
1
½
x
1
1
0
½
½
0
½
½
1
1
½
1
9.
GM Juri Balaschow
2545
10,5
½
0
½
½
½
0
½
0
x
1
½
½
½
1
½
½
1
1
1
½
10.
GM Boris Spasski
2630
10,0
1
½
½
½
1
½
0
0
0
x
½
1
½
½
½
½
½
½
½
1
11.
GM Florin Gheorghiu
2540
10,0
½
0
0
½
½
1
½
1
½
½
x
1
½
½
½
½
0
½
1
½
12.
GM Wolfgang Uhlmann
2555
10,0
0
½
½
½
1
½
0
½
½
0
0
x
1
1
½
1
1
½
0
1
13.
GM Sergio Mariotti
2470
10,0
½
½
0
1
0
0
1
½
½
½
½
0
x
1
½
½
1
1
1
0
14.
GM Miguel Quinteros
2540
9,0
0
0
½
0
0
0
½
1
0
½
½
0
0
x
1
1
1
1
1
1
15.
GM Walter Browne
2585
8,5
0
½
0
0
½
0
1
½
½
½
½
½
½
0
x
1
1
½
0
1
16.
GM Eugenio Torre
2505
7,0
½
0
0
0
1
0
1
½
½
½
½
0
½
0
0
x
0
1
1
0
17.
IM Peter Biyiasas
2460
6,0
½
0
0
0
½
½
½
0
0
½
1
0
0
0
0
1
x
1
½
0
18.
GM Ludek Pachman
2520
5,0
0
½
0
½
½
0
½
0
0
½
½
½
0
0
½
0
0
x
½
½
19.
IM Lian-Ann Tan
SIN
2365
5,0
0
0
0
0
0
½
0
½
0
½
0
1
0
0
1
0
½
½
x
½
20.
IM Khosro Harandi
2380
5,0
0
0
0
0
0
0
0
0
½
0
½
0
1
0
0
1
1
½
½
x
Der letztplazierte Iraner verstarb erst kürzlich am 8. Januar im Alter von 69 Jahren.
Spektakulär endete die Partie zweier Qualifikanten. Nach dem Matchsieg 1970 in Belgrad könnte man fast sagen Lew Polugajewski war ein "Kunde" von Vlastimil Hort, denn auch in Manila ging für den sowjetischen Weltklassemann einiges schief. Polugajewski hatte die schwarze Dame gerade von b7 vertrieben. Hort hatte nur einen einzigen Zug, der nicht gleich die Stellung wegwirft. Und den führte er auch aus - siehe Diagramm. Polu würde gern den Bauern f7 nehmen, doch im Moment ist der Turm noch gefesselt, da die Dame auf d6 hängen würde. Also zog er 33. Dd7?? um seiner Absicht Nachdruck zu verleihen. Nach dem Zwischenschach 33. ... Te1+! wird Polu das böse Ende wahrscheinlich schon gesehen haben, denn nun muß er sich seinen Turm mit 34. Kh2 fesseln lassen. Nach 34. ... Tc1! spielte Polu noch zwei Züge und gab mit Turm weniger die Partie auf!
Spasski - Hort, Reykjavik 1977, 15. Partie nach 35. Lc5
Vom Turnier in Manila ist ein Video von der Pressekonferenz auf aparchive.com zu finden. Dort ist auch Hort kurz zu sehen.
Im Viertelfinale der Kandidatenmatches bekam es Hort 1977 in Reykjavik mit einem Exweltmeister zu tun. Aber es war nicht wie zu erwarten Bobby Fischer, sondern der zuvor in Manila ausgeschiedene Boris Spasski. Da Fischer nicht antrat, vergab die FIDE den Platz an seinen WM-Vorgänger Spasski. Nach 14 Partien stand es 7:7 und Hort stand in der 15. Partie auf Gewinn. Das Halbfinale schien nahe, doch er verlor die Partie durch Zeitüberschreitung und konnte den Wettkampf in der letzten Partie nicht mehr drehen.
