1960: Schacholympiade Leipzig
Zitat von Conrad Schormann am 24. März 2025, 13:41 UhrLeipzig 1960: Als die Welt Schach spielte
Als die DDR im Herbst 1960 die 14. Schacholympiade nach Leipzig holte, sollte es ein politisches und sportliches Ausrufezeichen werden – nicht nur gegenüber der Bundesrepublik, die zwei Jahre zuvor das Turnier in München organisiert hatte. Vom 26. Oktober bis zum 9. November verwandelte sich das Ringmessehaus in ein Zentrum des Weltschachs. 75.000 Zuschauer sahen über 1.600 Partien, gespielt von 232 Spielern aus 40 Nationen – darunter Legenden wie Mikhail Tal, Bobby Fischer, Paul Keres, Vlastimil Hort und Michail Botwinnik. Die einzige Frau im Feld war Anne Marie Renoy-Chevrier aus Monaco.
https://youtu.be/kwcWrr83hQU
Im Mittelpunkt standen die Duelle der Weltklasse. Als Bobby Fischer am 1. November auf Michail Tal traf, stürmten die Zuschauer förmlich in die Messehalle. „Beide Meister waren dafür bekannt, daß sie sich um einige Minuten zu verspäten pflegten“, heißt es im Turnierbuch. „Zu diesem Kampf aber betraten sie pünktlich den Saal.“
https://bsky.app/profile/bild.bsky.social/post/3ljl4fyco322z
Die Partie endete nach 21 Zügen Remis, blieb aber in Erinnerung – Tal analysierte sie in seiner Autobiografie, Fischer nahm sie in seine „60 Memorable Games“ auf. „Wenn sie sich begegneten, gab es ein unverständliches Aufsehen“, stichelte Botwinnik später. Die Sympathien des Publikums gehörten den jungen Wilden.
Die Übermacht der Sowjets
Wie immer seit 1952 war die Sowjetunion haushoher Favorit – und sie enttäuschte nicht. Angeführt vom Weltmeister Michail Tal gewannen die Sowjets alle Mannschaftskämpfe und holten 34 Brettpunkte in der Finalrunde A. „Die sechs sowjetischen Weltstars spielten konzentriert, effektiv und ließen nie Zweifel an ihrer Überlegenheit aufkommen“, notierte Johannes Fischer (ChessBase). Petrosjan, Smyslow, Keres und Botwinnik blieben nahezu unantastbar – ihr schwächstes Glied war ausgerechnet Weltmeister Tal.
Die USA im Aufbruch
Mit einem Schnitt von unter 25 Jahren stellte das US-Team das mit Abstand jüngste Top-Team. An Brett 1: der 17-jährige Bobby Fischer, mit 13 Punkten aus 18 Partien das beste Ergebnis seiner Mannschaft. William Lombardy, Robert Byrne, Arthur Bisguier und Nicolas Rossolimo komplettierten ein Team, das Silber holte – knapp vor Jugoslawien.
Fischers Teilnahme war nicht selbstverständlich. Seine Mutter Regina protestierte gegen die fehlende Finanzierung des US-Verbands, demonstrierte vor dem Weißen Haus und trat in einen Hungerstreik. Am Ende durfte die Mannschaft reisen – ohne Samuel Reshevsky, der 3.000 Dollar Honorar verlangt hatte.
Ein deutsch-deutsches Prestigeduell
Mit besonderer Spannung wurde das Abschneiden der beiden deutschen Mannschaften verfolgt. Die BRD belegte in der Finalgruppe A den achten Platz, mit einem halben Punkt Vorsprung auf die DDR. Wolfgang Unzicker (11½/18) und Lothar Schmid (9½/14) überzeugten für Westdeutschland. Klaus Darga, Heinz Lehmann, Wolfram Bialas und Gerhard Pfeiffer punkteten solide.
Die DDR konterte mit Wolfgang Pietzsch (9½/15), Wolfgang Uhlmann (9/16) und Reinhart Fuchs (7½/13). Für seine Leistung an Brett zwei erhielt Pietzsch den „Ehrenpreis der SED“. Der knappe Rückstand war für die DDR ärgerlich, änderte aber nichts am Erfolg der Olympiade als Ganzes.
