Ich habe eine komplette Medaillensammlung aus Batumi mitgebracht“, schreibt Josefine Safarli – Bronze für sie, Silber für das Team ihres Mannes Eltaj Safarli, und Gold für ihn am dritten Brett: „Ich bin so stolz!“ Safarli erzählt in ihrem Blog, wie sie früh allein anreiste, um am Schwarzen Meer zur Ruhe zu kommen, wie aus täglichen Taktikübungen am Laptop und gemeinsamen Abenden mit dem Team eine Einheit wurde.
Diese Einheit holte die erste deutsche Medaille der Frauen seit 1978, früh im Turnier erarbeitet. Der 2,5:1,5-Sieg in Runde drei gegen Topfavorit Georgien war eine erste Ansage, dass mit diesem Team zu rechnen ist. Als in der letzten Runde der Schlussakkord gegen Bulgarien misslang, war Bronze längst so gut wie sicher.
Bundestrainer Zahar Efimenko nannte den dritten Platz laut DSB-Website ein „großartiges Ergebnis“. Und weiter: „Ein super Turnier für das gesamte Team. Ich bin sehr stolz auf die Mädels. Sie haben eine hohe Qualität gezeigt und unglaublich konstant gespielt.“ Auch Barbara Hund, Teil der deutschen Medaillenmannschaft 1978, gratulierte zu „dem tollen Erfolg“.
Vor dem Hintergrund vergangener Wettbewerbe waren Ausgeglichenheit und Konstanz der Mannschaft bemerkenswert. Niemand fiel ab, und es wurden kaum Punkte verschenkt. Kateryna Dolzhykova gewann Gold am fünften Brett, Hanna Marie Klek Bronze am zweiten Brett. Speziell Klek spielte ein starkes Turnier, zäh in der Defensive, schnörkellos, wenn sich Gelegenheiten boten, dazu der eine oder andere Kombinationswirbel.
IM-Norm ohne Wert
Tatsächlich bedeutet ihr Ergebnis die dritte IM-Norm für die einzige Spielerin im Team, die nicht ausschließlich auf Schach setzt. Nur ist die Norm nicht viel wert. Aktivensprecherin Safarli erklärte auf Anfrage: „Es war eine Norm, aber sie bringt Hanna nichts. Sie braucht noch eine aus einem Einzel-Schweizer-Systemturnier oder aus einem Quali-Turnier für die WM.“ Das habe sie so bestätigt. Insofern fehlt Klek zum IM-Titel weiterhin eine Norm und der Sprung über 2400. In Batumi hat sie gut 29 Elo gewonnen und steht jetzt bei 2357.

Team im Umbruch
Zu den Müttern des Erfolgs kommen zwei Väter, die mit Lara Schulze die Bremen-Niedersachsen-Ukraine-Connection im Nationalteam bilden. Bundestrainer Efimenko und sein Co-Trainer Vladimir Baklan stehen für den Umstand, dass sich im und um das Team gerade erst einiges geändert hat.
Efimenko ist erst drei Monate im Amt, seitdem sich der DSB vom bei den Spielerinnen beliebten, aber sportlich erfolglosen Yuri Yakovich getrennt hat. Nach ihrer Premiere 2022 ist Schulze erst seit 2024 festes Mitglied des Teams; die aus der Ukraine eingewanderte Dolzhykova seit 2025. Die langjährige Anführerin Elisabeth Pähtz fehlte. „Offiziell, weil sie schwanger ist, nach F.A.Z.-Informationen aber in Wahrheit wegen Differenzen mit der Präsidentin des Deutschen Schachbunds, Ingrid Lauterbach“, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Lara Schulze berichtet in ihrem Blog von Episoden am Rande – einem abgebrochenen Schuhabsatz mitten in der Partie oder dem gemeinsamen Khinkali-Essen nach der Siegerehrung. Die Europameisterschaft beschreibt sie als „eine einzigartige Erfahrung“. Den Erfolg führt sie auf den Teamgeist zurück. Direkt nach der EM reist sie weiter nach Rhodos zum European Club Cup, wo sie für Werder Bremen in der offenen Kategorie spielt.