In der Diagrammstellung zeigen die Engines für Schwarz ein Plus von weit über 6 an. Die beiden chancenreichsten Gewinnvarianten sind A) 35. ... Dg4 36. Dxd2 Lxd2 37. Txc2 De2 38. Lf2 Td8 39. e5 Dxe5 usw. und B) 35. ... Lxc5 36. Dxc5 Dg4 37. g3 Dh3 38. Df2 Txf2 39. Txf2 De6 usw. - Doch zu einer der Varianten kam es nicht mehr, da die Uhr unerbittlich ablief.
Interzonenturnier Tunis 1985
Pl.
Titel
Name
Land
Elo
Pkt.
SoBe
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
1.
GM
Artur Jussupow
2590
11,5
x
½
1
½
1
½
1
½
½
½
½
1
1
½
1
½
1
2.
GM
Alexander Beljawskij
2635
11,0
½
x
½
1
½
½
½
1
1
½
½
1
0
½
1
1
1
3.
GM
Lajos Portisch
2635
10,0
0
½
x
1
½
½
½
½
½
½
1
½
1
½
½
1
1
4.
GM
Alexander Tschernin
2495
9,5
65,75
½
0
0
x
½
½
½
1
0
½
½
1
½
1
1
1
1
5.
GM
Wiktor Gawrikow
2550
9,5
66,75
0
½
½
½
x
0
½
½
1
½
1
½
½
1
½
1
1
6.
GM
Vlastimil Hort
CSR
2560
9,0
66,25
½
½
½
½
1
x
½
½
0
½
½
½
½
1
0
1
1
7.
GM
Gennadi Sosonko
2535
9,0
63,25
0
½
½
½
½
½
x
½
½
½
½
½
½
½
1
1
1
8.
GM
Maxim Dlugy
2485
9,0
62,75
½
0
½
0
½
½
½
x
½
½
1
½
½
1
½
1
1
9.
GM
Nick de Firmian
2540
8,5
½
0
½
1
0
1
½
½
x
1
0
½
½
1
0
½
1
10.
GM
Predrag Nikolic
2575
8,0
58,75
½
½
½
½
½
½
½
½
0
x
1
0
½
0
½
1
1
11.
GM
Mihai Suba
2465
8,0
55,25
½
½
0
½
0
½
½
0
1
0
x
0
1
½
1
1
1
12.
Anthony Miles
2570
8,0
55,00
0
0
½
0
½
½
½
½
½
1
1
x
½
0
½
1
1
13.
GM
Ivan Morovic Fernandez
2450
7,5
0
1
0
½
½
½
½
½
½
½
0
½
x
½
1
½
½
14.
GM
Alonso Zapata
2535
6,5
50,00
½
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½
0
0
0
½
0
0
1
½
1
½
x
½
½
½
15.
GM
Jewgenij Ermenkov
2515
6,5
45,75
0
0
½
0
½
1
0
½
1
½
0
½
0
½
x
½
1
16.
GM
Assem Afifi
2370
3,5
½
0
0
0
0
0
0
0
½
0
0
0
½
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½
x
1
17.
IM
Slaheddine Hmadi
2285
1,0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
½
½
0
0
x
18.
IM
Slim Bouaziz
2395
0,5
-
0
-
-
-
0
-
-
0
-
0
-
½
-
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0
x
zanchess.wordpress.com
Turnierbuch des IZT in französischer Sprache
Das Interzonenturnier vom 27. April bis 20. Mai 1985 in der tunesischen Hauptstadt Tunis stellte einen Wendepunkt in Vlastimil Horts Leben dar. Er entschloß sich nicht mehr in die ČSSR zurückzukehren und flüchtete nach dem Turnierende in die Bundesrepublik Deutschland. Der Plan zur Flucht für den von seiner Frau getrennt lebenden Hort bestand schon lange. Doch durch seinen einzigen Sohn blieb er der Tschechoslowakei noch einige Jahre treu, um zu warten bis er volljährig ist. Die Hoffnung, sein Sohn (der als Jugendlicher ein hervorragender Fussballspieler war) würde mit in das Nachbarland kommen, erfüllte sich aber nicht. Obwohl sich bereits die Fussballschulen in Duisburg und Köln für seinen Sohn interessierten.