Ein Schachfest mit Langzeitwirkung – oder doch nicht?
Mit über 75.000 Besuchern und einem aufwändigen Rahmenprogramm – Museumsführungen, Ausstellungen, Damenturnier, Veteranentreffen – inszenierte sich die DDR als weltoffene Schachnation. „Eine so glänzend durchgeführte Olympiade wie diese in Leipzig war noch nicht da“, schwärmte Salo Flohr.
Doch das olympische Ideal der Verständigung war nur Fassade. Wenige Monate später begann der Mauerbau, und spätestens mit dem Amtsantritt von Manfred Ewald als DTSB-Chef Anfang der 70er Jahre wurde Schach in der DDR zur Randnotiz. 1974 zog sich die DDR endgültig von der Schacholympiade zurück.
Ein kurzes Glühen
Was blieb, war das Glitzern dieses einen Moments. Leipzig 1960 war vielleicht die letzte Schacholympiade, in der Weltpolitik, Show, Sport und Publikum derart ineinandergriffen – ein Schachfest, das die DDR als Bühne nutzte, das Spiel der Könige zu feiern.
🏆 Finalgruppe A – Abschlusstabelle
Platz Mannschaft Brettpunkte Mannschaftspunkte 1 Sowjetunion 34 22 2 USA 29 17 3 Jugoslawien 27 17 4 Ungarn 22,5 12 5 Tschechoslowakei 21,5 12 6 Bulgarien 21 10 7 Argentinien 20,5 10 8 BR Deutschland 19,5 8 9 DDR 19 7 10 Niederlande 17 6 11 Rumänien 16,5 7 12 England 16,5 4 🇩🇪 Bundesrepublik Deutschland – Einzelergebnisse
Brett Spieler Punkte Partien Prozent 1 Wolfgang Unzicker 11,5 18 63,9 % 2 Lothar Schmid 9,5 14 67,9 % 3 Klaus Darga 7,5 13 57,7 % 4 Heinz Lehmann 7 14 50,0 % Res.1 Wolfram Bialas 4,5 11 40,9 % Res.2 Gerhard Pfeiffer 5 10 50,0 % 🇩🇪 DDR – Einzelergebnisse
Brett Spieler Punkte Partien Prozent 1 Wolfgang Uhlmann 9 16 56,3 % 2 Wolfgang Pietzsch 9,5 15 63,3 % 3 Burkhard Malich 6,5 13 50,0 % 4 Sieghart Dittmann 6 12 50,0 % Res.1 Reinhart Fuchs 7,5 13 57,7 % Res.2 Werner Golz 5,5 11 50,0 %
Leipzig 1960: Als die Welt Schach spielte
Als die DDR im Herbst 1960 die 14. Schacholympiade nach Leipzig holte, sollte es ein politisches und sportliches Ausrufezeichen werden – nicht nur gegenüber der Bundesrepublik, die zwei Jahre zuvor das Turnier in München organisiert hatte. Vom 26. Oktober bis zum 9. November verwandelte sich das Ringmessehaus in ein Zentrum des Weltschachs. 75.000 Zuschauer sahen über 1.600 Partien, gespielt von 232 Spielern aus 40 Nationen – darunter Legenden wie Mikhail Tal, Bobby Fischer, Paul Keres, Vlastimil Hort und Michail Botwinnik. Die einzige Frau im Feld war Anne Marie Renoy-Chevrier aus Monaco.
Im Mittelpunkt standen die Duelle der Weltklasse. Als Bobby Fischer am 1. November auf Michail Tal traf, stürmten die Zuschauer förmlich in die Messehalle. „Beide Meister waren dafür bekannt, daß sie sich um einige Minuten zu verspäten pflegten“, heißt es im Turnierbuch. „Zu diesem Kampf aber betraten sie pünktlich den Saal.“
♟️Michail Tal (SSCB) ve Bobby Fischer (ABD) arasında, iki efsanenin satranç maçı, Leipzig, Doğu Almanya, 1960.