Die Geschichte dieser Europameisterschaft ist die Goldmedaille der ukrainischen Mannschaft, dazu das Silber der ukrainischen Frauen. Zwei EM-Siege in vier Jahren sind den Ukrainern gelungen, diesmal unter den Bedingungen eines Krieges, der in den Alltag jedes Teammitglieds eingreift, in einem Land, in dem zahlreiche Clubs ausgebombt sind, mehrere Schachspieler im Krieg gestorben, und in dessen besetzten Gebieten der Schachsport Putin-Russland als Werkzeug dient, um die Jugend zu russifizieren.
Für die Ukraine mit ihrem neuen Schachpräsidenten war die Europameisterschaft ein Prestigeprojekt. Den Verband führt seit einigen Monaten Oleksandr Kamyshin, ehemaliger Zelenskyi-Berater und Minister für Industrie, ein Indiz, dass Schach auch in der Ukraine viel mehr ist als ein Sport unter diversen anderen.
Das Projekt zum Erfolg zu führen, oblag vier Veteranen und einem Junior. Ruslan Ponomariov, Andrei Volokitin, Anton Korobov, Igor Kovalenko und Igor Samunenkov gewannen in Batumi vor Aserbaidschan und Serbien. Knapp: Nach fünf Runden führte die Ukraine, dann kam das 1,5:2,5 gegen Aserbaidschan, und schließlich das 2,5:1,5 gegen England in der Schlussrunde, während Aserbaidschan gegen Serbien verlor.

Igor Kovalenko war die prägende Figur des Turniers. Drei Jahre lang hatte der 36-Jährige kein Turnierschach gespielt, weil er als Soldat an der Front diente – zwölf Stunden täglich, ohne Wochenende, in Schützengräben „mit Mäusen und ständigem Dreck“, wie er in einem Interview sagte. Wenige Monate vor Batumi nahm er das Training wieder auf, spielte zur Vorbereitung ein Turnier und ein Match. In Georgien gelangen ihm 6,5 Punkte aus 8, die beste Bilanz des gesamten Turniers, individuelles Gold. Kovalenko sagte nach dem Turnier: „Ich glaube, der Krieg wird im weiteren Sinne nie enden.“ Aber für zwei Wochen erlebten er und seine Mitstreiter das Gefühl, eine Mannschaft zu sein.
Beispiellos ist die Kovalenko-Geschichte nicht. Der Guardian führte eine Parallele auf: Alexander Tolush, der im Zweiten Weltkrieg als sowjetischer Panzeroffizier diente, 1944 in seiner Armeeuniform an der UdSSR-Meisterschaft teilnahm und dann an die Front zurückkehrte, um am Sturm auf Berlin teilzunehmen. Während der 13. UdSSR-Meisterschaft in Moskau besiegte Tolush den späteren Turniersieger und Weltmeister Michail Botwinnik.

Neben Kovalenko ragte der 16-jährige Ihor Samunenkov heraus. Sein Sieg über Luke McShane in der letzten Runde entschied das Turnier und war ein Zeichen, dass für die in die Jahre gekommenen Mannschaft doch Nachwuchs in Sicht ist. Kirill Shevchenko (23), einst größte Schachhoffnung des Landes, war nach dem Überfall auf seine Heimat zum rumänischen Verband gewechselt. Nun ist er wegen Cheatings gesperrt und hat seinen Großmeistertitel verloren.

