Die britische Regierung investiert wieder in den Schachsport. Wie Finanzministerin Rachel Reeves jetzt beim „London ChessFest“ bekannt gab, wird ein Förderfonds in Höhe von 1,5 Millionen Pfund aufgelegt, der gezielt der Entwicklung von Schachtalenten dienen soll. Diese Maßnahme stellt eine Wiederaufnahme der staatlichen Schachförderung dar, nachdem diese Anfang des Jahres im Zuge von Budgetkürzungen vorübergehend eingestellt worden war. Ziel ist es, Englands ambitioniertesten Spielern den Weg zurück in die Weltspitze zu ebnen und international konkurrenzfähig zu bleiben.
Das kostenlose London ChessFest lockte am Sonntag über 20.000 Besucher auf den Trafalgar Square. Schauspieler stellten in Kostümen aus „Der Zauberer von Oz“ ein lebendes Schachspiel dar, Großmeister wie Michael Adams oder Nikita Vitiugov gaben Simultanvorstellungen, und in Zelten liefen dutzende Wettbewerbe. Eine Blindschach-Demonstration und ein Nachwuchsmatch zwischen Teams aus England und Nordamerika rundeten das Programm ab.
Reeves – selbst passionierte Schachspielerin – erklärte, man werde „1,5 Millionen Pfund bereitstellen, um Spitzenspieler ausfindig zu machen, zu fördern und auf ein Weltklasseniveau zu heben“. Der Betrag ist Teil eines umfassenden Pakets zur Jugendförderung in Höhe von insgesamt 500 Millionen Pfund, das die Regierung zeitgleich geschnürt hat. „Unsere besten Talente sollen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um eines Tages auf höchstem internationalen Niveau mitzuhalten“, sagt Reeves.
Die neue Initiative knüpft an ein früheres Förderprogramm an, das allerdings zwischenzeitlich ausgebremst war: Bereits 2023 hatte die Regierung unter Premierminister Rishi Sunak rund 500.000 Pfund für den englischen Schachsport bereitgestellt. Diese Summe – auf zwei Jahre angelegt – kam vor allem den englischen Nationalteams zugute. Weitere 250.000 Pfund flossen in die Aufstellung von Schachtischen in Parks – ein Projekt, das viel Kritik erntete, da die Steintische kaum genutzt und oft beschädigt wurden.
Die nun angekündigten 1,5 Millionen Pfund sollen zielgerichteter eingesetzt werden. Das Geld fließt vor allem in die Förderung vielversprechender junger Talente wie des 16-jährigen Großmeisters Shreyas Royal und der zehnjährigen Bodhana Sivanandan, die jüngste Spielerin im englischen Olympiakader. Beide Nachwuchshoffnungen wurden kürzlich von Reeves in der Downing Street empfangen. Trainingscamps, Trainerstipendien und internationale Wettkampfmöglichkeiten sollen Talente wie Royal und Sivanandan langfristig an die Weltspitze heranführen.
Historische Beispiele zeigen, dass eine fokussierte Förderung große Wirkung erzielen kann. In den 1970er- und 80er-Jahren verhalfen private Initiativen – etwa Geldpreise des Mäzens Jim Slater und das langjährige Sponsoring der Lloyds Bank – der einst unbedeutenden englischen Schachszene zu einem rasanten Aufstieg. Innerhalb weniger Jahre avancierte England vom Außenseiter zum Mitfavoriten und holte zwischen 1984 und 1988 drei Silbermedaillen bei Schacholympiaden. An diese Erfolge möchte man nun wieder anknüpfen.
Am Rande sorgte eine Personalie für Gesprächsstoff: Rachel Reeves wird in Medien gern als frühere Junioren-Schachmeisterin dargestellt – ein Image, das mit der Realität wenig zu tun hat. Zwar nahm Reeves als Jugendliche an der britischen U14-Meisterschaft teil, belegte dort jedoch nur den 26. Platz. Die wiederholte Darstellung als „Chess Champion“ sorgt nicht nur in der britischen Schachszene für Verwunderung. Reeves’ tatsächliche Verdienste um das Schach liegen weniger in Turniererfolgen als in ihrer Rolle als Fürsprecherin.