Die Partie endete nach 21 Zügen Remis, blieb aber in Erinnerung – Tal analysierte sie in seiner Autobiografie, Fischer nahm sie in seine „60 Memorable Games“ auf. „Wenn sie sich begegneten, gab es ein unverständliches Aufsehen“, stichelte Botwinnik später. Die Sympathien des Publikums gehörten den jungen Wilden.
Die Übermacht der Sowjets
Wie immer seit 1952 war die Sowjetunion haushoher Favorit – und sie enttäuschte nicht. Angeführt vom Weltmeister Michail Tal gewannen die Sowjets alle Mannschaftskämpfe und holten 34 Brettpunkte in der Finalrunde A. „Die sechs sowjetischen Weltstars spielten konzentriert, effektiv und ließen nie Zweifel an ihrer Überlegenheit aufkommen“, notierte Johannes Fischer (ChessBase). Petrosjan, Smyslow, Keres und Botwinnik blieben nahezu unantastbar – ihr schwächstes Glied war ausgerechnet Weltmeister Tal.
Die USA im Aufbruch
Mit einem Schnitt von unter 25 Jahren stellte das US-Team das mit Abstand jüngste Top-Team. An Brett 1: der 17-jährige Bobby Fischer, mit 13 Punkten aus 18 Partien das beste Ergebnis seiner Mannschaft. William Lombardy, Robert Byrne, Arthur Bisguier und Nicolas Rossolimo komplettierten ein Team, das Silber holte – knapp vor Jugoslawien.
Fischers Teilnahme war nicht selbstverständlich. Seine Mutter Regina protestierte gegen die fehlende Finanzierung des US-Verbands, demonstrierte vor dem Weißen Haus und trat in einen Hungerstreik. Am Ende durfte die Mannschaft reisen – ohne Samuel Reshevsky, der 3.000 Dollar Honorar verlangt hatte.
Ein deutsch-deutsches Prestigeduell
Mit besonderer Spannung wurde das Abschneiden der beiden deutschen Mannschaften verfolgt. Die BRD belegte in der Finalgruppe A den achten Platz, mit einem halben Punkt Vorsprung auf die DDR. Wolfgang Unzicker (11½/18) und Lothar Schmid (9½/14) überzeugten für Westdeutschland. Klaus Darga, Heinz Lehmann, Wolfram Bialas und Gerhard Pfeiffer punkteten solide.
Die DDR konterte mit Wolfgang Pietzsch (9½/15), Wolfgang Uhlmann (9/16) und Reinhart Fuchs (7½/13). Für seine Leistung an Brett zwei erhielt Pietzsch den „Ehrenpreis der SED“. Der knappe Rückstand war für die DDR ärgerlich, änderte aber nichts am Erfolg der Olympiade als Ganzes.
Ein Schachfest mit Langzeitwirkung – oder doch nicht?
Mit über 75.000 Besuchern und einem aufwändigen Rahmenprogramm – Museumsführungen, Ausstellungen, Damenturnier, Veteranentreffen – inszenierte sich die DDR als weltoffene Schachnation. „Eine so glänzend durchgeführte Olympiade wie diese in Leipzig war noch nicht da“, schwärmte Salo Flohr.
Doch das olympische Ideal der Verständigung war nur Fassade. Wenige Monate später begann der Mauerbau, und spätestens mit dem Amtsantritt von Manfred Ewald als DTSB-Chef Anfang der 70er Jahre wurde Schach in der DDR zur Randnotiz. 1974 zog sich die DDR endgültig von der Schacholympiade zurück.
Ein kurzes Glühen
Was blieb, war das Glitzern dieses einen Moments. Leipzig 1960 war vielleicht die letzte Schacholympiade, in der Weltpolitik, Show, Sport und Publikum derart ineinandergriffen – ein Schachfest, das die DDR als Bühne nutzte, das Spiel der Könige zu feiern.
