Paul Morphy (1837-1884)
Zitat von Conrad Schormann am 22. Juni 2025, 8:58 UhrPaul Morphy – das amerikanische Schachwunderkind
Quelle: Georges Bertola, Europe Échecs
Am 28. Oktober 1849 sitzt ein Zwölfjähriger im weißen Hemd vor einem der stärksten Spieler New Orleans' – und schlägt ihn brillant. Paul Morphy heißt das Kind. Und schon diese eine Partie kündigt an, wer demnächst das Schach regieren wird: ein Genie, wie es das Spiel bis dahin noch nicht gesehen hat.
Das Schachspiel hat sich Morphy selbst beigebracht, indem er seinen Vater und Onkel beim Spielen beobachtet. Bücher? Hat er nie gelesen. Regeln? Beherrscht er wie aus dem Bauch. Sein Onkel Ernest schreibt an den französischen Meister Kieseritzky: „Er spielt die richtigen Züge wie durch Eingebung.“ Und fügt hinzu: Morphy pfeife bei kritischen Stellungen leise vor sich hin, während er „geduldig die rettende Kombination sucht“.
https://youtu.be/LsQuhECxm8s
Die Rousseau-Partie von 1849
In der berühmten Partie gegen Eugène Rousseau, veröffentlicht von Jean Préti im Jahr 1859, brilliert der junge Morphy mit positionellem Verständnis, präziser Entwicklung und einem Gespür für Initiative, das selbst erfahrene Gegner überfordert. Rousseau versucht sich mit einem zweifelhaften Gambit (3…f5), aber Morphy nutzt die Schwächen gnadenlos aus. Schon nach wenigen Zügen ist der schwarze König auf der Flucht, Morphys Figuren dagegen stehen wie aus einem Guss. Am Ende zwingt ein Turmopfer Rousseau zur Aufgabe – und vielleicht zum ersten leisen Zweifel am eigenen Können. Rousseau wird das Schach bald an den Nagel hängen, womöglich auch wegen dieser krachenden Niederlage.
Trotz dieses Triumphes zieht ich Morphy zwischen dem Alter von 13 und 19 vom Schach zurück und widmet sich dem Studium. „Nicht nur ein Schachspieler“, betont Saint-Amant später. Der Junge aus Louisiana will Jurist werden – und bleibt zunächst Amateur.
Ein Komet über Europa
1857 kehrt Morphy zurück – und gewinnt prompt das große Turnier von New York. Im Jahr darauf reist er nach Europa, wo er im Blitzlicht einer ganzen Epoche aufleuchtet. In Paris schlägt er Adolf Anderssen, den vielleicht stärksten Spieler der alten Welt. In nur einem Jahr wird er als bester Schachspieler der Welt gefeiert.
Doch kaum ist der Stern aufgegangen, verglüht er auch wieder.
Nach seiner triumphalen Rückkehr nach Amerika spielt Morphy kaum noch. Er lehnt es ab, Schach zum Beruf zu machen. In einem viel zitierten Statement von 1859 sagt er:
„Schach sollte nicht zur Gewohnheit werden, die andere ernsthafte Beschäftigungen verdrängt. Es verdient als Spiel hohe Wertschätzung, aber es gehört in den Bereich der Erholung.“
Morphy stirbt 1884 im Alter von 47 Jahren. Seine Karriere bleibt eine der faszinierendsten Episoden der Schachgeschichte: die Geschichte eines genialen Jungen, der kam, sah und freiwillig wieder ging.
Paul Morphy might well be the most brilliant and enigmatic chess champion of all time. He burst onto the scene in 1858 as a 20-year-old and dominated the chess world for two short years, convincingly defeating all the strongest players. After conquering the European chess scene, Morphy was universally recognized as the greatest player of all time. But at the age of 22 he suddenly and permanently retired from serious competition.
Morphy's greatness shone so brightly that 75 years later he was still considered the greatest by world champions Lasker and Capablanca. He is still revered for his brilliant combinations and other contributions to chess. Bobby Fischer called him 'perhaps the most accurate player who ever lived'. Garry Kasparov regarded him as 'the prototype of the strong 20th century grandmaster' and 'the forefather of modern chess'.
There are many important biographies and game collections about Morphy. Award-winning chess author Charles Hertan brings us something new - a comprehensive modern biography that delves deep into his fascinating history, unearthing new information about Morphy's origins, intertwined with an in-depth exploration of Morphy's games, often overturning over 160 years of previous analysis.
Hertan uses his experience as a professional psychotherapist to shed new light on Morphy's tragic mental deterioration. The author also examines the state of chess before Morphy, wading into the current debate about the role of the great masters Howard Staunton and Adolf Anderssen in chess history, and whether Morphy's time should rightly be called the 'Romantic Era'.
