Wilhelm Steinitz (1836-1900)
Zitat von Conrad Schormann am 15. Mai 2023, 9:09 UhrDas Schachgenie, das im Irrenhaus endete
Er revolutionierte das Schach-Spiel von Grund auf: Acht Jahre lang konnte Wilhelm Steinitz aus Wien seinen Weltmeistertitel im Schach halten. Doch er verfiel schließlich dem Wahnsinn.https://www.welt.de/geschichte/article134437658/Das-Schachgenie-das-im-Irrenhaus-endete.html
Das Schachgenie, das im Irrenhaus endete
Zitat von Conrad Schormann am 15. Mai 2023, 9:25 Uhrhttps://twitter.com/olimpiuurcan/status/1657740588702392320https://twitter.com/Ruhichess/status/1657827380558282754https://twitter.com/Bodenseeperlen/status/1657647017370304513
Zitat von Conrad Schormann am 17. Oktober 2025, 10:08 UhrWilhelm Steinitz im Moritex-Podcast: Wie der „erste Weltmeister“ ohne Verband entstand – und das moderne Schach gleich mit
Autor des Podcasts: Dr. Stefan BreuerDer Podcast setzt mit der Grundfrage an: Seit wann gibt es Schach-Weltmeisterschaften – und wer war der erste Weltmeister? Breuer zeigt: Im Schach gab es lange keinen Verband, der Weltmeisterschaften ausrichtete. Die FIDE entstand erst 1924; die erste von der FIDE kontrollierte WM datiert laut Breuer auf 1946. Zwischen 1886 und 1946 organisierten Spieler, Gönner und Publikum Titelkämpfe selbst – per privater Abmachung, Geldgebern und allgemein akzeptierter „Community-Legitimation“.
https://youtu.be/IKfXlIDTPZU
Von Wien nach London: Steinitz wird Match-Killer
Wilhelm Steinitz (1836 Prag – 1900 New York) ist Österreicher (später in die USA übersiedelt). Er bricht sein Studium ab, verdient in Wiener Kaffeehäusern sein Geld mit Schach, eine frühe Form des Profitums. 1862 reist er nach London (damals Europas Schachzentrum). Turniere spielt er gut, doch seine eigentliche Domäne sind Zweikämpfe (lange Matches klassischer Bedenkzeit), damals die Königsdisziplin. Breuer kontrastiert das mit Anatoli Karpov, der hundert Jahre später vor allem Turniere „durchrasiert“ – Steinitz war anders: in Matches gnadenlos.
https://bsky.app/profile/outlived.org/post/3lw6swczuul2y
1866: Der Anderssen-Kampf und der selbst definierte Titel
Im Sommer 1866 kommt es – parallel zum Preußisch-Österreichischen Krieg – zum Londoner Match Steinitz vs. Adolf Anderssen (Preuße). Ergebnis: 8:6 für Steinitz, keine einzige Remispartie. Fortan gilt er de facto als stärkster Spieler – und bezeichnet sich später selbst als „Weltmeister seit 1866“. In den Jahren danach gewinnt er weitere Duelle, u. a. 1876 gegen Joseph Henry Blackburne mit 7:0.
1886: Zukertort, Geld und Regeln – die „Meisterschaft der Welt“
Den Sprung zur „ersten Weltmeisterschaft“ markiert das Match 1886 gegen Johannes Hermann Zukertort (Breuer betont: mit k, nicht „Zuckertort“). Auslöser: Zukertorts überragender Turniersieg London 1883 (drei Punkte Vorsprung vor Steinitz).
Die Vereinbarung (Breuer verweist auf ein Leipziger Büchlein von Minkwitz, 1886) hält u. a. fest:
Einsatz: Beide Spieler mussten je 2.000 Dollar Einsatz aufbringen, finanziert von ihren Mäzenen – insgesamt also 4.000 Dollar im Topf. Nach dem Match erhielt der Sieger 1.000 Dollar, die übrigen 3.000 Dollar gingen an seine Geldgeber – sie machten damit Gewinn, während die Verliererseite leer ausging.
Modus: Bis 20 Partien; bei 9:9 wäre vorzeitig unentschieden.
Bedenkzeit: 2 Std/30 Züge, dann 1 Std/15; Abbruch erst nach 8 Stunden.
Rechte: Nutzungsrechte an den Partien werden zwischen den Spielern geregelt – bemerkenswert modern.
Resultat: Steinitz gewinnt 10–5 bei 5 Remis. Damit ist er in der damals akzeptierten Lesart Weltmeister – nicht durch einen Verbandstitel, sondern durch eine allgemein anerkannte Privatregelung.