🏆 Finalgruppe A – Abschlusstabelle
Platz | Mannschaft | Brettpunkte | Mannschaftspunkte |
---|---|---|---|
1 | Sowjetunion | 34 | 22 |
2 | USA | 29 | 17 |
3 | Jugoslawien | 27 | 17 |
4 | Ungarn | 22,5 | 12 |
5 | Tschechoslowakei | 21,5 | 12 |
6 | Bulgarien | 21 | 10 |
7 | Argentinien | 20,5 | 10 |
8 | BR Deutschland | 19,5 | 8 |
9 | DDR | 19 | 7 |
10 | Niederlande | 17 | 6 |
11 | Rumänien | 16,5 | 7 |
12 | England | 16,5 | 4 |
🇩🇪 Bundesrepublik Deutschland – Einzelergebnisse
Brett | Spieler | Punkte | Partien | Prozent |
---|---|---|---|---|
1 | Wolfgang Unzicker | 11,5 | 18 | 63,9 % |
2 | Lothar Schmid | 9,5 | 14 | 67,9 % |
3 | Klaus Darga | 7,5 | 13 | 57,7 % |
4 | Heinz Lehmann | 7 | 14 | 50,0 % |
Res.1 | Wolfram Bialas | 4,5 | 11 | 40,9 % |
Res.2 | Gerhard Pfeiffer | 5 | 10 | 50,0 % |
🇩🇪 DDR – Einzelergebnisse
Brett | Spieler | Punkte | Partien | Prozent |
---|---|---|---|---|
1 | Wolfgang Uhlmann | 9 | 16 | 56,3 % |
2 | Wolfgang Pietzsch | 9,5 | 15 | 63,3 % |
3 | Burkhard Malich | 6,5 | 13 | 50,0 % |
4 | Sieghart Dittmann | 6 | 12 | 50,0 % |
Res.1 | Reinhart Fuchs | 7,5 | 13 | 57,7 % |
Res.2 | Werner Golz | 5,5 | 11 | 50,0 % |
Zitat von Conrad Schormann am 24. März 2025, 13:47 UhrGeschichte der Bayerwald Kartonagen & Spielefabrik (Chamerau, Bayrischer Wald)
Gründung und Leitung (1950er–1960er)
Die Firma wurde um 1950 von Wilhelm Stiehler in Chamerau (Landkreis Cham) gegründet
. Stiehler baute eine bestehende Drechslerei (Holzdreherei) zu einer Produktionsstätte für Brett- und Tischspiele aus
. Das Unternehmen firmierte als Bayerwald Kartonagen – Spielefabrik Wilhelm Stiehler und stellte neben Spielbrettern auch die zugehörigen Verpackungen (Kartonagen) her. In den 1950er Jahren produzierte Bayerwald eine Vielzahl klassischer Gesellschaftsspiele – belegt sind etwa ein Tisch-Federball-Spiel und ein Hütchenspiel (“Hütchen flieg!”) mit dem Kürzel B.K. (Bayerwald Kartonagen) auf der Packung
.
Um 1960 kam es zu einem Inhaberwechsel: Der Münchner Kartonage-Unternehmer Walter Aulfes übernahm die Firma in Chamerau
. Zur selben Zeit war Kaspar Stiehler (vermutlich ein Verwandter Wilhelms) als Firmeninhaber verzeichnet; Stiehler amtierte von 1960 bis 1968 auch als Bürgermeister von Chamerau
. Kaspar Stiehler zog Ende der 1960er Jahre weg (er erwarb an der Donau ein Elektrizitätswerk)
, und Aulfes führte den Betrieb fort. Unter Aulfes’ Leitung erweiterte sich das Sortiment – neben Brettspielen kamen nun auch Plastikwaren hinzu. Die offizielle Handelsregister-Bezeichnung lautete fortan Bayerwald Plastikwaren, Kartonagen und Spielefabrik Walter Aulfes GmbH & Co. KG mit Sitz in Cham
(die KG begann rückwirkend zum 1. Jan. 1956). Aulfes brachte auch seine Familie in das Unternehmen ein; so wurden etwa Vera Aulfes und Marion Aulfes-Schmid als Teilhaberinnen registriert
.