In Deutschland spielte Hort nur für zwei Schachvereine - die Schachgemeinschaft Porz und den Oberhausener Schachverein 1887. Im Jahr 2001 wollte er eigentlich aufhören mit dem aktiven Schach, nachdem ihn der Porzer Mäzen Wilfried Hilgert (1933-2016) in die zweite Mannschaft versetzte. Zu diesem Zeitpunkt traten die Schachfreunde aus Oberhausen mit einem Angebot an ihn heran, in der dritten Liga zu spielen. Im neuen Verein wurde er schnell heimisch. "Ich mag die Leute, ich fühle mich da pudelwohl", sagte er in einem YouTube-Interview mit ChessBase im Jahr 2017:
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre gehörte er zu den besten Schachspielern der Welt: 1977 lag er mit Lew Polugajewski und Exweltmeister Michail Tal auf Platz 6 der Weltrangliste. Nach seiner Übersiedlung 1985 in die Bundesrepublik Deutschland kam er 1988 erstmals in der deutschen Nationalmannschaft zum Einsatz und erzielte bei der Schacholympiade in Saloniki am ersten Brett ein hervorragendes Ergebnis von 8 aus 12. Heute wird Vlastimil Hort 75 Jahre alt und wir gratulieren ihm dazu auf das Herzlichste!
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Hort wurde am 12. Januar 1944 in Kladno, einer Industriestadt 25 km nordwestlich von Prag geboren. Zum Schachspiel kam er im Alter von 5 Jahren durch einen Aufenthalt im Krankenhaus, wo er mit Fieber zwei Monate in Quarantäne lag. Ein Arzt, der in den Nachtschichten seine Fernschachpartien analysierte, brachte ihm die Regeln bei und löste damit eine Entwicklung aus, mit der nie zu rechnen war. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus mußte sich Hort's Mutter sofort auf die Suche nach Spielpartnern machen. In der Nachbarschaft fand sie einen etwa 60-jährigen Kaninchenzüchter, der sich bereit erklärte, mit ihrem Sohn Schach zu spielen. Im Gegenzug mußte der kleine Vlastimil aber beim Füttern der Kaninchen helfen. In der ersten Partie mit dem Nachbarn hatte er Schwarz und wurde mattgesetzt. Zuvor hatte sein Gegner auf f6 einen Bauern en passant geschlagen, einen Zug den Vlastimil von dem Arzt nicht gelernt hatte. Weinend berichtete er seiner Mutter später von dem "Betrug".
Vlastimil Hort entwickelte sich in den nächsten Jahren sehr gut. Er wurde nicht nur besser im Schach und lernte viel über die Kaninchenzucht, sondern er war auch sehr interessiert an anderen Sportarten. So spielte er in seiner Heimatstadt als Torwart beim Eishockey und hatte mit dem späteren Nationalspieler František Pospíšil einen prominenten Spieler in seiner Jugendmannschaft. Hort: "Ich habe ihn immer ausgeschimpft, das er zu langsam ist." Ambitionen es im Eishockey zu etwas zu bringen hatte er aber nicht, zumal der Sport sehr anstrengend war. Ganz im Gegensatz dazu Schach, wo er sich ohne Trainer autodidaktisch mit relativ wenig Aufwand, zu einem sehr guten Spieler entwickelte. In Kladno gab es zwei Schachvereine, wo er hervorragende Fortschritte erzielte. Hort zählte damals zu einer goldenen Generation der tschechischen Schachspieler, mit Namen wie Lubomir Kavalek, Michael Janata (U20-Vizeweltmeister 1963), Jindřich Trapl (1942–2010 - Hort: "Der tschechische Tal"), Josef Augustin oder Vlastimil Jansa. Hort: "Ich will nicht sagen, ich war König da. Sie hatten aber Respekt, weil ich spielte am wenigsten Theorie." (ChessBase-Interview 2014, sh. unten)
Turnierbuch/johannes-fischer.net
Vlastimil Hort (16) in Leipzig
Bereits mit 16 Jahren war Hort stark genug um bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig für die ČSSR zu spielen. Die beiden Großmeister Ludek Pachman (1924-2003) und Miroslav Filip (1928-2009) spielten an den Brettern eins und zwei, IM Jiri Fichtl (1921-2003) an Brett drei. Hort erzielte in Vorrunde und A-Finale ein Ergebnis von 7½ aus 13. Die ČSSR belegte Platz 5 - noch vor den beiden deutschen Mannschaften, die Achter (GER) und Neunter (DDR) wurden.
