Bitte oder Registrieren, um Beiträge und Themen zu erstellen.

Geschichte der FIDE

Hatte die FIDE einen Präsidenten, der in der offiziellen Geschichtsschreibung fehlt? Oder war Augusto De Muro ein Putschist ohne jede Legitimation? Und überhaupt, was geschah beim FIDE-Kongress 1939?

Richard Forster hat das Thema im Detail aufgedröselt...

https://www.chesshistory.com/fide1939/

Werbung

...und jetzt für die britische Zeitschrift "Chess" eine einordnende Zusammenfassung geschrieben:

https://www.chesshistory.com/winter/pics1/cn11935_fide.pdf

Forster meint, de Muro sollte nicht nachträglich als FIDE-Präsident anerkannt werden:

  • Die Abstimmung von 1939, von Rueb durch De Muro zu ersetzen und den Sitz der FIDE nach Buenos Aires zu verlegen, war ein Verstoß gegen die Statuten des Verbandes, begangen von einer nicht repräsentativen Minderheit und im Wesentlichen hinter dem Rücken der anderen Mitgliedsnationen. Wachsende Unzufriedenheit mit dem amtierenden Präsident war ebenso ein Motiv wie geopolitische geopolitische Erwägungen. Das "De-Muro-Präsidium" stieß von Anfang an auf Widerstand aus Übersee und wurde nie wirklich produktiv.
  • Im 21. Jahrhundert scheint es wenig ratsam, dass die FIDE im Nachhinein einen unrechtmäßigen, illegitimen und illegalen Versuch der Machtübernahme zu billigen, zumal die Aktion damals kaum praktische Auswirkungen hatte, außer
    dass sie die Lähmung der FIDE während des Krieges noch verstärkte.
  • Augusto De Muro, Roberto Grau und andere verdienen große Bewunderung für Organisation einer großartigen Schacholympiade 1939, nachdem sie unzählige Hindernisse überwunden hatten. Es gibt weit bessere Möglichkeiten, ihre Namen zu ehren, als die Geschichte des FIDE-Präsidenten umzuschreiben. Die Einführung einer angemessenen Galerie der Ehrenmitglieder und Gründer der FIDE wäre ein erster Schritt.

 

VOR 100 JAHREN WURDE DIE FIDE GEGRÜNDET

20. Juli 2024

Eines der Fotos vom Gründungstag der FIDE: Direkt hinter dem Schachtisch sitzt Alexander Aljechin (1892-1946), der drei Jahre später Weltmeister wurde. Links hinter Aljechin in Reihe 2 sitzt der Generalsekretär des französischen Schachverbandes, Pierre Vincent (1878-1956), der als Initiator der FIDE-Gründung gilt. Sie sind umgeben von den Teilnehmern des internationalen Turniers in Paris.

Edward Winter/chesshistory.com
Eines der Fotos vom Gründungstag der FIDE: Direkt hinter dem Schachtisch sitzt Alexander Aljechin (1892-1946), der drei Jahre später Weltmeister wurde. Links hinter Aljechin in Reihe 2 sitzt der Generalsekretär des französischen Schachverbandes, Pierre Vincent (1878-1956), der als Initiator der FIDE-Gründung gilt. Sie sind umgeben von den Teilnehmern des internationalen Turniers in Paris.

Heute vor 100 Jahren wurde am 20. Juli 1924 der Weltschachverband FIDE im Rahmen der 8. Olympischen Spiele von Paris gegründet. Fünfzehn Nationen zählten zu den Gründungsmitgliedern: Argentinien, Belgien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Jugoslawien, Kanada, Polen, Rumänien, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei und Ungarn. Der Deutsche Schachbund ist seit 1926 Mitglied der FIDE. Die klar formulierte Absicht der FIDE-Gründer war nicht nur die Schaffung eines internationalen Verbandes der Schachverbände zur Regelung des internationalen Schachs, sondern auch die Aufnahme des Schachspiels in das offizielle Programm der Olympischen Spiele.