Schachsets für die Olympiade 1960 in Leipzig
Bayerwald erlangte im Schachbereich besondere Bekanntheit durch die Fertigung der offiziellen Schachsets für die 14. Schacholympiade 1960 in Leipzig (DDR)
. Dieses Turnier – vom 26. Oktober bis 9. November 1960 – versammelte Weltklassespieler wie Mikhail Tal und Bobby Fischer, die auf Bayerwald-Brettern und -Figuren spielten
. Die von Bayerwald gelieferten Olympiade-Sets entsprachen dem Staunton-Standard, wiesen aber eine eigenständige nationale Prägung auf
. Zeitgenössische Fotos (z.B. Tal vs. Fischer in Leipzig 1960) zeigen die charakteristischen Figuren und Holzbretter【64†】. Ein originaler Olympiaschachtisch mit Bayerwald-Brett und Figurensatz ist heute in der Heimatstube Burg (Spreewald) ausgestellt
.
Designmerkmale: Die Bayerwald-Schachfiguren dieser Zeit besitzen klassische Staunton-Form, aber mit individuellen Details. So haben die Könige an der Spitze ein schlichtes Kreuz ohne Kugel (bei späteren Varianten teils ein “anglo”-Kreuz)
. Die Springer fallen besonders auf: Sie sind in nach vorn geneigter Haltung geschnitzt, mit schlankem Pferdekopf und ausgeprägten “Ohren” – ein markanter, an ein Seepferdchen erinnernder Stil
. Die Läufer zeigen einen rundlicheren Kopfschnitt (weniger hohe Mitra)
. Auch die Damen und Türme sind in Proportion und Verzierung leicht vom britischen Staunton-Standard abgewandelt, blieben aber funktional. Insgesamt galt das Olympiaset als robust und hochwertig verarbeitet: Die Figuren waren aus Hartholz gedrechselt, dezent beschwert und mit Filzsockeln versehen
. Die helle Seite bestand aus naturfarben lackiertem Holz, die dunklen Figuren waren tiefschwarz (wahrscheinlich ebonisiert oder gebeizt) – in jedem Fall keine einfache Kunststoffimitation, sondern vollwertige Turnierhölzer.
Bayerwald lieferte neben den Figuren auch Spielbretter aus Holz. Für die Olympiade wurden große Turniertische mit eingelegten Schachbrettern gefertigt
. Darüber hinaus produzierte die Firma Schachgarnituren für den freien Verkauf: beispielsweise gab es kompakte Reisekästen, in denen Figuren und ein aufgerolltes Kunststoffbrett verstaut waren
. Ein typisches Set aus den 1960er Jahren umfasste 32 gewichtete Holzfiguren (Königshöhe ca. 9 cm) in einem Schachkoffer mit Klappbrett oder Rollbrett
.
Verwendung und Varianten der Schachgarnituren
Das Leipzig-1960-Set gilt heute als eines der letzten Beispiele einer “nationalen” Turniergarnitur
– in einer Zeit, als viele Länder eigene Schachfigurenstile bei großen Ereignissen präsentierten. Original-Figuren dieser Olympiade sind äußerst selten: Weder Museen noch Sammler berichten, komplette Originalsets im Umlauf gesehen zu haben
. Großmeister Joaquim Durão, der 1960 selbst in Leipzig spielte, bestätigte die Seltenheit dieses speziellen Figurensatzes
. Möglicherweise verblieben die meisten Garnituren in der DDR oder wurden über die Jahre verstreut.
Bayerwald stellte jedoch ähnliche Schachsets auch nach 1960 weiter her. In den 1960er und 70er Jahren waren zwei Hauptvarianten bekannt
: eine frühe Version mit sehr fein geschnitztem, elegantem Springer (wie bei der Olympiade) und eine spätere Version mit etwas vereinfachtem Springerprofil (“Seepferdchen”-Stil)
. Letztere könnte in den späten 60ern oder 70ern produziert worden sein, eventuell um Fertigungskosten zu senken oder den Geschmack der Zeit zu treffen. Beide Varianten blieben dem Staunton-Grunddesign treu und waren bei deutschen Schachspielern beliebt. Bayerwald-Schachsets fanden Verwendung in Vereinen und auf Turnieren in Westdeutschland; parallel setzte sich in den 1970ern aber auch das tschechische „Bohemia“-Schachset (Staunton II) stark durch
.
