Wadim Rosenstein zieht seine DSB-Kandidatur zurück

Vier Wochen vor dem DSB-Kongress beendet Wadim Rosenstein seine Kandidatur als Präsident. Nachdem er bis vor wenigen Tagen als einziger Kandidat bereitgestanden hatte, die Präsidentschaft zu übernehmen, hat sich nun mit Ingrid Lauterbach eine zweite Kandidatin offenbart. Der Unternehmer aus Düsseldorf sagt, seine erste Begegnung mit dieser überzeugenden Gegenkandidatin habe den Ausschlag gegeben, seine Kandidatur zurückzuziehen. Der DSB habe jetzt eine Perspektive, und “ich kann mich meinen Projekten widmen”.

Ende Februar hatte sich beim DSB ein die Existenz bedrohendes Finanzloch offenbart. Am 28. Februar verkündete Ullrich Krause, DSB-Präsident seit 2017, dass er nicht wieder antritt. Tags darauf beschloss Wadim Rosenstein zu kandidieren. Keine zwei Wochen später stand sein Schattenpräsidium inklusive Wahlprogramm, Kampagnenwebsite und Kandidatur-Interview. “Ein beispielloser Vorgang rund um den DSB, ein Vorgeschmack auf Entschlusskraft und Handlungsstärke”, kommentierte diese Seite.

Nun endet die Kandidatur des Rosenstein-Präsidiums knapp vier Wochen vor der Wahl. Ein Interview mit Wadim Rosenstein über die Gründe für den Rückzug, einen gelöschten Beitrag im Schach-Ticker und Rosensteins weitere Pläne in Sachen Schach:

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Herr Rosenstein, Sie ziehen Ihre Kandidatur zurück?

Ja.

Warum?

Ich wollte dem deutschen Schach aus einer schwierigen Lage helfen. Anfangs sah es aus, als sei ich der Einzige, der sich dieser Herausforderung stellt. Jetzt bewirbt sich mit Ingrid Lauterbach eine gute Präsidentschaftskandidatin. Beim Online-Treffen von Michael S. Langer vor einigen Tagen habe ich sie kennengelernt und war sehr angetan. Diese Begegnung hat den Ausschlag gegeben, nicht anzutreten. Ich freue mich, dass sich neben mir noch jemand gefunden hat, der in einer schwierigen Phase diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen möchte. Der Deutsche Schachbund hat mit ihr eine Perspektive, das ist mir im Sinne unseres Verbands wichtig. Ich kann mich jetzt meinen eigenen Projekten widmen.

Gab es Widerstand gegen Ihre Kandidatur?

In den vergangenen Wochen habe ich Aufgeschlossenheit erlebt, naturgemäß auch Skepsis. Wir haben mit zahlreichen Vertretern von Landesverbänden gute, aufschlussreiche Gespräche geführt. Uns alle verbindet der große gemeinsame Nenner, der Schachsport.  

Hätte auch Ihr ambitioniertes, forsches Programm alle Beteiligten verbunden?

Ich war angetreten, dem DSB zu helfen, ein Ziel, das sicher alle Menschen verbindet, die sich im Schach engagieren. Angesichts der Notlage unseres Verbands hatte ich gar nicht damit gerechnet, dass sich noch jemand findet, um diese Aufgabe anzugehen. Das hat sich nun geändert.

Tandem, Wadim Rosensteins liebste Schachvariante, spielte beim Superturnier “WR Chess Masters” im Februar in Düsseldorf eine zentrale Rolle. Hier spielt Rosentein an der Seite von Levon Aronian eine andere Variante: “Hand and Brain”. | Foto: Lennart Ootes/WR Chess

Sie erklären Ihren Rückzug wenige Tage nach dem Erscheinen eines kritischen Beitrags beim Schach-Ticker. Hängt das zusammen?

