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100 Jahre FIDE mit der Lasker-Gesellschaft

EMANUEL-LASKER-GESELLSCHAFT FEIERTE 100 JAHRE FIDE

23. Juli 2024

Thomas Weischede stellt die Projekte der Emanuel-Lasker-Gesellschaft vor

Frank Hoppe
Thomas Weischede stellt die Projekte der Emanuel-Lasker-Gesellschaft vor

Am 20. Juli 2024 wurde der Weltschachverband FIDE 100 Jahre alt. Weltweit gab es dazu an diesem Tag verschiedene Veranstaltungen, u.a. einen Weltrekordversuch mit den am meisten gespielten Schachpartien an einem Tag, der erfolgreich zu Ende ging.

In Berlin hatte die "Emanuel Lasker Gesellschaft" (ELG) zur Veranstaltung "We celebrate chess - 100 Jahre FIDE" aufgerufen. Austragungsort der historischen Vortragsreihe war der "World Chess Club Berlin", der seit 2023 sein Domizil in den Kaiserhöfen, Unter den Linden 26-30, in Berlins Mitte, aufgeschlagen und fast täglich geöffnet hat.

Kernpunkt der Vortragsreihe waren drei jeweils halbstündige Referate von Frank HoffmeisterHerbert Bastian und Michael Dombrowsky. Die Lasker-Gesellschaft konnte rund 30 Gäste begrüßen, darunter DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach und den Gründungsvorsitzenden der Gesellschaft, Paul Werner Wagner. Kaffee und Kuchen sowie alkoholfreie Getränke wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

Prof. Dr. Frank Hoffmeister (54) ist Präsident der Vereinigung der Schachliteratursammler und -historiker "Chess History & Liturature Society", die im November 2003 als "Ken Whyld Association" gegründet wurde. Aus seiner Feder ist ein fast 440 Seiten starkes Buch über 30 Schachmeister aus den Jahren 1735 bis 1894 entstanden, welches 2022 in englischer Sprache erschien. Im Mittelpunkt des Buches stehen neben den Biographien der Meister Analysen der Schachmeister über die Schachtheorie. Ein Teil seines Materials hatte Hoffmeister bereits für Vorträge für seinen belgischen Schachklub recherchiert.

Für die Veranstaltung der "Emanuel Lasker Gesellschaft" hatte sich Hoffmeister das Kapitel über das "polnische Jahrzehnt" von 1872 bis 1885 ausgesucht. Drei polnische Schachmeister prägten diesen Zeitraum:

  • Samuel Rosenthal (1837-1902) war ein erfolgreicher Schachmanager, der 1858 das erste Mal im berühmten Café de la Régence in Paris auftauchte. Daniel Harrwitz war dort als Berufsspieler angestellt, wurde aber nach der Matchniederlage gegen den aus den USA angereisten Paul Morphy praktisch rausgeworfen. Mit Rosenthal fand sich ein würdiger Nachfolger für Harrwitz.
  • Szymon Winawer (1838-1919) gehörte in seiner besten Zeit zur Weltspitze. Seine Mutter hielt Schach allerdings für Zeitverlust. Nach Winawer sind einige Eröffnungsvarianten benannt.
  • Johannes Hermann Zukertort (1842-1888) gehörte ebenfalls zur Weltspitze. Er war ein Weltenwanderer, Hoffmeister nennt ihn einen "europäischen Bürger mit polnisch-jüdischen Wurzeln". Das Colle-System ging aus seinem System hervor, so Hoffmeister. Da sich Zukertort aber wenig um ausführliche Analysen seiner Varianten kümmerte, ist die Benennung des Systems nach Colle gebräuchlicher.

Buch bei Schach-Niggemann | Interview von ChessBase mit Hoffmeister

Herbert Bastian (71), DSB-Präsident von 2011 bis 2017, widmet sich seit mindestens 2014 intensiv der Schachgeschichte, wobei er sich besonders auf die französische konzentriert hat. Fasziniert hat ihn dabei insbesondere das Manuskript von Chapais, der sich schon im 18. Jahrhundert ausführlich mit der Schachtheorie beschäftigte. Das Manuskript wurde nie als Buch fertiggestellt.