Interessant ist, dass Bayerwalds Design einen so guten Ruf hatte, dass es später im Kunststoff-Zeitalter kopiert wurde: In den 1990er Jahren kursierte ein Plastik-Schachsatz im Bayerwald-Stil, der die deutschen Open-Turniere förmlich überschwemmte
. Diese Kunststoff-Replik mit gewichteten Figuren und grünen Filzbasen war in vielen Vereinen populär und wird teils bis heute genutzt
. Ob diese Plastiksets noch vom Bayerwald-Unternehmen selbst stammten oder von Nachfolgern/Imitatoren produziert wurden, ist unklar – der Name Bayerwald stand jedoch sinnbildlich für solide Turnier-Schachsets “Made in Germany”.
Sammlerwert und Verbleib
Original-Bayerwald-Schachgarnituren genießen unter Sammlern einen hohen Stellenwert, insbesondere die frühen Ausgaben. Wie erwähnt, sind speziell die Olympia-1960-Sätze extreme Raritäten
– sollte ein vollständiges Exemplar mit Provenienz auftauchen, hätte es beträchtlichen Wert. Auch die gewöhnlichen Turniersets aus den 1950/60er Jahren erzielen heute beachtliche Preise. Beispielsweise wurde ein gut erhaltenes Bayerwald-Staunton-Set (König ~9 cm, mit Original-Holzschatulle) kürzlich für rund 395 US-$ angeboten
. Ein anderes komplettes Set in exzellentem Zustand („nahezu neuwertig“) mit Originalkiste erschien auf eBay und wurde als seltenes Sammlerstück angepriesen
. Sammler schätzen an diesen Garnituren die Kombination aus spielgerechter Stabilität und nostalgischem Design – jedes Detail, vom schlicht gekreuzten Königskronen bis zum formschönen Springer, erzählt ein Stück deutscher Schachgeschichte.
Niedergang und Insolvenz
In den 1980er Jahren geriet die Bayerwald Spielefabrik in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da der Brettspielmarkt sich veränderte und große Konkurrenten dominierten. Die Inhaberfamilie Aulfes zog sich schließlich aus dem Geschäft zurück, und die Produktion in Chamerau wurde eingestellt (spätestens Mitte der 1980er)
. Juristisch vollzog sich die Abwicklung etwas später: Am 2. Januar 1996 eröffnete das Amtsgericht Regensburg das Konkursverfahren über das Vermögen der Bayerwald Plastikwaren, Kartonagen und Spielefabrik Walter Aulfes KG
. Damit war die Insolvenz offiziell besiegelt. In den folgenden Jahren wurden Firmenteile noch mit einer anderen Gesellschaft verschmolzen
, ehe die Bayerwald Spielefabrik endgültig ihre Pforten schloss.
Dennoch lebt ihr Erbe weiter – sei es in Form von liebevoll erhaltenen Schachsets in Sammlervitrinen oder durch das Andenken an jene Bayerwald-Figuren, auf denen 1960 die besten Schachspieler der Welt ihre Partien ausfochten.
Geschichte der Bayerwald Kartonagen & Spielefabrik (Chamerau, Bayrischer Wald)
Gründung und Leitung (1950er–1960er)
Die Firma wurde um 1950 von Wilhelm Stiehler in Chamerau (Landkreis Cham) gegründet
. Stiehler baute eine bestehende Drechslerei (Holzdreherei) zu einer Produktionsstätte für Brett- und Tischspiele aus
. Das Unternehmen firmierte als Bayerwald Kartonagen – Spielefabrik Wilhelm Stiehler und stellte neben Spielbrettern auch die zugehörigen Verpackungen (Kartonagen) her. In den 1950er Jahren produzierte Bayerwald eine Vielzahl klassischer Gesellschaftsspiele – belegt sind etwa ein Tisch-Federball-Spiel und ein Hütchenspiel (“Hütchen flieg!”) mit dem Kürzel B.K. (Bayerwald Kartonagen) auf der Packung
.