Die Geschichte der deutschen Männer ist eine ohne glückliches Ende, was mit dem missglückten Beginn zusammenhängt. Rasmus Svane hat sich jetzt mehr als zwei Stunden Zeit genommen, sie zu erzählen und seine Partien zu zeigen. Darin geht es um Anstrengung, Enttäuschung, um Teamgeist und einen Endspurt, der nicht ganz reichte, um doch noch eine Erfolgsgeschichte zu schreiben.
Vincent Keymer, Matthias Blübaum, Dmitrij Kollars, Frederik und Rasmus Svane waren laut Svane zwei Tage vor Turnierbeginn nach Georgien gereist. „Man ist von der Reise müde, und wenn man dann sofort in die Vorbereitung muss, ist das ein Nachteil“, sagt Svane. Der Auftakt gegen Dänemark – sein Geburtsland – ging verloren. Kollars stellte seine Partie ein, Svane selbst machte früh remis. „Ich war einfach noch nicht im Turnier.“
Dmitrij Kollars traf die Niederlage hart. Nach seiner unglücklichen Auftaktpartie war er angeschlagen. Bundestrainer Jan Gustafsson ließ ihn zunächst pausieren – eine nachvollziehbare, aber schwierige Entscheidung in einer Konstellation, die sich nicht günstig auflösen lässt. „Er hat dann zwei Partien ausgesetzt, was nach einer Niederlage normal ist“, sagt Svane. „Aber natürlich ist es hart, wenn man weiß, man hätte dem Team helfen können.“
Später im Turnier geriet Kollars erneut unter Druck – in einer kritischen Partie gegen Bulgarien, in der das Team einen weiteren Punkt einbüßte. „Er hat eigentlich eine gute Stellung bekommen, aber die Partie lief komplett in die falsche Richtung“, erzählt Svane. „Das war extrem bitter, weil er einfach ein sehr guter Spieler ist, der normalerweise solche Stellungen hält.“ Trotz allem betont Svane, dass niemand Kollars etwas vorwarf. „So etwas kann jedem passieren“, sagt er. „Wir haben das als Team getragen.“
Nach dem Fehlstart gewann Deutschland souverän gegen die Schweiz und Georgien. Keymer punktete regelmäßig, Frederik Svane fand zu stabiler Form zurück, Blübaum erkämpfte sich wieder Selbstvertrauen. „Wir hatten eigentlich immer gute Stellungen, aber die Brettpunkte kamen zur falschen Zeit.“, sagt Rasmus Svane. „Oft 3:1 gewonnen, aber die wichtigen Matches 2:2 gespielt.“
Im Verlauf des Turniers wurde die Belastung spürbar. Svane spricht offen über die Erschöpfung, die sich ab Runde sieben einstellte. „Man sieht uns vier Stunden am Brett, aber nicht die vier Stunden Vorbereitung davor. Gegen Ende war ich platt, da war nicht mehr viel im Tank.“

Nach seiner Niederlage gegen Alexey Sarana beschreibt Svane den Abend danach so: „Ich war zwei Stunden lang einfach nicht zu gebrauchen, komplett neben mir.“ Trotzdem setzte ihn Gustafsson in der letzten Runde noch einmal ein – „ein Zeichen von Vertrauen, das hat gutgetan“. Deutschland gewann das Abschlussmatch gegen die Niederlande. Matthias Blübaum besiegte Jorden van Foreest, während Keymer am Spitzenbrett gegen Anish Giri remisierte. Damit stand am Ende Platz vier.
Trotz der Enttäuschung beschreibt Svane die Atmosphäre im Team als geschlossen. „Klar, wir waren enttäuscht. Aber wir haben als Team zusammengehalten“, sagt er. „Wir hätten vielleicht keine Medaille verdient, aber wir waren nah dran.“ Während am Abend nach dem Turnier die Frauen ihr Bronze begossen, arbeiteten die Männer das Vergangene auf: „Die Mädels haben gefeiert, wir haben zusammengesessen und über das Turnier geredet.“
Welche Premiere 2022 für Lara Schulze? Damals spielten bei der Olympiade Pähtz, Heinemann, Klek, Wagner (erstmals für Deutschland und noch Brett 4) und Schneider. „festes Mitglied des Teams“ ist nach zwei bzw. für Dolzhykova einem Einsatz wohl voreilig. Wenn Pähtz wieder zur Verfügung stehen sollte muss eine Spielerin „aussortiert“ werden, es würde wohl Dolzhykova. Jana Schneider war 2021-2023 „festes Mitglied des Teams“, seither nicht mehr. Die Konstanten sind Pähtz (wenn sie will), nun auch Wagner, Klek (seit 2019 immer) und Heinemann/Safarli (seit 2021 immer). Vielleicht doch erwähnenswert, dass Josefine Safarli in ihrem Bericht auch Glück für das Team (und jedes… Weiterlesen »