Bauerninseln (Antwort 26-28)

Zählen wir erst einmal Figuren und Bauern – und stellen fest, dass die Lage materiell ausgeglichen ist. Aber vielleicht können wir Faktoren identifizieren, die anzeigen, dass es für die eine Seite besser läuft als die andere.

Reinhard Welsch – Klaus Grensing, Dezember 2017

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Hinsichtlich der Entwicklung haben beide Seiten einen ordentlichen Job gemacht. Beide haben ihre Könige in Sicherheit und ihre Leichtfiguren ins Spiel gebracht. Die weißen Leichtfiguren stehen etwas aktiver, während der Ld7 noch keine Aufgabe gefunden hat. Wenn Schwarz nicht aufpasst, kann Weiß seine etwas aktivere Aufstellung mittelfristig nutzen, um einen Königsangriff zu initiieren.

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Die Dame-Läufer-Batterie lugt nach h7

Stellen wir uns vor, Weiß baut mittels Ld3-c2 und Dd2-d3 eine Dame-Läufer-Batterie gegen h7 und spielt dann Sf4-h5, um den Sf6 von h7 abzulenken. Schon wird deutlich, wie so ein Angriff aussehen mag. Aber zum Glück wird beim Schach abwechselnd gezogen, und erst einmal ist Schwarz an der Reihe.

Bei den Schwerfiguren sieht die Lage etwas günstiger für Schwarz aus. Während der weiße Turm a1 am Brettrand abhängt, hat Schwarz beide Türme zentralisiert. Sie stehen bereit, Druck auf die das weiße Bauernduo c3/d4 auszuüben. Auch die schwarze Dame hat einen aktiven Posten gefunden, von dem aus sie den rückständigen Bauern c3 beäugt und auf dem sie die weißen Leichtfiguren nicht anrempeln können. Ihre weiße Kollegin steht nicht ganz so günstig.

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Auffälliges Gegenüber auf der d-Linie

Besonders auffällig ist das vis-a-vis von schwarzem Turm und weißer Dame auf der d-Linie. So ein Gegenüber ist stets günstig für die Turm-Seite, die darauf bauen kann, dass sich auf der d-Linie Fesselungsmotive ergeben (und ggf. ausnutzen lassen).

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Weiß hat drei Bauerninseln, Schwarz zwei

Auch das Bewerten der Struktur beginnt mit Durchzählen. Je mehr Bauerninseln sich eine Seite eingehandelt hat, desto schlechter, da diese Seite in der Regel mit mehr Bauernschwächen zu kämpfen hat, seien es isolierte und/oder rückständige Bauern. Schwarz hat zwei Bauerninseln, Weiß deren drei – Vorteil Schwarz.

Leider ist Schach nicht so eindimensional. Wir können nicht einfach Bauerninseln zählen und dann anhand statischer Faktoren festlegen, dass diese oder jene Seite einen Vorteil hat. Wir haben ein Indiz gefunden, dass Schwarz besser stehen könnte, aber erst einmal müssen wir klären, ob nicht irgendeine Dynamik für Weiß spricht.

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Wie das Bauernduo c3/d4 einzuschätzen ist, das ist die zentrale Frage.

Gelingt es Schwarz, c3-c4 zu verhindern, den c3-Bauern auf der halboffenen c-Linie festzulegen und unter Druck zu setzen, dann sollte er alles unter Kontrolle und beste Aussichten haben. Gelingt es Weiß, c3-c4 zu spielen und sich eine zentrale Phalanx c4/d4 zu bauen (die so genannten hängenden Bauern), dann eröffnen sich ihm dynamische Möglichkeiten, die sein strukturelles Defizit mehr als kompensieren sollten.  Er mag sich mittels d4-d5 einen Freibauern bilden, der machtvoll Richtung d8 strebt, auch mag er einen Königsangriff initiieren, gestützt auf die c4/d4-Phalanx, die eine Menge Zentralfelder kontrolliert.

Antwort 26

Wenn wir ausschließlich auf positionelle Faktoren schauen, schlägt das Pendel leicht zur schwarzen Seite aus. Das Turm-Dame-Gegenüber auf der d-Linie ist angenehm für Schwarz, die schwarzen Schwerfiguren sind besser organisiert, die schwarze Struktur gesünder. Auf der anderen Seite sind die weißen Leichtfiguren etwas aktiver, während der Ld7 noch nicht recht an der Partie teilnimmt.

Weiß hat aber einige dynamische Möglichkeiten, die das Pendel sehr bald zu seinen Gunsten ausschlagen lassen könnten. Kommt er zu c3-c4, wird er sich auf Basis seiner hängenden Bauern womöglich einen Freibauern bilden oder/und einen Angriff auf den schwarzen König entfachen.

Will Schwarz auf Vorteil pochen, muss er dem Weißen jetzt konkret in die Parade fahren, damit der nicht seine dynamischen Möglichkeiten entfalten kann. Wie das geht, das sieht jeder, dem das verdächtige Gegenüber von Turm und Dame auf der d-Linie aufgefallen ist.

Antwort 27

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Der zentrale Gegenstoß 1…e6-e5! befreit den schwächelnden Ld7, betont die besser aufgestellten schwarzen Schwerfiguren und zetrümmert die weiße Bauernphalanx, noch bevor sie entstanden ist. Schwarz hat deutlichen Vorteil.

Antwort 28

Kaum haben wir das Konzept “Bauerninseln” kennengelernt, sehen wir schon die erste Ausnahme, eine typische Konstellation.

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d4 ist schwach, die “hängenden Bauern” c4/d4 sind ihrer Dynamik beraubt

Vordergründig betrachtet, schwächt 1…b7xc6 die schwarze Struktur, und doch ist das Zurückschlagen mit dem c-Bauern in solchen Fällen die typische Verfahrensweise. Der isolierte c6-Bauer neigt nicht zur Schwäche, Weiß kann ihn schwerlich unter Druck setzen. Auf der anderen Seite kontrolliert der Bauer das wichtige Feld d5, so dass dem Weißen der Vorstoß d4-d5 verwehrt bleibt.

Entscheidender Faktor ist die Schwäche des weißen d4-Bauern. Den haben wir per 1…b7xc6 auf d4 festgenagelt, und kein weißer Bauer kann ihn stützen. Diese ewige Schwäche wird Schwarz belagern, sich mit Freude auf der d-Linie verdoppeln und sich eines moderaten, aber stabilen Vorteils erfreuen.

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[…] hier mitliest, der weiß, dass wir als erstes Bauerninseln zählen, um uns über eine Struktur ein Urteil zu bilden. Je mehr Inseln, desto […]

ChessGuy
ChessGuy
5 Jahre zuvor

Wo finde ich bitte Bauerninseln I? Zumindest nicht per Tag ‘Bauerninsel’.

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[…] Zu den Antworten geht es hier […]