Der Zusammenhang ist ein anderer. Kritik stört mich nicht, ich finde sie wichtig und bin dafür offen. Wer je mit mir zusammengearbeitet hat, der weiß, dass ich immer möglichst viele Meinungen hören möchte, auch solche, die ich nicht teile.

In diesem Fall wollten Sie die Veröffentlichung nicht hinnehmen. Warum?

Weil vieles von dem, was dort stand, nicht stimmte. Dass der Beitrag jetzt nicht mehr online ist, zeigt ja, dass der Schach-Ticker deswegen Bedenken hatte.

Einige Websites, auf denen Sie vorkommen, sind nachträglich geändert worden. Als etwa die FIDE am 12. September 2022 die von Ihnen angestoßene Team-WM in Düsseldorf ankündigte, führte die FIDE-Seite Sie unter russischer Flagge. Einen Tag später war die russische Flagge verschwunden, stattdessen eine deutsche.

Mir war die falsche Flagge am 12. September aufgefallen, und ich habe den DSB und die FIDE sofort gebeten, das zu korrigieren. Weder war ich jemals beim russischen Verband registriert, noch habe ich die russische Staatsangehörigkeit. Die Ursache war ein Fehler in der Bürokratie, der vor beinahe 20 Jahren bei der Deutschen Jugend-Vereins-Mannschaftsmeisterschaft passiert ist. Während dieses Turniers spielte ich im Team von Köln-Mülheim aus einem heute nicht mehr nachvollziehbaren Grund gleichzeitig unter drei Flaggen, der ukrainischen, der deutschen und der russischen. Damals hat mich das nicht interessiert und auch sonst niemanden.

Flaggen-Durcheinander in Köln-Mülheim: Wadim Rosenstein als Ukrainer bei der Deutschen Jugend-Vereinsmannschaftsmeisterschaft.

Beim Moskau Open 2022 haben Sie am Rahmenprogramm teilgenommen, einem Tandem-Turnier. Sie wurden als Sponsor geführt. Auf der Website war ursprünglich von einem „WR Chess Club“ und Ihnen als Direktor dieses Clubs die Rede.

Es gibt keinen „WR Chess Club“, das ist eine Erfindung. Ich habe die Organisatoren gebeten, das zu entfernen. Außerdem: „Sponsor“ erscheint mir stark übertrieben. Wahr ist, ich habe die Gelegenheit genutzt, im Rahmenprogramm des Opens Tandem zu spielen. Und ich habe einen kleinen Preis für die Gewinner des Tandemturniers ausgeschrieben. Leider bin ich mit meinem Partner nur Dritter geworden. All das ist lange bekannt.

Im Zusammenhang mit dem Karjakin-Foto gab es den Versuch, auf der Website des russischen Schachverbands Ihre Spuren verschwinden zu lassen. Verschiedentlich wurde an anderen Stellen kolportiert, sie seien Miteigentümer eines Moskauer Schachklubs.

Das Turnier, bei dem das Foto entstand, war ein Wettbewerb von Geschäftsleuten, eine private Veranstaltung, bei der ich nie die Zustimmung gegeben hatte, zum Gegenstand der Berichterstattung zu werden. Ich habe keine engeren Verbindungen zu irgendeinem Schachklub in Moskau, geschweige denn bin ich Miteigentümer eines Klubs.

Als im September 2022 Wadim Rosenstein mit einer ganzen Reihe von Schachprojekten für Aufsehen sorgte.

Und nun? Hat das deutsche Schach Sie verloren?

Natürlich nicht. In Düsseldorf setze ich mein Engagement fort, und ich werde mich weiter meinen anderen Schachprojekten widmen, auch mit der Deutschen Schachjugend. Aber jetzt wünsche ich mir erst einmal, dass der Deutsche Schachbund den richtigen Weg einschlägt. Es gibt viel zu tun, dafür wünsche ich allen denkbaren Erfolg. Ich hoffe, dass die unmittelbaren Probleme beim DSB bald geklärt sind, sodass unser Verband neue Aufgaben angehen kann. Eine deutsche Bewerbung für die Schacholympiade 2028 zum Beispiel würde mich sehr freuen.