Titelverteidigungen und Laskers Sturz
Es entsteht eine (unkodifizierte) Regel des Herausforderers: Weltmeister wird, wer den amtierenden Champion im Match schlägt – kein Kandidatenturnier, kein Verband, alles zwischen den Spielern und ihren Geldgebern. Steinitz verteidigt mehrmals, u. a. zweimal gegen Michail Tschigorin.
1894 verliert er gegen Emanuel Lasker (10 Niederlagen, 5 Siege, 4 Remis). Es folgt der damals übliche Revanchekampf 1896/97 in Moskau – Steinitz geht unter (nur 2 Siege, 10 Niederlagen) und erleidet einen psychischen Zusammenbruch (Einweisung in eine Nervenheilanstalt; u. a. Halluzinationen über „telepathisches Telefonieren“). Später zurück in New York, spielt er noch, bricht 1899/1900 erneut zusammen und stirbt 1900 („Herzversagen“ in der Anstalt).
Der größere Fußabdruck: vom Romantiker zum „Wissenschaftler“
Breuer betont: Wichtiger als die „Erst-WM“ ist Steinitz’ Methodenrevolution. Vom frühen romantischen Angreifer (Breuer nennt eine wilde Wiener Partie 1859) entwickelt er das systematisch-positionelle Denken: Gesetzmäßigkeiten, Muster, typische Fehler, Widerlegung falscher Opfer – „Schach als Wissenschaft“. Damit wird Steinitz zum „Totengräber der Schachromantik“ und Begründer der Positionsschule (u. a. Steinitz-Varianten in Eröffnungen).
Seine publizistische Arbeit (Schachspalten, das International Chess Magazine 1885–1891) zwingt ihn zu kontinuierlichem Analysieren – Breuer zieht eine Parallele zur Schachspalte von Helmut Pfleger in Die Zeit: Wer viel schreibt, systematisiert.
Mensch Steinitz
Er lebte vom Schach, schwankend zwischen Wohlstand (Mäzene, Journalismus) und Armut; war emotional (nach Verlusten „sehr traurig“; Anekdoten von Flucht an die frische Luft bis zur Bank im St. James’s Park). In Breuers Bild steht Steinitz – wie in der Archäologie der Übergang von Heinrich Schliemann, dem Schatzgräber von Troja, zu Wilhelm Dörpfeld, dem Begründer systematischer Grabungsmethoden – für den Wandel vom intuitiven, romantischen Schach hin zum analytischen, regelgeleiteten Denken, das das Spiel erstmals als eine Art Wissenschaft verstand.
Steinitz ist „erster Weltmeister“ nicht, weil ein Verband ihn krönte, sondern weil Schachwelt und Mäzene das Matchmodell trugen – und weil er gewann. Seine eigentliche Pioniertat aber ist die Verwissenschaftlichung des Spiels, die das moderne Schach bis heute prägt.
Wilhelm Steinitz im Moritex-Podcast: Wie der „erste Weltmeister“ ohne Verband entstand – und das moderne Schach gleich mit
Autor des Podcasts: Dr. Stefan Breuer
Der Podcast setzt mit der Grundfrage an: Seit wann gibt es Schach-Weltmeisterschaften – und wer war der erste Weltmeister? Breuer zeigt: Im Schach gab es lange keinen Verband, der Weltmeisterschaften ausrichtete. Die FIDE entstand erst 1924; die erste von der FIDE kontrollierte WM datiert laut Breuer auf 1946. Zwischen 1886 und 1946 organisierten Spieler, Gönner und Publikum Titelkämpfe selbst – per privater Abmachung, Geldgebern und allgemein akzeptierter „Community-Legitimation“.
Von Wien nach London: Steinitz wird Match-Killer
Wilhelm Steinitz (1836 Prag – 1900 New York) ist Österreicher (später in die USA übersiedelt). Er bricht sein Studium ab, verdient in Wiener Kaffeehäusern sein Geld mit Schach, eine frühe Form des Profitums. 1862 reist er nach London (damals Europas Schachzentrum). Turniere spielt er gut, doch seine eigentliche Domäne sind Zweikämpfe (lange Matches klassischer Bedenkzeit), damals die Königsdisziplin. Breuer kontrastiert das mit Anatoli Karpov, der hundert Jahre später vor allem Turniere „durchrasiert“ – Steinitz war anders: in Matches gnadenlos.
Died #otd Wilhelm Steinitz (1836-1900), First official world chess champion, 125 years ago today #WilhelmSteinitz life story...