Die Deutsche Schachzeitung vom August 1924 beschreibt den Gründungsakt wie folgt:

Zum ersten Male in den alle vier Jahre stattfindenden olympischen Kämpfen ist das Schachspiel auf der im Juli dieses Jahres in Paris abgehaltenen 8. Olympiade vertreten gewesen. Vor Jahren hätte kein Mensch daran gedacht, (….) , daß unser edles Spiel in dieser Weise in eine sportliche Veranstaltung einbezogen werden könnte.(….) Aber nicht diese Tatsache allein verleiht der Pariser Schachveranstaltung besondere Bedeutung, sondern mehr noch vielleicht die hierbei erfolgte Gründung eines „Internationalen Schachbundes“, die in letzter Zeit schon mehrfach ohne Erfolg versucht worden war. (…..) Als Aufgaben des neuen Bundes seien genannt: Aufstellung allgemeingültiger Spielregeln; Regelung internationaler Turniere, nationaler Vorkämpferschaft, der Weltmeisterschaft; Definition des Meistertitels, des Amateurtums; Internationalisierung der Anfangsbuchstaben der Schachfiguren für die Literatur; Vorbereitung der offiziellen Zulassung zur nächsten Olympiade in Amsterdam 1928.

  • Deutsche Schachzeitung, Nr. 8, August 1924, Seite 169 ff.

Damit umreißt die Deutsche Schachzeitung im obigen Gründungsbericht die wichtigsten Aufgaben des Weltschachverbandes, die im Kern bis heute unverändert im Fokus der Organisation stehen. Die zu Gründungszeiten angestrebte Aufnahme des Schachsports in die Olympischen Spiele ist leider bis heute nicht erfolgt, obwohl Schach vom IOC als „olympische Sportart“ anerkannt ist.

Aus dem Glückwunschschreiben des DSB an die FIDE

Was anfangs noch in kleinerem Rahmen begann, hat sich zu einer weltweit erfolgreich tätigen Institution zur internationalen Förderung des Schachs mit insgesamt 201 nationalen Mitgliedsverbänden etabliert. In den 100 Jahren ihres Bestehens hat die FIDE durch die Formulierung klarer internationaler Regeln für unser königliches Spiel, durch Regelungen zur Titelvergabe, durch die Organisation von hochrangigen Wettbewerben wie Weltmeisterschaften und Schacholympiaden sowie durch die Einführung eines Rating- und Schiedsrichterwesens, um nur die wichtigsten Tätigkeitsbereiche der FIDE zu nennen, wesentlichen Anteil an der erfolgreichen Verbreitung und Festigung der weltweiten Schachkultur genommen.

Der 100-jährige Geburtstag der FIDE wird als „Tag des Schachs“ mit besonderen Feierlichkeiten weltweit begangen.

In Deutschland feiert unter anderem die Emanuel-Lasker-Gesellschaft diesen runden Geburtstag mit und lädt zu einem Schachfest in den World Chess Club Berlin (Unter den Linden 26-30, 10117 Berlin) ein. Neben verschiedenen schachkulturellen Vorträgen in der Zeit von 16.00 bis 18.30 Uhr mit anschließendem Cocktailempfang wird auch ab 17.00 Uhr ein spezielles offenes Armageddon-Blitzschachturnier (5 Minuten Bedenkzeit für Weiß, 4 Minuten für Schwarz, plus zwei Sekunden pro Zug. Bei Remis gewinnt Schwarz, 5 Runden Schweizer System, startgeldfrei) angeboten, das in den FIDE- Guinness-Weltrekordversuch für diesen besonderen Tag eingebettet ist.

Programm der Veranstaltung

Die FIDE möchte aus Anlass des Jubiläums einen offiziellen Guinnessbuch-Weltrekord für die Anzahl der an einem Tag weltweit gespielten Schachpartien aufstellen. Gewertet werden sowohl sämtliche an diesem Tag auf chess.com, lichess.org und anderen Portalen gespielten Online-Schachpartien als auch alle „Over the board“-Partien aus weltweit 788 Schachturnieren, die für diesen Rekordversuch bei der FIDE angemeldet sind und zu denen das Armageddon-Turnier beim Festakt der Emanuel-Lasker-Gesellschaft zählt.