Die Team-WM in Düsseldorf ist für den 26. bis 28. August angekündigt. Bleibt es dabei?

Selbstverständlich. Eine WM in Düsseldorf war immer mein Traum, darüber haben wir ja vor einigen Monaten schon gesprochen. Jetzt ist es soweit, und ich hoffe, dass es deutschen Spielerinnen und Spielern gelingt, einen Weltmeistertitel nach Deutschland zu holen. Bei diesem Turnier werde ich zusätzlich einen Rainer-Niermann-Preis an eine U20-Spielerin oder einen U-20-Spieler für die beste Partie verleihen. Rainer war mein Freund, niemand soll sein Engagement vergessen.

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Daniel Hendrich
Daniel Hendrich
1 Jahr zuvor

Huch, also doch keine Gehaltserhöhung für PMD?
Jetzt darf man gespannt sein, welches Team Frau Lauterbach hinter sich versammeln kann. Ich wünsche ihr dafür alles Gute, der DSB kann es gebrauchen.

Rafael Müdder
Rafael Müdder
1 Jahr zuvor

Sehr cool von ihm. Ich hätte dann direkt Gänsehaut als ich das mit Rainer Niermann gelesen habe. Danke!

schachkatze
schachkatze
1 Jahr zuvor

In diesem Fall wollten Sie die Veröffentlichung nicht hinnehmen.

Stimmt es, dass Rosenstein dem Schach-Ticker wegen des Artikels mit Anwälten gedroht hatte? Im Schachfeld-Forum wurde das geschrieben.

Bicker
1 Jahr zuvor

Herr Rosenstein wird im Artikel zitiert “Mir war die falsche Flagge am 12. September aufgefallen, und ich habe den DSB und die FIDE sofort gebeten, das zu korrigieren.” Wer beim DSB wusste im September 2022, dass ein Irrtum bei der Flagge/ Startland vorlag? Ist es laut den Regularien der FIDE möglich und zulässig, dass viele Jahre nach der erfolgten Eintragung der Flagge (Startland) und dessen Beanstandung des seinerzeitigen Flaggeneintrages am 12.September (2022) noch am gleichen Tag eine Änderung der Flaggen vorgenommen wird? Als ich heute auf chess.com schaute, war bei Wadim Rosenstein keine deutsche Flagge angegeben: — https://www.chess.com/ru/member/wadimrosenstein — (Russisch)… Weiterlesen »

Gerhard Schreiber
Gerhard Schreiber
1 Jahr zuvor

Schade, ich hätte Herrn Rosenstein gerne als Präsident gesehen. Aber jetzt wünsche ich Frau Lauterbach alles Gute für ihre Kandidatur! Ich kenne sie zwar nicht persönlich, aber ich vertraue dem positiven Votum von Herrn Rosenstein.

Ludger Keitlinghaus
Ludger Keitlinghaus
1 Jahr zuvor

Klingt (aus diesseitiger Sicht) nicht schlecht :
Beim Online-Treffen von Michael S. Langer vor einigen Tagen habe ich sie kennengelernt und war sehr angetan. Diese Begegnung hat den Ausschlag gegeben, nicht anzutreten. [Wadim Rosenstein]
Sicherlich ist Ingrid Lauterbach in Ordnung, viele Grüße auch an Klaus !

Mit freundlichen Grüßen
Ludger Keitlinghaus

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[…] wurde nicht am Samstag, sondern einen Monat vor dem Kongress entschieden: mit dem Rückzug des Kandidaten Wadim Rosenstein. Der hatte bei seiner virtuellen Kennenlernreise durch die […]

Joschi
Joschi
1 Jahr zuvor

Darüber, dass Lauterbach der englischen Föderation angehört (und daher auch keine deutsche Flagge bei ihr wo auch immer angezeigt wird), beschwert sich hier niemand …