Handy in der Socke: FIDE sperrt niederländischen Teenager wegen Betrugs

Ein Jahr nach dem Socken-Handy-Betrugsfall von Vlissingen hat die FIDE jetzt ein Urteil gefällt: Der niederländische Spieler Joeri Harreman wird für 36 Monate gesperrt, davon 12 Monate auf Bewährung. Das entschied jetzt die Ethik- und Disziplinarkommission (EDC) des Weltverbands.

Harreman war beim HZ University Chess Tournament 2024 in Vlissingen mit einem Handy in seiner Socke erwischt worden. Nach einer Serie auffälliger Ergebnisse hatten Schiedsrichter den 19-Jährigen ins Visier genommen. Nach einem Toilettengang wurde er kontrolliert. Zunächst verweigerte Harreman die Durchsuchung, ließ sich dann aber scannen. Der Metalldetektor schlug an, das Handy kam zum Vorschein. Auf die Aufforderung, das Gerät einzuschalten, reagierte er nicht – „ein Handy ist privat“, soll er gesagt haben.

Berichterstattung bei chess.com.

Wie chess.com berichtet, behauptete Harreman in seiner Verteidigung, das Gerät versehentlich am Körper getragen und in Panik reagiert zu haben. Das überzeugte die FIDE-Kommission nicht. Sie stützte sich auf die Aussage der Schiedsrichter, die das Verstecken des Telefons dokumentierten, sowie auf die Analyse des Fair-Play-Panels. Dessen Gutachter Kenneth Regan prüfte Harremans Partien mit einem statistischen Modell, das ungewöhnlich hohe Übereinstimmungen mit Computerzügen erkennt. Seine Auswertung ergab, dass Harremans Entscheidungen deutlich präziser waren, als es selbst für sehr starke Spieler üblich ist – ein Hinweis auf mögliche Hilfe durch eine Schachengine.

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Bereits 2024 hatte diese Seite über den Vorfall berichtet – damals noch ohne Namensnennung. Harreman, ein Vereinsspieler mit einer nationalen Wertungszahl unter 1700, war damals durch nahezu fehlerfreies Spiel aufgefallen. Nach einem Sieg gegen FM Esper van Baar hatte dieser den Schiedsrichter per E-Mail auf seinen Verdacht aufmerksam gemacht. In der folgenden Runde spielte Harreman an einem Live-Brett, wo ein Metalldetektor vorgeschrieben war – er verlor klar. Eine Runde später wurde das Handy entdeckt.

Laut dem Bericht des Chef­schiedsrichters Bart De Vogelaere, auf den sich die FIDE-Entscheidung stützt, geschah der Fund in Runde 7 des Turniers. In dieser Runde spielte Joeri Harreman nicht an einem der Live-Bretter, wo die Spieler beim Betreten des Saals routinemäßig mit einem Metalldetektor kontrolliert wurden. Er hatte also Zugang, ohne vorab gescannt zu werden.

Kurz nach Beginn der Partie verließ Harreman den Spielsaal und ging auf die Toilette – ein Verhalten, das den Schiedsrichtern bereits als verdächtig aufgefallen war. Sie beschlossen, ihn beim Zurückkommen zu kontrollieren. Zwei Schiedsrichter warteten daher vor dem Saal, um den Spieler nach seiner Rückkehr mit einem Handscanner zu überprüfen.

Harreman weigerte sich zunächst mehrfach, die Kontrolle zuzulassen. Erst nachdem ihm erklärt wurde, dass seine Partie sonst als verloren gewertet und er vom Turnier ausgeschlossen würde, willigte er ein. Der Scan schlug an – unten am Bein. Als er die Hose etwas hochzog, entdeckten die Schiedsrichter ein Mobiltelefon in seiner Socke.

