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Der Professor und der Schachbund

Bild-Recherche zum finanziellen Kollaps des DSB. Die langjährige Verwendung des Professor-Titels im Handelsregistereintrag sei ihm nicht aufgefallen lässt, der ehemalige Geschäftsführer des DSB über seinen Anwalt mitteilen. Er werde den Professor jetzt streichen. Wo er habilitiert und seine Doktorarbeit geschrieben hat, verrät er auch der "Bild" auf mehrfache Nachfrage nicht.

https://nsv-online.de/wp-content/uploads/2023/04/Halbe-Million-Euro-weg_-%E2%80%9EProfessor-stu%CC%88rzt-Schachbund-in-Krise-_-News-_-BILD.de_.pdf

Zur Frage, warum der Schreiber dieser Zeilen der "Bild" Auskunft gegeben hat:

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Zitat Zitat von J_muc Beitrag anzeigen
Wer mit der Bild spricht, sollte keine irgendwie sinnvolle Berichterstattung erwarten - also wieso macht man das? Würde ich gerne auch von den hier aktiven Interviewten hören...
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In der Tat lautete die erste Anfrage über einen Dritten, "die Bild" sei am DSB dran, ob ich bereit sei, "der Bild" ein paar Fragen zu beantworten. Habe ich kategorisch abgelehnt.

Einige Wochen später fragte der Autor selbst an. Er ließ durchblicken, dass er in Leer gewesen ist, vor dem ominösen Briefkasten gestanden hatte, an dem ich vor drei Jahren nicht weitergekommen war, außerdem war er in Berlin sowie New York den Spuren nachgegangen, in denen damals meine kleine Recherche versandet ist und nie zu einer Veröffentlichung geführt hat (außer neulich dieser). Offensichtlich recherchierte da jemand ernsthaft. Das hat mich überrascht.

Mit der Anfrage hatte ich einen Namen, Til Biermann. Ich habe nachgeschaut, wer das ist, was für Geschichten der macht (und nicht macht), und was für Berichterstattung zu erwarten sein würde. Dann habe ich seine Fragen beantwortet:

Hallo Herr Biermann,

"Merkwürdigkeiten in der Biografie" erstaunt mich. Haben Sie je seinen Lebenslauf gesehen? Den Job beim DSB hat er meines Wissens auf Grundlage eines Anschreibens ohne Anlagen bekommen. Später, da war er schon angestellt, hat er mal ein lobpreisendes Schreiben seines Schachklub-Chefs aus New York präsentiert. Mehr Vita kenne ich nicht. Gesichert erscheint mir nur, er stammt aus Leer, hat in Münster studiert und war 2008-2014 Geschäftsführer des Marshall Chess Clubs.

Wie bewerten Sie die Ära Marcus Fenners beim DSB?

Eine Ära unnötig und zum Schaden des Sports durcheskalierter und auf die Spitze getriebener Konflikte.

  • Im Lauf dieser Ära hat sich der DSB mit seiner Jugendorganisation verkracht und sich in einem lähmenden, mehrjährigen Prozess von dieser getrennt. Der Schachbund ist jetzt der einzige (glaube ich, müsste ich checken) deutsche Sport-Spitzenverband, der sich von seiner Jugend getrennt hat.
  • Im Lauf dieser Ära haben zwölf Nationalspieler:innen gedroht, unter dieser DSB-Führung und deren Bundestrainer nicht mehr für Deutschland zu spielen, darunter Vincent Keymer, der größte Schatz des deutschen Schachs.
  • Im Lauf dieser Ära haben sich die Angestellten des DSB mehrfach ans Präsidium gewandt, um nicht länger unter diesem Geschäftsführer in einem Klima des Misstrauens arbeiten zu müssen. Jahrelang ohne Ergebnis. Erst der neuerliche Mitarbeiteraufstand im Sommer 2022 hat zum Ende der Geschichte beigetragen.
  • Im Lauf dieser Ära hatte der DSB aufgrund immer neuer Katastrophen und Peinlichkeiten durchgängig die wahrscheinlich schlechteste Presse seiner Geschichte, und das bei weitem nicht nur in der Schachblase.
  • Im Lauf dieser Ära sind haupt- wie ehrenamtlich einige Köpfe gerollt; er hat, wahrscheinlich im Sinne eines ungestörten Regiments, gezielt starke Leute mit Format rausgeekelt. Jetzt fehlen diese und andere Leute mehr denn je, diverse Funktionen lassen sich nicht besetzen. Für diesen DSB will sich niemand engagieren, das Image ist kaputt.
  • Am Ende der Ära fehlten dann ein paar hunderttausend Euro in der Kasse, und es kommt heraus, dass Fenner eine Abfindung gezahlt wurde und der DSB-Finanzchef sich hat verbieten lassen, in die Finanzen zu gucken.

Und das sind nur die großen Linien. All die Episoden, die für Ihre Zwecke wahrscheinlich zu speziell sind, habe ich weggelassen. Was soll ich da bewerten? Schlimm finde ich, dass ab Mitte 2019 jeder sehen konnte, dass beim Schachbund Dinge aus den Fugen geraten. Leider wollte das niemand sehen.

Schachspieler gelten gemeinhin als schlau. Die ähnlich gelagerten Fälle Dr. Fenner und Dr. Jordan, die beide das organisierte Schach über Jahre hinweg sechsstellig gekostet haben, offenbaren das Gegenteil. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Schäfchenhaftigkeit der Verantwortlichen in anderen Sportarten so ausgeprägt ist wie beim Schach.

Wo könnte das Geld geblieben sein?

Ich wünsche mir dringend, dass jemand Unabhängiges, Externes die Antwort auf diese Frage sucht und findet.

Wie schätzen Sie es ein, dass er in Handelsregistereintragungen als „Professor“ auftrat, aber nie sagen wollte, wo er als Professor gelehrt haben will? Ebenfalls will er nicht verraten, wo er seine Doktorarbeit geschrieben hat, die ihm erlauben würde, in Deutschland den Doktortitel zu tragen.

Im Februar 2022 habe ich eine Pressekonferenz mit Fenner und dem Präsidenten des Schach-Weltverbands erlebt, da fabulierte Fenner von geplanten Großveranstaltungen am Bundestag und am Brandenburger Tor. Beides war weder geplant, noch kam es jemals dazu. Er wollte einfach nur möglichst große Worte benutzen und vor jemandem, den er wichtig fand, Eindruck schinden - eine Konstante in seinem Auftreten. Vor diesem Hintergrund fällt es mir leicht, mir vorzustellen, dass er den Professor und den Doktor mehr vor sich herträgt, als angemessen und rechtens wäre.

Ich verstehe, dass der Missbrauch von Titeln strafbar ist, aber meine Baustelle ist das Wohlergehen des Schachsports, und da hat er genug Schaden angerichtet. Diese nicht aufzulösende Professor-Doktor-Debatte habe ich immer als Ablenkung von dem ganzen greifbaren Mist gesehen, den er durchgehend gebaut hat.

Können Sie damit etwas anfangen?

Beste Grüße