Vom 29. März bis 5. April 1970 war Hort für eine Weltauswahl nominiert, bei der in Belgrad die besten zehn nichtsowjetischen Schachspieler auf eine Auswahl der UdSSR trafen. Die sowjetischen Schachspieler dominierten zu dieser Zeit die Weltrangliste und konnten an allen Brettern neben dem amtierenden Weltmeister Boris Spasski, viele ehemalige Weltmeister und WM-Kandidaten aufstellen. Hort saß an Brett 4 Lew Polugajewski gegenüber, den er mit 2½:1½ besiegte. An den vorderen Brettern erwies sich die Weltauswahl als überlegen, doch im Unterhaus bogen die UdSSR-Spieler das Ergebnis wieder gerade und siegten mit 20½:19½. In diesem Wettkampf standen die ersten drei Bretter der Weltauswahl mit Larsen, Fischer und Portisch schnell fest. Um Brett vier gab es einen Streit zwischen Reshevsky und Najdorf. Bei einem Zusammentreffen aller Kandidaten sprach Fischer ein Machtwort: "Vlasti, you will be fourth".
Angriff auf die Krone im Weltschach
Vlastimil Hort's Weg in den WM-Zyklus nach der kampflosen Eroberung der Krone 1975 durch Anatoli Karpow begann ohne die Qualifikationsmühle über ein Zonenturnier. Die FIDE gab ihm einen Freiplatz für das Interzonenturnier in der philippinischen Hauptstadt Manila. Er rechtfertigte die Nominierung mit einem sehr guten dritten Platz und der erst- und einmaligen Qualifikation für die Kandidatenwettkämpfe.
Pl.
Name
Land
Elo
Pkt.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
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13
14
15
16
17
18
19
20
1.
GM Henrique Mecking
2620
13,0
x
½
½
1
½
½
½
1
½
0
½
1
½
1
1
½
½
1
1
1
2.
GM Lew Polugajewski
2635
12,5
½
x
0
½
½
½
½
½
1
½
1
½
½
1
½
1
1
½
1
1
3.
GM Vlastimil Hort
CSR
2600
12,5
½
1
x
0
½
0
½
0
½
½
1
½
1
½
1
1
1
1
1
1
4.
GM Witali Zeschkowski
2550
12,0
0
½
1
x
½
½
0
1
½
½
½
½
0
1
1
1
1
½
1
1
5.
GM Zoltan Ribli
2575
11,5
½
½
½
½
x
1
1
1
½
0
½
0
1
1
½
0
½
½
1
1
6.
GM Lubomir Ljubojevic
2620
11,5
½
½
1
½
0
x
0
0
1
½
0
½
1
1
1
1
½
1
½
1
7.
GM Lubomir Kavalek
2540
10,5
½
½
½
1
0
1
x
½
½
1
½
1
0
½
0
0
½
½
1
1
8.
GM Oscar Panno
2520
10,5
0
½
1
0
0
1
½
x
1
1
0
½
½
0
½
½
1
1
½
1
9.
GM Juri Balaschow
2545
10,5
½
0
½
½
½
0
½
0
x
1
½
½
½
1
½
½
1
1
1
½
10.
GM Boris Spasski
2630
10,0
1
½
½
½
1
½
0
0
0
x
½
1
½
½
½
½
½
½
½
1
11.
GM Florin Gheorghiu
2540
10,0
½
0
0
½
½
1
½
1
½
½
x
1
½
½
½
½
0
½
1
½
12.