Laut Protokoll erklärte Harreman zunächst, es sei „ganz normal“, ein Handy dort zu tragen, und behauptete, er habe es vergessen. Der Aufforderung, das Gerät vorzuzeigen, kam er nicht nach. Begründung: Das Telefon sei „privat“. Diese fehlende Kooperation wog für die Turnierleitung und später auch für die FIDE-Disziplinarkommission besonders schwer. Die Partie wurde sofort für verloren erklärt, Harreman aus dem Turnier ausgeschlossen und der Fall an die FIDE gemeldet.

Ein Disziplinarausschuss des niederländischen Schachverbands hatte den Fall zunächst milder bewertet. Da nicht bewiesen werden konnte, dass Harreman das Telefon während der Partie benutzt hatte, wurde nur ein „Fair-Play-Verstoß“ festgestellt. Erst nach Vorlage von Regans Bericht griff die FIDE ein und urteilte selbst. Sie betonte ihre Zuständigkeit für internationale Turniere und wertete den Vorfall als Cheating in Verbindung mit fehlender Kooperation.

Als strafmildernd erkannte die Kommission Harremans junges Alter, seine bislang weiße Weste und gezeigte Reue an. Ein Drittel der Sperre bleibt daher zur Bewährung ausgesetzt.

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Der Fall ist bereits der zweite bekannte Betrugsfall im Rahmen des Vlissingen-Turniers. 2022 hatte die FIDE einen Spieler aus Singapur zwei Jahre lang gesperrt, nachdem dieser gestanden hatte, bei der Ausgabe von 2019 mit dem Handy betrogen zu haben. Mit dem nun veröffentlichten Urteil hat der Weltverband eine klare Linie gezogen: Wer ein verstecktes Telefon am Körper trägt und den Schiedsrichtern die Kooperation verweigert, gilt als überführt – auch ohne direkten Nachweis der Nutzung.

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Tara
Tara
1 Monat zuvor

Die Dunkelziffer auf Amateur-Veranstaltungen wird sicher deutlich höher sein als man vermutet. Eigene Beobachtungen, angefangen vom Vereinsturnier, Liga-Spielen und Open-Turnieren lassen mich das doch sehr stark vermuten. Wo Gelegenheit ist, da werden die Möglichkeiten auch genutzt. In vielen Vereinen wird das Thema Betrug immer noch verschämt bagatellisiert, weil man mit der praktischen Umsetzung von Kontrollen überfordert ist und deshalb oft den Kopf leider weiter tief in den Sand steckt.

Gekürzt – Whataboutism und Scheinvergleich entfernt, Anm. d. Red.

Sosi
Sosi
27 Tage zuvor

Vieles deutet darauf hin, dass der junge Mann etwas falsch gemacht hat. Die Beweislage und die Schlussfolgerungen sind stellenweise etwas dürftig, wie oft in diesen Fällen. Es ist für mich nachvollziehbar, dass ein junger Mann sein Smartphone nicht einem Tribunal alter Männer überlassen möchte, die dann genüsslich den Inhalt sezieren, möglicherweise mit Bildern seiner Freundin usw.. Von daher stellt die Nichtherausgabe eines Smartphones bei einem Amateurspieler kein zwingendes Schuldeingeständnis dar.

Peter
Peter
1 Monat zuvor

Die Strafen (Sperren) für Jugendliche sind viel zu hoch.
Immerhin sind es „nur“ Amateure.
Möchte nicht wissen wie auf Turnieren z.B. auf Bezirksebene gefuscht wird.

Ingo Althöfer
Ingo Althöfer
1 Monat zuvor

Keine Ruhe läßt mir der Satz des Spielers, es sei normal, das Smartphon in der Socke zu tragen.

In den Niederlanden zählen die Hockey-Damen zu den populärsten Sportlerinnen. Mit Schienbein-Schoner sieht es manchmal so aus, als hätten sie Smartphones unter den Stutzen (Beispiel Yibbi Jansen). Jetzt habe ich von einer KI ein Fantasie-Bild einer Gruppe von Hockey-Spielerinnen malen lassen, die in ihrer Freizeit allesamt Smartphones in den Socken tragen. [Bitte das Bild löschen, wenn es als anstößig empfunden wird.]

nl-hockey-spielerinnen
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