1866: Der Anderssen-Kampf und der selbst definierte Titel
Im Sommer 1866 kommt es – parallel zum Preußisch-Österreichischen Krieg – zum Londoner Match Steinitz vs. Adolf Anderssen (Preuße). Ergebnis: 8:6 für Steinitz, keine einzige Remispartie. Fortan gilt er de facto als stärkster Spieler – und bezeichnet sich später selbst als „Weltmeister seit 1866“. In den Jahren danach gewinnt er weitere Duelle, u. a. 1876 gegen Joseph Henry Blackburne mit 7:0.
1886: Zukertort, Geld und Regeln – die „Meisterschaft der Welt“
Den Sprung zur „ersten Weltmeisterschaft“ markiert das Match 1886 gegen Johannes Hermann Zukertort (Breuer betont: mit k, nicht „Zuckertort“). Auslöser: Zukertorts überragender Turniersieg London 1883 (drei Punkte Vorsprung vor Steinitz).
Die Vereinbarung (Breuer verweist auf ein Leipziger Büchlein von Minkwitz, 1886) hält u. a. fest:
Einsatz: Beide Spieler mussten je 2.000 Dollar Einsatz aufbringen, finanziert von ihren Mäzenen – insgesamt also 4.000 Dollar im Topf. Nach dem Match erhielt der Sieger 1.000 Dollar, die übrigen 3.000 Dollar gingen an seine Geldgeber – sie machten damit Gewinn, während die Verliererseite leer ausging.
WerbungModus: Bis 20 Partien; bei 9:9 wäre vorzeitig unentschieden.
Bedenkzeit: 2 Std/30 Züge, dann 1 Std/15; Abbruch erst nach 8 Stunden.
Rechte: Nutzungsrechte an den Partien werden zwischen den Spielern geregelt – bemerkenswert modern.
Resultat: Steinitz gewinnt 10–5 bei 5 Remis. Damit ist er in der damals akzeptierten Lesart Weltmeister – nicht durch einen Verbandstitel, sondern durch eine allgemein anerkannte Privatregelung.
Titelverteidigungen und Laskers Sturz
Es entsteht eine (unkodifizierte) Regel des Herausforderers: Weltmeister wird, wer den amtierenden Champion im Match schlägt – kein Kandidatenturnier, kein Verband, alles zwischen den Spielern und ihren Geldgebern. Steinitz verteidigt mehrmals, u. a. zweimal gegen Michail Tschigorin.
1894 verliert er gegen Emanuel Lasker (10 Niederlagen, 5 Siege, 4 Remis). Es folgt der damals übliche Revanchekampf 1896/97 in Moskau – Steinitz geht unter (nur 2 Siege, 10 Niederlagen) und erleidet einen psychischen Zusammenbruch (Einweisung in eine Nervenheilanstalt; u. a. Halluzinationen über „telepathisches Telefonieren“). Später zurück in New York, spielt er noch, bricht 1899/1900 erneut zusammen und stirbt 1900 („Herzversagen“ in der Anstalt).
Der größere Fußabdruck: vom Romantiker zum „Wissenschaftler“
Breuer betont: Wichtiger als die „Erst-WM“ ist Steinitz’ Methodenrevolution. Vom frühen romantischen Angreifer (Breuer nennt eine wilde Wiener Partie 1859) entwickelt er das systematisch-positionelle Denken: Gesetzmäßigkeiten, Muster, typische Fehler, Widerlegung falscher Opfer – „Schach als Wissenschaft“. Damit wird Steinitz zum „Totengräber der Schachromantik“ und Begründer der Positionsschule (u. a. Steinitz-Varianten in Eröffnungen).
Seine publizistische Arbeit (Schachspalten, das International Chess Magazine 1885–1891) zwingt ihn zu kontinuierlichem Analysieren – Breuer zieht eine Parallele zur Schachspalte von Helmut Pfleger in Die Zeit: Wer viel schreibt, systematisiert.
Mensch Steinitz
Er lebte vom Schach, schwankend zwischen Wohlstand (Mäzene, Journalismus) und Armut; war emotional (nach Verlusten „sehr traurig“; Anekdoten von Flucht an die frische Luft bis zur Bank im St. James’s Park). In Breuers Bild steht Steinitz – wie in der Archäologie der Übergang von Heinrich Schliemann, dem Schatzgräber von Troja, zu Wilhelm Dörpfeld, dem Begründer systematischer Grabungsmethoden – für den Wandel vom intuitiven, romantischen Schach hin zum analytischen, regelgeleiteten Denken, das das Spiel erstmals als eine Art Wissenschaft verstand.
Steinitz ist „erster Weltmeister“ nicht, weil ein Verband ihn krönte, sondern weil Schachwelt und Mäzene das Matchmodell trugen – und weil er gewann. Seine eigentliche Pioniertat aber ist die Verwissenschaftlichung des Spiels, die das moderne Schach bis heute prägt.