GM Wolfgang Uhlmann
2555
10,0
0
½
½
½
1
½
0
½
½
0
0
x
1
1
½
1
1
½
0
1
13.
GM Sergio Mariotti
2470
10,0
½
½
0
1
0
0
1
½
½
½
½
0
x
1
½
½
1
1
1
0
14.
GM Miguel Quinteros
2540
9,0
0
0
½
0
0
0
½
1
0
½
½
0
0
x
1
1
1
1
1
1
15.
GM Walter Browne
2585
8,5
0
½
0
0
½
0
1
½
½
½
½
½
½
0
x
1
1
½
0
1
16.
GM Eugenio Torre
2505
7,0
½
0
0
0
1
0
1
½
½
½
½
0
½
0
0
x
0
1
1
0
17.
IM Peter Biyiasas
2460
6,0
½
0
0
0
½
½
½
0
0
½
1
0
0
0
0
1
x
1
½
0
18.
GM Ludek Pachman
2520
5,0
0
½
0
½
½
0
½
0
0
½
½
½
0
0
½
0
0
x
½
½
19.
IM Lian-Ann Tan
SIN
2365
5,0
0
0
0
0
0
½
0
½
0
½
0
1
0
0
1
0
½
½
x
½
20.
IM Khosro Harandi
2380
5,0
0
0
0
0
0
0
0
0
½
0
½
0
1
0
0
1
1
½
½
x
Der letztplazierte Iraner verstarb erst kürzlich am 8. Januar im Alter von 69 Jahren.
Spektakulär endete die Partie zweier Qualifikanten. Nach dem Matchsieg 1970 in Belgrad könnte man fast sagen Lew Polugajewski war ein "Kunde" von Vlastimil Hort, denn auch in Manila ging für den sowjetischen Weltklassemann einiges schief. Polugajewski hatte die schwarze Dame gerade von b7 vertrieben. Hort hatte nur einen einzigen Zug, der nicht gleich die Stellung wegwirft. Und den führte er auch aus - siehe Diagramm. Polu würde gern den Bauern f7 nehmen, doch im Moment ist der Turm noch gefesselt, da die Dame auf d6 hängen würde. Also zog er 33. Dd7?? um seiner Absicht Nachdruck zu verleihen. Nach dem Zwischenschach 33. ... Te1+! wird Polu das böse Ende wahrscheinlich schon gesehen haben, denn nun muß er sich seinen Turm mit 34. Kh2 fesseln lassen. Nach 34. ... Tc1! spielte Polu noch zwei Züge und gab mit Turm weniger die Partie auf!
Spasski - Hort, Reykjavik 1977, 15. Partie nach 35. Lc5
Vom Turnier in Manila ist ein Video von der Pressekonferenz auf aparchive.com zu finden. Dort ist auch Hort kurz zu sehen.
Im Viertelfinale der Kandidatenmatches bekam es Hort 1977 in Reykjavik mit einem Exweltmeister zu tun. Aber es war nicht wie zu erwarten Bobby Fischer, sondern der zuvor in Manila ausgeschiedene Boris Spasski. Da Fischer nicht antrat, vergab die FIDE den Platz an seinen WM-Vorgänger Spasski. Nach 14 Partien stand es 7:7 und Hort stand in der 15. Partie auf Gewinn. Das Halbfinale schien nahe, doch er verlor die Partie durch Zeitüberschreitung und konnte den Wettkampf in der letzten Partie nicht mehr drehen.
In der Diagrammstellung zeigen die Engines für Schwarz ein Plus von weit über 6 an. Die beiden chancenreichsten Gewinnvarianten sind A) 35. ... Dg4 36. Dxd2 Lxd2 37. Txc2 De2 38. Lf2 Td8 39. e5 Dxe5 usw. und B) 35. ... Lxc5 36. Dxc5 Dg4 37. g3 Dh3 38. Df2 Txf2 39. Txf2 De6 usw. - Doch zu einer der Varianten kam es nicht mehr, da die Uhr unerbittlich ablief.
Interzonenturnier Tunis 1985
Pl.
Titel
Name
Land
Elo
Pkt.