Bastian stieß auf dieses Manuskript, nachdem er sich mit dem Endspiel K+2S gegen K+B beschäftigte. Chapais formulierte erstmals die Theorie dieses Endspiels. Nachdem Bastian im Manuskript auf mathematische Begriffe wie "korrolar" traf, vermutete er hinter dem Autor einen Mathematiker. Bastian studierte selbst Mathematik und Physik. Er besorgte sich Handschriftenproben französischer Mathematiker aus dieser Zeit und fand heraus, das die Handschrift von Gaspard Monge (1746-1818) sehr ähnlich derjenigen von Chapais ist. Bastian hält "Chapais" demnach für ein Pseudonym von Monge.

Der in Hamburg lebende gebürtige Berliner Michael Dombrowsky (77) widmete sein drittes Buch dem Berliner Großmeister Friedrich Sämisch (1896-1975), den er selbst fünfmal traf und der der Schachwelt durch skurile Geschichten und Anekdoten bekannt ist. Eine der bekanntesten ist die Geschichte vom Schachturnier in Büsum 1969, bei dem Sämisch alle 15 Partien durch Zeitüberschreitung verlor. Auch seine Gabe, Blindschach perfekt zu beherrschen, ist legendär. Er gab oft wöchentlich Blindsimultane an 10-12 oder auch 20 Brettern. Einige der Anekdoten über Sämisch wurden aber mit der Zeit verfälscht, wie Dombrowsky bei seinen Recherchen feststellte.

Die Idee zu einer umfassenden Biographie über Sämisch hatte Dombrowsky schon vor etwa 20 Jahren. Damals gab es nur eine 1987 erschienene Sämisch-Broschüre von Helmut Wieteck (1930-2018), in einer Großmeister-Biographien-Reihe des Münster-Verlages. Auf den 93 Seiten gab es allerdings nur 11½ Seiten über Sämischs Leben, der überwiegende Teil waren Sämisch-Partien.
Dombrowsky tauchte für die Biographie in viele historische Schachzeitungen und Archive ab und förderte dabei so einiges zu Tage, was bisher über Sämisch unbekannt oder vergessen war.

Sämisch hatte sechs Geschwister, von denen drei früh verstarben. Sein Vater kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben, während seine Mutter 99 Jahre alt wurde und nur zwei Jahre vor ihm starb.

Buch bei Schach-Niggemann

Die unbeantwortete Turniereinladung

Die Einladung für das Turnier 1925 in Baden-Baden ließ Sämisch unbeantwortet. Siegbert Tarrasch erinnerte mit einer Postkarte Sämisch an das Versäumnis, worauf dieser kurzfristig doch noch zusagte.

Tarraschs Postkarte an Sämisch

Frank Hoppe
Tarraschs Postkarte an Sämisch

München, 24.3.25

Werter Herr Sämisch!

Sie haben meinen eingeschriebenen Brief unbeantwortet gelassen. Die Sache verträgt jedoch keine dilatorische Behandlung. Falls ich nicht auf diese Mahnung binnen drei Tagen befriedigende Antwort erhalte, muss ich Sie leider von der Turnierliste streichen.

Mit freundlichem Schachgruss
Ihr ergebenster S. Tarrasch

ChessBase-Interview mit Michael Dombrowsky

150 Jahre Deutscher Schachbund im Jahr 2027

Mit dem Gesicht zur Kamera: Hans Bodach, Elke Rehder, Andreas Lange, Ingrid Lauterbach, Nils Altenburg, Bernd-Peter Lange und André Schulz

Frank Hoppe
Mit dem Gesicht zur Kamera: Hans Bodach, Elke Rehder, Andreas Lange, Ingrid Lauterbach, Nils Altenburg, Bernd-Peter Lange und André Schulz

Vor der Veranstaltung der "Emanuel Lasker Gesellschaft" hatte Herbert Bastian zu einem Treffen mit Schachhistorikern und schachhistorisch interessierten Personen eingeladen. Dazu gehörten neben DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach u.a. auch der CH&LS-Präsident Frank Hoffmeister, ELG-Vorsitzender Thomas WeischedeAndré Schulz (ChessBase; DSB-Beauftragter für Schachgeschichte und Schachkultur) und Andreas Lange, akribischer Erforscher der Berliner Schachgeschichte.

Bastian arbeitet an einem Buch zum 150. Jahrestag der Gründung des Deutschen Schachbundes im Jahr 2027 und tauschte mit dem Kreis Erfahrungen, Möglichkeiten und Schwerpunktthemen aus.

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