Mehr Informationen

Ihr könnt also selbst am Brett bei der Veranstaltung im World Chess Club Berlin direkt an diesem Weltrekordversuch mitwirken.

Die Geschichte der FIDE aus Sicht der russischen "Nachrichtenagentur" Tass:

https://tass.ru/sport/21409281

Zusammenfassung (AI):

Am 20. Juli 2024 feiert der Internationale Schachverband (FIDE) sein 100-jähriges Bestehen. Die Geschichte der FIDE ist eine Erzählung von Höhen und Tiefen, von Machtkämpfen und Fusionen, die die Schachwelt geprägt haben.

Evgeniy Znosko-Borovsky, ein sowjetischer Schachmeister, kündigte 1922 an, dass die Gründung der FIDE auf der Schach-Olympiade 1924 in Paris stattfinden würde. Vor diesem Datum gab es mehrere gescheiterte Versuche zur Gründung eines Schachverbandes aufgrund von Uneinigkeiten und dem Ersten Weltkrieg. Bei der Gründung waren 14 Länder dabei: Argentinien, Belgien, Großbritannien, Ungarn, Spanien, Italien, Kanada, Niederlande, Polen, Rumänien, Frankreich, Tschechoslowakei, Schweiz und Jugoslawien. Der erste Präsident war Alexander Rub aus den Niederlanden, der die FIDE bis 1939 leitete. In den Anfangsjahren war die FIDE eine schwache und schlecht finanzierte Organisation.

Sergei Shipov, ein internationaler Großmeister, beschreibt die frühe FIDE als „sehr kleinen Verband“, der keine nennenswerte Macht hatte. Die FIDE organisierte 1926 die erste Weltschacholympiade, die jedoch nur von vier Ländern bestritten wurde. Die Frage nach dem Weltmeistertitel blieb ungelöst, und es kam zu Verwirrungen, wie etwa der 1928 erfolgten Erklärung von Efim Bogoljubow zum Weltmeister, obwohl Alexander Aljechin als der amtierende Weltmeister galt.

In den 1930er Jahren versuchte die FIDE, Regeln für die Herausforderer des Weltmeisters zu etablieren. Die Vorschläge, wie das Superturnier der Niederländer, wurden abgelehnt. Stattdessen wurde Salo Flor als Herausforderer nominiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Weltmeistertitel erneut in Frage gestellt, da der amtierende Weltmeister Aljechin starb.

Nach dem Krieg trat die Sowjetunion 1947 der FIDE bei. Mit sowjetischer Unterstützung konnte die FIDE 1948 ein Meisterschaftsturnier organisieren, das in Den Haag und Moskau stattfand. Der sowjetische Großmeister Michail Botwinnik wurde neuer Weltmeister. Diese Phase markierte den Beginn eines langen Zyklus, in dem die FIDE den Weltmeistertitel durch Wettkämpfe bestimmte.

Sergei Smagin, Vizepräsident des Russischen Schachverbandes (RFC), betont die enge Verbindung der FIDE zur Sowjetunion. Trotz der politischen Entwicklungen war die Unterstützung der UdSSR für die FIDE enorm.

Die 1980er Jahre waren von Kontroversen geprägt, als Anatoly Karpov und Garry Kasparov um den Weltmeistertitel kämpften. Die FIDE, unter dem damaligen Präsidenten Florencio Campomanes, entschied sich, das erste Spiel abzubrechen und auf September zu verschieben. Kasparov wurde Weltmeister, und die Spaltung der FIDE begann. Diese Spaltung hielt bis 2006 an, als Vladimir Kramnik gegen Veselin Topalov spielte und die FIDE die alleinige Autorität über den Weltmeistertitel wiedererlangte.

Der russische Präsident Kirsan Ilyumzhinov spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Spaltung. Von 1995 bis 2018 führte er die FIDE und investierte persönliche Mittel, um Schachturniere zu unterstützen und Sponsoren zu finden. Unter seiner Leitung wurde die FIDE vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannt, obwohl Schach nicht ins olympische Programm aufgenommen wurde.