SoBe
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
1.
GM
Artur Jussupow
2590
11,5
x
½
1
½
1
½
1
½
½
½
½
1
1
½
1
½
1
2.
GM
Alexander Beljawskij
2635
11,0
½
x
½
1
½
½
½
1
1
½
½
1
0
½
1
1
1
3.
GM
Lajos Portisch
2635
10,0
0
½
x
1
½
½
½
½
½
½
1
½
1
½
½
1
1
4.
GM
Alexander Tschernin
2495
9,5
65,75
½
0
0
x
½
½
½
1
0
½
½
1
½
1
1
1
1
5.
GM
Wiktor Gawrikow
2550
9,5
66,75
0
½
½
½
x
0
½
½
1
½
1
½
½
1
½
1
1
6.
GM
Vlastimil Hort
CSR
2560
9,0
66,25
½
½
½
½
1
x
½
½
0
½
½
½
½
1
0
1
1
7.
GM
Gennadi Sosonko
2535
9,0
63,25
0
½
½
½
½
½
x
½
½
½
½
½
½
½
1
1
1
8.
GM
Maxim Dlugy
2485
9,0
62,75
½
0
½
0
½
½
½
x
½
½
1
½
½
1
½
1
1
9.
GM
Nick de Firmian
2540
8,5
½
0
½
1
0
1
½
½
x
1
0
½
½
1
0
½
1
10.
GM
Predrag Nikolic
2575
8,0
58,75
½
½
½
½
½
½
½
½
0
x
1
0
½
0
½
1
1
11.
GM
Mihai Suba
2465
8,0
55,25
½
½
0
½
0
½
½
0
1
0
x
0
1
½
1
1
1
12.
Anthony Miles
2570
8,0
55,00
0
0
½
0
½
½
½
½
½
1
1
x
½
0
½
1
1
13.
GM
Ivan Morovic Fernandez
2450
7,5
0
1
0
½
½
½
½
½
½
½
0
½
x
½
1
½
½
14.
GM
Alonso Zapata
2535
6,5
50,00
½
½
½
0
0
0
½
0
0
1
½
1
½
x
½
½
½
15.
GM
Jewgenij Ermenkov
2515
6,5
45,75
0
0
½
0
½
1
0
½
1
½
0
½
0
½
x
½
1
16.
GM
Assem Afifi
2370
3,5
½
0
0
0
0
0
0
0
½
0
0
0
½
½
½
x
1
17.
IM
Slaheddine Hmadi
2285
1,0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
½
½
0
0
x
18.
IM
Slim Bouaziz
2395
0,5
-
0
-
-
-
0
-
-
0
-
0
-
½
-
-
-
0
x
zanchess.wordpress.com
Turnierbuch des IZT in französischer Sprache
Das Interzonenturnier vom 27. April bis 20. Mai 1985 in der tunesischen Hauptstadt Tunis stellte einen Wendepunkt in Vlastimil Horts Leben dar. Er entschloß sich nicht mehr in die ČSSR zurückzukehren und flüchtete nach dem Turnierende in die Bundesrepublik Deutschland. Der Plan zur Flucht für den von seiner Frau getrennt lebenden Hort bestand schon lange. Doch durch seinen einzigen Sohn blieb er der Tschechoslowakei noch einige Jahre treu, um zu warten bis er volljährig ist. Die Hoffnung, sein Sohn (der als Jugendlicher ein hervorragender Fussballspieler war) würde mit in das Nachbarland kommen, erfüllte sich aber nicht. Obwohl sich bereits die Fussballschulen in Duisburg und Köln für seinen Sohn interessierten.