Um 1960 kam es zu einem Inhaberwechsel: Der Münchner Kartonage-Unternehmer Walter Aulfes übernahm die Firma in Chamerau
. Zur selben Zeit war Kaspar Stiehler (vermutlich ein Verwandter Wilhelms) als Firmeninhaber verzeichnet; Stiehler amtierte von 1960 bis 1968 auch als Bürgermeister von Chamerau
. Kaspar Stiehler zog Ende der 1960er Jahre weg (er erwarb an der Donau ein Elektrizitätswerk)
, und Aulfes führte den Betrieb fort. Unter Aulfes’ Leitung erweiterte sich das Sortiment – neben Brettspielen kamen nun auch Plastikwaren hinzu. Die offizielle Handelsregister-Bezeichnung lautete fortan Bayerwald Plastikwaren, Kartonagen und Spielefabrik Walter Aulfes GmbH & Co. KG mit Sitz in Cham
(die KG begann rückwirkend zum 1. Jan. 1956). Aulfes brachte auch seine Familie in das Unternehmen ein; so wurden etwa Vera Aulfes und Marion Aulfes-Schmid als Teilhaberinnen registriert
.
Schachsets für die Olympiade 1960 in Leipzig
Bayerwald erlangte im Schachbereich besondere Bekanntheit durch die Fertigung der offiziellen Schachsets für die 14. Schacholympiade 1960 in Leipzig (DDR)
. Dieses Turnier – vom 26. Oktober bis 9. November 1960 – versammelte Weltklassespieler wie Mikhail Tal und Bobby Fischer, die auf Bayerwald-Brettern und -Figuren spielten
. Die von Bayerwald gelieferten Olympiade-Sets entsprachen dem Staunton-Standard, wiesen aber eine eigenständige nationale Prägung auf
. Zeitgenössische Fotos (z.B. Tal vs. Fischer in Leipzig 1960) zeigen die charakteristischen Figuren und Holzbretter【64†】. Ein originaler Olympiaschachtisch mit Bayerwald-Brett und Figurensatz ist heute in der Heimatstube Burg (Spreewald) ausgestellt
.
Designmerkmale: Die Bayerwald-Schachfiguren dieser Zeit besitzen klassische Staunton-Form, aber mit individuellen Details. So haben die Könige an der Spitze ein schlichtes Kreuz ohne Kugel (bei späteren Varianten teils ein “anglo”-Kreuz)
. Die Springer fallen besonders auf: Sie sind in nach vorn geneigter Haltung geschnitzt, mit schlankem Pferdekopf und ausgeprägten “Ohren” – ein markanter, an ein Seepferdchen erinnernder Stil
. Die Läufer zeigen einen rundlicheren Kopfschnitt (weniger hohe Mitra)
. Auch die Damen und Türme sind in Proportion und Verzierung leicht vom britischen Staunton-Standard abgewandelt, blieben aber funktional. Insgesamt galt das Olympiaset als robust und hochwertig verarbeitet: Die Figuren waren aus Hartholz gedrechselt, dezent beschwert und mit Filzsockeln versehen
. Die helle Seite bestand aus naturfarben lackiertem Holz, die dunklen Figuren waren tiefschwarz (wahrscheinlich ebonisiert oder gebeizt) – in jedem Fall keine einfache Kunststoffimitation, sondern vollwertige Turnierhölzer.
Bayerwald lieferte neben den Figuren auch Spielbretter aus Holz. Für die Olympiade wurden große Turniertische mit eingelegten Schachbrettern gefertigt
. Darüber hinaus produzierte die Firma Schachgarnituren für den freien Verkauf: beispielsweise gab es kompakte Reisekästen, in denen Figuren und ein aufgerolltes Kunststoffbrett verstaut waren
. Ein typisches Set aus den 1960er Jahren umfasste 32 gewichtete Holzfiguren (Königshöhe ca. 9 cm) in einem Schachkoffer mit Klappbrett oder Rollbrett
.
Verwendung und Varianten der Schachgarnituren
Das Leipzig-1960-Set gilt heute als eines der letzten Beispiele einer “nationalen” Turniergarnitur
– in einer Zeit, als viele Länder eigene Schachfigurenstile bei großen Ereignissen präsentierten. Original-Figuren dieser Olympiade sind äußerst selten: Weder Museen noch Sammler berichten, komplette Originalsets im Umlauf gesehen zu haben
. Großmeister Joaquim Durão, der 1960 selbst in Leipzig spielte, bestätigte die Seltenheit dieses speziellen Figurensatzes
. Möglicherweise verblieben die meisten Garnituren in der DDR oder wurden über die Jahre verstreut.
