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Reuben Fine (1914-1993)

Spätestens 1938 spielte sich Reuben Fine in den Niederlanden in die Schachgeschichte. Am Ende des legendären AVRO-Turniers, das als Kandidatenturnier konzipiert war, stand Fine ganz oben, gleichauf mit Paul Keres. Er hatte Botwinnik, Capablanca, Euwe, Flohr, Reshevsky und sogar den amtierenden Weltmeister Alexander Aljechin besiegt – ein seltener, fast vollkommener Triumph. Und doch sollte Fine nie um die Krone kämpfen.

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Foto: Harry Pot - Nationaal Archief, CC BY-SA 3.0 

Der Weg an die Spitze war steinig. Reuben Fine wurde am 11. Oktober 1914 in der Bronx geboren, als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer. Der Vater verließ die Familie früh, die Mutter zog ihn allein auf. Die Mittel waren knapp, doch Fine war ein Wunderkind des Denkens – nicht nur auf dem Schachbrett. Mit acht Jahren lernte er Schach von einem Onkel. Wirklich entfacht wurde sein Feuer aber erst mit 13: als Zuschauer beim berühmten New Yorker Turnier 1927. Zwei Jahre später war er fester Bestandteil der New Yorker Clubs, brillierte bald im Blitz – Capablanca war fast der Einzige, der ihm hier überlegen war.

In den 1930er Jahren begann Fines kometenhafter Aufstieg. Siebenmal gewann er die US Open – von 1932 bis 1941, so zuverlässig wie ein Uhrwerk. Bei den Schacholympiaden holte er mit dem US-Team dreimal Gold, unter anderem 1937 in Stockholm, wo er am zweiten Brett glänzte. Er war jung, schnell, präzise. Und er war ein Denker – Fine studierte Mathematik, lernte Deutsch, las Tarrasch, Nimzowitsch, Reti. Doch sein Stil war nicht dogmatisch. Er analysierte lieber Aljechin und Capablanca. Die Mathematik der Stellung interessierte ihn mehr als deren Prinzipien.

Sein privates Leben war unruhig. Fünf Ehen, zahlreiche Wohnorte. 1937 heiratete er in Amsterdam die Journalistin Emma Keesing, lernte Niederländisch, dachte über ein Leben in Europa nach – doch dann kam Hitler.

Wenig später stand er am Zenit. Nottingham 1936, dann AVRO 1938: Fine war bereit für den Weltmeisterschaftskampf. Doch Aljechin verweigerte sich. Die Verhandlungen verliefen im Sand, dann kam der Krieg. Was folgte, war ein Bruch: Reuben Fine, der 1940 auf dem Höhepunkt seiner Elo-Form stand (chessmetrics: 2762), wandte sich ab vom Schach.

Während des Kriegs diente er der US Navy – als Statistiker, als Analyst, als Schachspieler gegen U-Boote. Gleichzeitig begann er zu schreiben. Basic Chess Endings, 1941 erschienen, wurde zum Klassiker. Er war der Erste, der das Endspiel systematisch auf Englisch erschloss. Später folgten Bücher wie The Ideas Behind the Chess Openings und eine lange Reihe psychologischer Werke.

1948, nach Aljechins Tod, wurde Fine zur Weltmeisterschaft eingeladen. Er lehnte ab – mit Verweis auf seine Dissertation in Psychologie. Der Verzicht wurde oft bedauert. In Wahrheit hatte sich Fine da schon für ein anderes Leben entschieden. Er eröffnete eine Praxis in Los Angeles, promovierte an der USC, unterrichtete später am City College in New York. Dort blieb er bis zu seinem Tod. Vom Schach hatte er sich nicht ganz abgewandt – Blitzpartien gegen Bobby Fischer, eine Analyse des WM-Matches 1972, gelegentliche Kolumnen. Aber das war es. Die Bühne gehörte anderen.

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Sein Ruf blieb widersprüchlich. Die Kollegen schätzten seinen Intellekt, seine Klarheit, seine Geschwindigkeit. Im Umgang galt er als schwierig – brillant, aber oft intolerant gegenüber anderen Meinungen. Seine Bücher verkauften sich hunderttausendfach. Doch seine psychologischen Deutungen des Schachspielers blieben umstritten.

Reuben Fine starb am 26. März 1993 in New York, nach mehreren Schlaganfällen. Er war einer der größten Spieler, die nie Weltmeister wurden – und einer der wenigen, die es freiwillig nicht wurden.

Quellen:

  • Zenón Franco Ocampos: Galería de los Maestros (39), ABC Color, 11. Oktober 2011.

  • André Schulz: Reuben Fine – Verhinderter Weltmeister und Psychoanalytiker, ChessBase, 10. Oktober 2019.


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Modern chess began in 1851 in the London Tournament of the Crystal Palace Exposition. Today, the principles of winning play have been explored and codified: a beginner can learn more about chess in one year, than a master learned a century ago during his entire career. This book is the first detailed presentation, by a Grand Master, of a complete analysis of the world's best games. For all who are interested in the fine points, the author has selected the most notable examples of brilliant play and strategy, the attack and the defense. Among the masters whose best games are to be found in the work are: Alekhine, Botvinnik, Capablanca, Euwe, Lasker, Marshall. Morphy, Rubinstein, Steinitz. Tarrasch, Tartakower, and many, many others. Reuben Fine had not taken chess seriously until late high school days. Yet he became a Grand \faster at the age of twenty-one, and was dual winner of the great AVRO Tournament of 1938. Dr. Fine was officially ranked - on the basis of twenty years of tournament play - as the Number 1 player of the United States, and a Challenger for the World Championship. Dr. Fine taught psychology at the College of the City of New York and at Brooklyn College. He and his family lived in New York City, where he practiced psychoanalysis. Reuben Fine was been a member of three U. S. World Championship Teams. He tied for first prize with Keres in the great AVRO tournament of 1938 and has won the U. S. Speed Championship four rimes. Among his famous books are The Ideas Behind the Chess Openings,The Middle Game in Chess, Basic Chess Endings, Practical Chess Openings, and his great and continuing best seller, Chess the Easy Way.

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