Mit 5,5/6 vorne bei den Internationalen Bayerischen Meisterschaften am Tegernsee, das hatte niemand erwartet, auch nicht Shreyas Royal selbst. Aber nun, da er vorne steht, will er dort nicht weggehen. Der 13-Jährige peilt den Turniersieg an und außerdem seine erste Großmeister-Norm. Ein Gespräch mit dem Überflieger nach seinem Sechstrundenremis:
Er hatte mich mit einer Variante überrascht, die ich nicht erwartet hatte, mit der ich auch nicht vertraut war. Es ergab sich dann diese Konstellation, in der eine Zugwiederholung möglich war. Ich habe mich bewusst darauf eingelassen, weil ich nicht dachte, dass er die Züge wiederholen würde. Er hat es dann doch getan. Aber ich bin nicht enttäuscht.
Ein halber Punkt gegen einen sehr starken Großmeister ist ja kein schlechtes Ergebnis.
Genau.
Was führt dich an den Tegernsee?
Meine Eltern haben mir vorgeschlagen, hier zu spielen. Ich sah, dass das Turnier sehr stark besetzt ist. Die OIBM wirkte wie ein Wettbewerb, der sich für mich lohnen könnte. Jetzt sind meine Mutter und ich hier.
Deine Eltern suchen die Turniere aus?
Im Sinne einer Vorauswahl. Sie zeigen mir Optionen. Die Entscheidung treffe ich.
Wie ist dein Eindruck bislang?
Sportlich läuft es prima. Den Spielsaal finde ich toll, umso mehr, wenn ich ihn damit vergleiche, wo andere Turniere stattfinden. Sehr hochwertig. Dazu die schöne Umgebung. Mit gefällt es hier.
Spielen deine Eltern Schach?
Meine Mutter kaum. Aber mein Vater ist derjenige, der mir Schach beigebracht hat. Er kennt sich ein wenig damit aus.
Du warst sechs, als er dir Schach gezeigt hat.
Außer der Schule hatte ich damals nichts zu tun. Ich war gelangweilt und bat meine Eltern, dass wir eine Beschäftigung für mich finden. Anfangs hauptsächlich Sport, körperliche Betätigung, Schwimmen zum Beispiel. Aber meine Eltern fanden, ich sollte auch etwas mental Herausforderndes tun. Gleich als Erstes brachte mein Vater mir Schach bei, so begann es.
Und?
Das Spiel hat mich auf Anhieb gefesselt. Ich bin dann zum Schulschach gegangen, trotzdem war es anfangs nicht mehr als ein Hobby. Aber als ich sieben war, kamen die größeren Turniere. Ich habe erstmals außerhalb Englands gespielt und mein Land bei der U7-Europameisterschaft der Schüler repräsentiert. Damals hatte ich nicht einmal eine Elozahl, bin aber trotzdem Zweiter geworden. Das gab mir Selbstvertrauen. Seitdem glaube ich daran, dass ich ein guter Spieler werden kann, und betreibe Schach ambitioniert.
Was verbindet dich mit Erkenschwick? Du spielst für den Schachclub dort, den SV Erkenschwick 1923.
Beim Turnier in Hastings habe ich Erkenschwicks Jugendleiter Dirk Broksch kennengelernt. In der letzten Runde spielten wir gegeneinander, hinterher haben wir ein wenig geredet und uns gut miteinander verstanden. Dirk erzählte mir von seinem Verein, so kam die Verbindung zustande. In Mannschaftkämpfen habe ich noch nicht für Erkenschwick gespielt, das hängt auch mit der Pandemie zusammen. Aber online war ich oft dabei. Dieses Jahr hat es endlich geklappt, dass ich die Erkenschwicker besuchen und meinen Vereinskollegen begegnen konnte. Das war sehr schön.
Sportlich bist du Erkenschwick eigentlich schon entwachsen.
Vielleicht ist das so. Aber ich mag die Atmosphäre dort, die freundlichen Leute, die Unterstützung. Insofern fühle ich mich in Erkenschwick gut aufgehoben.
(Lacht) Ich war als Kind sehr ambitioniert. Und hatte auch noch nicht verstanden, wie schwierig Schach ist, was damit zusammenhing, wie leicht es mir anfangs fiel. Als Kind habe ich keine Rückschläge erlebt, einfach eine Partie nach der anderen gewonnen. Jetzt sehe ich die Dinge realistischer. Weltmeister mit 18 ist quasi unmöglich. Überhaupt Weltmeister zu werden, ist extrem schwierig. Aber dieses Ziel würde ich nicht abschreiben. Mindestens will ich ein sehr starker Großmeister werden. Die Top 10 der Welt sind mein Ziel und, wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja bis zur Weltmeisterschaft. Versuchen will ich es auf jeden Fall.
Wie vereinbarst du deinen Fokus auf Schach mit der Schule?
Das ist nicht einfach, speziell in einem Land wie England, in dem Schulbildung extrem wichtig ist. Aber ich bekomme das hin. Ich versuche, meine Schularbeit nicht mit mir mitzuschleppen oder aufzuschieben, sondern sie möglichst am Stück zu erledigen. Ich setze mich für fünf oder sechs Stunden hin und tue, was zu tun ist. Danach habe ich den Kopf frei für andere Sachen. Mein großes Ziel ist, im Schach so gut zu werden, wie ich kann.
Haben sich deine Ambitionen am Tegernsee mit deiner Siegesserie verschoben?
Natürlich schaue ich jetzt auf den ersten Platz. Aber es sind noch drei Runden zu spielen, leicht wird das nicht. Zumindest eine Großmeisternorm möchte ich mitnehmen, ich bin ja jetzt nahe dran.
Wie ist deine Routine während so eines Turniers?
Schlaf ist ein wichtiger Teil dieser Routine. Ausgeschlafen zu sein, ist wichtig beim Schach. Morgens stehe ich zwischen 9 und 10 Uhr auf, dann unternehme ich einen kurzen Spaziergang. Danach Vorbereitung, ein, zwei Stunden lang, Partien meines Gegners anschauen. Nicht allzu intensiv. Dann versuche ich, den Tag in entspannter Atmosphäre zu verbringen. Kurz vor der Partie steige ich nochmal kurz in die Vorbereitung ein und schmiede einen Plan.
Deine Pläne scheinen bislang aufgegangen zu sein.
Würde ich gar nicht einmal sagen. Die Gegner sind auch vorbereitet, sie weichen früh ab, versuchen, mich zu überraschen. Das ist der Grund, warum ich nicht zu viel Zeit mit konkreter Vorbereitung verbringen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt es eh nicht aufs Brett. Bislang war das Muster eher, dass mein Gegner mir etwas Neues vorsetzt, dann versuche ich am Brett, etwas Ausgefallenes dagegenzusetzen, sodass die gegnerische Vorbereitung nicht greift. Dann haben wir ein Duell Schachspieler gegen Schachspieler, unabhängig von Vorbereitung und Enginezügen. Und darin habe ich bis jetzt ganz gut ausgesehen.