In Deutschland spielte Hort nur für zwei Schachvereine - die Schachgemeinschaft Porz und den Oberhausener Schachverein 1887. Im Jahr 2001 wollte er eigentlich aufhören mit dem aktiven Schach, nachdem ihn der Porzer Mäzen Wilfried Hilgert (1933-2016) in die zweite Mannschaft versetzte. Zu diesem Zeitpunkt traten die Schachfreunde aus Oberhausen mit einem Angebot an ihn heran, in der dritten Liga zu spielen. Im neuen Verein wurde er schnell heimisch. "Ich mag die Leute, ich fühle mich da pudelwohl", sagte er in einem YouTube-Interview mit ChessBase im Jahr 2017:
Im April 1968 spielte Vlastimil Hort beim Turnier in Monte Carlo – ein Schachereignis der Extraklasse, mit Stars wie Bent Larsen, Smyslow und Mikhail Botwinnik. Letzterer, 57 Jahre alt, hatte angekündigt, dass es sein letztes Turnier werden würde. Umso größer war Horts Überraschung, als eines Morgens um acht Uhr das Telefon in seinem Hotelzimmer klingelte. Am anderen Ende meldete sich: Botwinnik.
Der Altmeister bot an, Hort bei seiner Hängepartie gegen Larsen mit Analysehilfe zu unterstützen. Larsen führte im Turnier knapp vor Botwinnik. Für Hort, damals 24 Jahre alt, war das ein unerhörtes Angebot. Zwar verstand er als Bürger der Tschechoslowakei Russisch, aber er antwortete in bestem Russisch und in aller Deutlichkeit: „Das mag bei euch in der Sowjetunion so üblich sein. In der zivilisierten Welt ist es das nicht.“ Er lehnte das Angebot empört ab und beendete das Gespräch.
Ein paar Tage später trafen die beiden am Brett aufeinander. Hort kam höflich gekleidet und frisch rasiert. Botwinnik hingegen würdigte ihn keines Blickes, verweigerte den Handschlag – und behandelte ihn wie einen Geist. Während der Partie offerierte Hort in ausgeglichener Stellung ein Remis. Botwinnik antwortete nicht, spielte einfach weiter. Doch als Hort nach einem kurzen Gang zur Toilette zurückkam, war sein Gegner verschwunden. Auf dem Tisch lag das unterschriebene Partieformular: ½–½.
Der französische Schiedsrichter sagte zu Hort: „Wenn Sie protestieren, gewinnen Sie die Partie.“ Doch Hort schwieg, unterschrieb das Remis – enttäuscht von seinem einstigen Idol, das er nun in einem anderen Licht sah.
Im April 1968 spielte Vlastimil Hort beim Turnier in Monte Carlo – ein Schachereignis der Extraklasse, mit Stars wie Bent Larsen, Smyslow und Mikhail Botwinnik. Letzterer, 57 Jahre alt, hatte angekündigt, dass es sein letztes Turnier werden würde. Umso größer war Horts Überraschung, als eines Morgens um acht Uhr das Telefon in seinem Hotelzimmer klingelte. Am anderen Ende meldete sich: Botwinnik.
Der Altmeister bot an, Hort bei seiner Hängepartie gegen Larsen mit Analysehilfe zu unterstützen. Larsen führte im Turnier knapp vor Botwinnik. Für Hort, damals 24 Jahre alt, war das ein unerhörtes Angebot. Zwar verstand er als Bürger der Tschechoslowakei Russisch, aber er antwortete in bestem Russisch und in aller Deutlichkeit: „Das mag bei euch in der Sowjetunion so üblich sein. In der zivilisierten Welt ist es das nicht.“ Er lehnte das Angebot empört ab und beendete das Gespräch.
Ein paar Tage später trafen die beiden am Brett aufeinander. Hort kam höflich gekleidet und frisch rasiert. Botwinnik hingegen würdigte ihn keines Blickes, verweigerte den Handschlag – und behandelte ihn wie einen Geist. Während der Partie offerierte Hort in ausgeglichener Stellung ein Remis. Botwinnik antwortete nicht, spielte einfach weiter. Doch als Hort nach einem kurzen Gang zur Toilette zurückkam, war sein Gegner verschwunden. Auf dem Tisch lag das unterschriebene Partieformular: ½–½.
Der französische Schiedsrichter sagte zu Hort: „Wenn Sie protestieren, gewinnen Sie die Partie.“ Doch Hort schwieg, unterschrieb das Remis – enttäuscht von seinem einstigen Idol, das er nun in einem anderen Licht sah.