Bayerwald stellte jedoch ähnliche Schachsets auch nach 1960 weiter her. In den 1960er und 70er Jahren waren zwei Hauptvarianten bekannt
: eine frühe Version mit sehr fein geschnitztem, elegantem Springer (wie bei der Olympiade) und eine spätere Version mit etwas vereinfachtem Springerprofil (“Seepferdchen”-Stil)
. Letztere könnte in den späten 60ern oder 70ern produziert worden sein, eventuell um Fertigungskosten zu senken oder den Geschmack der Zeit zu treffen. Beide Varianten blieben dem Staunton-Grunddesign treu und waren bei deutschen Schachspielern beliebt. Bayerwald-Schachsets fanden Verwendung in Vereinen und auf Turnieren in Westdeutschland; parallel setzte sich in den 1970ern aber auch das tschechische „Bohemia“-Schachset (Staunton II) stark durch
.
Interessant ist, dass Bayerwalds Design einen so guten Ruf hatte, dass es später im Kunststoff-Zeitalter kopiert wurde: In den 1990er Jahren kursierte ein Plastik-Schachsatz im Bayerwald-Stil, der die deutschen Open-Turniere förmlich überschwemmte
. Diese Kunststoff-Replik mit gewichteten Figuren und grünen Filzbasen war in vielen Vereinen populär und wird teils bis heute genutzt
. Ob diese Plastiksets noch vom Bayerwald-Unternehmen selbst stammten oder von Nachfolgern/Imitatoren produziert wurden, ist unklar – der Name Bayerwald stand jedoch sinnbildlich für solide Turnier-Schachsets “Made in Germany”.
Sammlerwert und Verbleib
Original-Bayerwald-Schachgarnituren genießen unter Sammlern einen hohen Stellenwert, insbesondere die frühen Ausgaben. Wie erwähnt, sind speziell die Olympia-1960-Sätze extreme Raritäten
– sollte ein vollständiges Exemplar mit Provenienz auftauchen, hätte es beträchtlichen Wert. Auch die gewöhnlichen Turniersets aus den 1950/60er Jahren erzielen heute beachtliche Preise. Beispielsweise wurde ein gut erhaltenes Bayerwald-Staunton-Set (König ~9 cm, mit Original-Holzschatulle) kürzlich für rund 395 US-$ angeboten
. Ein anderes komplettes Set in exzellentem Zustand („nahezu neuwertig“) mit Originalkiste erschien auf eBay und wurde als seltenes Sammlerstück angepriesen
. Sammler schätzen an diesen Garnituren die Kombination aus spielgerechter Stabilität und nostalgischem Design – jedes Detail, vom schlicht gekreuzten Königskronen bis zum formschönen Springer, erzählt ein Stück deutscher Schachgeschichte.
Niedergang und Insolvenz
In den 1980er Jahren geriet die Bayerwald Spielefabrik in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da der Brettspielmarkt sich veränderte und große Konkurrenten dominierten. Die Inhaberfamilie Aulfes zog sich schließlich aus dem Geschäft zurück, und die Produktion in Chamerau wurde eingestellt (spätestens Mitte der 1980er)
. Juristisch vollzog sich die Abwicklung etwas später: Am 2. Januar 1996 eröffnete das Amtsgericht Regensburg das Konkursverfahren über das Vermögen der Bayerwald Plastikwaren, Kartonagen und Spielefabrik Walter Aulfes KG
. Damit war die Insolvenz offiziell besiegelt. In den folgenden Jahren wurden Firmenteile noch mit einer anderen Gesellschaft verschmolzen
, ehe die Bayerwald Spielefabrik endgültig ihre Pforten schloss.
Dennoch lebt ihr Erbe weiter – sei es in Form von liebevoll erhaltenen Schachsets in Sammlervitrinen oder durch das Andenken an jene Bayerwald-Figuren, auf denen 1960 die besten Schachspieler der Welt ihre Partien ausfochten.