The Real Paul Morphy brings you everything you need to know about Paul Morphy's life, chess and legacy in a single volume.
Paul Morphy – das amerikanische Schachwunderkind
Quelle: Georges Bertola, Europe Échecs
Am 28. Oktober 1849 sitzt ein Zwölfjähriger im weißen Hemd vor einem der stärksten Spieler New Orleans' – und schlägt ihn brillant. Paul Morphy heißt das Kind. Und schon diese eine Partie kündigt an, wer demnächst das Schach regieren wird: ein Genie, wie es das Spiel bis dahin noch nicht gesehen hat.
Das Schachspiel hat sich Morphy selbst beigebracht, indem er seinen Vater und Onkel beim Spielen beobachtet. Bücher? Hat er nie gelesen. Regeln? Beherrscht er wie aus dem Bauch. Sein Onkel Ernest schreibt an den französischen Meister Kieseritzky: „Er spielt die richtigen Züge wie durch Eingebung.“ Und fügt hinzu: Morphy pfeife bei kritischen Stellungen leise vor sich hin, während er „geduldig die rettende Kombination sucht“.
Die Rousseau-Partie von 1849
In der berühmten Partie gegen Eugène Rousseau, veröffentlicht von Jean Préti im Jahr 1859, brilliert der junge Morphy mit positionellem Verständnis, präziser Entwicklung und einem Gespür für Initiative, das selbst erfahrene Gegner überfordert. Rousseau versucht sich mit einem zweifelhaften Gambit (3…f5), aber Morphy nutzt die Schwächen gnadenlos aus. Schon nach wenigen Zügen ist der schwarze König auf der Flucht, Morphys Figuren dagegen stehen wie aus einem Guss. Am Ende zwingt ein Turmopfer Rousseau zur Aufgabe – und vielleicht zum ersten leisen Zweifel am eigenen Können. Rousseau wird das Schach bald an den Nagel hängen, womöglich auch wegen dieser krachenden Niederlage.
Trotz dieses Triumphes zieht ich Morphy zwischen dem Alter von 13 und 19 vom Schach zurück und widmet sich dem Studium. „Nicht nur ein Schachspieler“, betont Saint-Amant später. Der Junge aus Louisiana will Jurist werden – und bleibt zunächst Amateur.
Ein Komet über Europa
1857 kehrt Morphy zurück – und gewinnt prompt das große Turnier von New York. Im Jahr darauf reist er nach Europa, wo er im Blitzlicht einer ganzen Epoche aufleuchtet. In Paris schlägt er Adolf Anderssen, den vielleicht stärksten Spieler der alten Welt. In nur einem Jahr wird er als bester Schachspieler der Welt gefeiert.
Doch kaum ist der Stern aufgegangen, verglüht er auch wieder.
Nach seiner triumphalen Rückkehr nach Amerika spielt Morphy kaum noch. Er lehnt es ab, Schach zum Beruf zu machen. In einem viel zitierten Statement von 1859 sagt er:
„Schach sollte nicht zur Gewohnheit werden, die andere ernsthafte Beschäftigungen verdrängt. Es verdient als Spiel hohe Wertschätzung, aber es gehört in den Bereich der Erholung.“
Morphy stirbt 1884 im Alter von 47 Jahren. Seine Karriere bleibt eine der faszinierendsten Episoden der Schachgeschichte: die Geschichte eines genialen Jungen, der kam, sah und freiwillig wieder ging.
Paul Morphy might well be the most brilliant and enigmatic chess champion of all time. He burst onto the scene in 1858 as a 20-year-old and dominated the chess world for two short years, convincingly defeating all the strongest players. After conquering the European chess scene, Morphy was universally recognized as the greatest player of all time. But at the age of 22 he suddenly and permanently retired from serious competition.
Morphy's greatness shone so brightly that 75 years later he was still considered the greatest by world champions Lasker and Capablanca. He is still revered for his brilliant combinations and other contributions to chess. Bobby Fischer called him 'perhaps the most accurate player who ever lived'. Garry Kasparov regarded him as 'the prototype of the strong 20th century grandmaster' and 'the forefather of modern chess'.
There are many important biographies and game collections about Morphy. Award-winning chess author Charles Hertan brings us something new - a comprehensive modern biography that delves deep into his fascinating history, unearthing new information about Morphy's origins, intertwined with an in-depth exploration of Morphy's games, often overturning over 160 years of previous analysis.
Hertan uses his experience as a professional psychotherapist to shed new light on Morphy's tragic mental deterioration. The author also examines the state of chess before Morphy, wading into the current debate about the role of the great masters Howard Staunton and Adolf Anderssen in chess history, and whether Morphy's time should rightly be called the 'Romantic Era'.
The Real Paul Morphy brings you everything you need to know about Paul Morphy's life, chess and legacy in a single volume.