Arkady Dvorkovich, der 2018 das Amt von Ilyumzhinov übernahm, sieht sich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Die Pandemie und die geopolitischen Spannungen, insbesondere der Krieg in der Ukraine, führten zu Kontroversen wie der Sperrung russischer und weißrussischer Spieler. 

Karpov kritisiert die aktuelle FIDE-Führung und betont, dass ohne Russland die Organisation kaum überlebt hätte. Shipov sieht die FIDE als hin- und hergerissen zwischen russischen und westlichen Interessen. Der aktuelle Stand der FIDE zeigt eine instabile Position und die Notwendigkeit, die internen und externen Herausforderungen zu meistern, um die Einheit und den Fortschritt des Weltschachs zu sichern.

Schach als Instrument der Imagepflege - Schach, die FIDE und Russland in der FAZ (für Abonnenten):

https://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/russland-und-der-schachweltverband-fide-instrument-der-imagepflege-19874398.html

Zusammenfassung (AI):

Arkadi Dworkowitsch übernahm 2018 die Führung der FIDE und ist seitdem ein prominentes Gesicht der internationalen Schachorganisation. Seine Präsenz und die regelmäßigen Ankündigungen in russischen Medien spiegeln seine starken Verbindungen zum Kreml wider. Aufgrund seiner engen Zusammenarbeit mit Putin und anderen hochrangigen russischen Politikern, darunter Dmitri Peskow und Sergei Schoigu, wird ihm in einigen Ländern die Einreise verweigert. Trotzdem nehmen russische Spieler weiterhin an FIDE-Wettbewerben teil, obwohl ihre Symbole und Teams offiziell verboten sind. Es wird erwartet, dass der FIDE-Kongress im September diese Beschränkungen aufheben könnte, um dem russischen Verband entgegenzukommen. Um Dworkowitschs Wiederwahl 2026 zu ermöglichen, wurde die Amtszeitbeschränkung aufgehoben. Auch der Iran wird nicht mehr für den Boykott israelischer Spieler sanktioniert, da er Russland treu bleibt.

Die Geschichte der FIDE beginnt jedoch lange vor Dworkowitsch. Der erste übernationale Schachverband, der Deutsche Schachbund, wurde 1877 gegründet und nahm ausländische Vereine als Mitglieder auf. Dies war ein bedeutender Schritt in Richtung eines weltweiten Schachdachverbands, doch der Erste Weltkrieg unterbrach diese Bemühungen.

Am 20. Juli 1924 wurde in Paris die Weltschachföderation FIDE gegründet. Zu dieser Zeit war Deutschland wegen der Kriegsschuld ausgeschlossen, und die Sowjetunion zeigte zunächst kein Interesse an einem bürgerlich geprägten Verband, da sie sich auf Arbeiterorganisationen konzentrierte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das. Die Sowjetunion organisierte Schach als Sport und dominierte bald die Szene. Im Einklang mit der Schdanow-Doktrin sollten sowjetische Meister die Überlegenheit des kommunistischen Systems gegenüber dem Westen demonstrieren. 1947 trat die Sowjetunion der FIDE bei, und nach dem Tod von Alexander Aljechin übernahm die FIDE die Kontrolle über die Weltmeistertitel. 1948 wurde Michail Botwinnik Weltmeister, und ab 1952 dominierte die Sowjetunion die Schacholympiaden.

Schach wurde zu einem Instrument der Imagepflege für die Sowjetunion. Mit der Dekolonisierung und Unterstützung der Sowjetunion half der philippinische Politologe und Schachorganisator Florencio Campomanes dabei, Schachverbände in vielen Ländern zu etablieren. Diese neuen Stimmen sicherten ihm die FIDE-Präsidentschaft.

1995 übernahm der russische Provinzoligarch Kirsan Iljumschinow die Führung der FIDE. Sein größter Erfolg war die Anerkennung durch das IOC im Jahr 1999, was Schach in vielen Ländern als Sport etablierte und Zugang zu Subventionen ermöglichte. Trotz Kontroversen und seiner informellen Unterstützung für Putins Außenpolitik konnte Iljumschinow die FIDE stabil halten.