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Vielleicht ein Glücksfall

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Das deutsche Schach bekommt eine neue Online-Liga, eine, in der Freizeitteams und Freundeskreise zugelassen sind. Das erklärte jetzt Boris Bruhn, abgewählter Vizepräsident Verbandsentwicklung, während des nach 13 Stunden abgebrochenen DSB-Kongresses. Die Details dieser Liga seien in Arbeit, sie würden demnächst veröffentlicht.

Eine tolle Entwicklung unter einem Präsidenten, der noch vor kurzem insistierte, der DSB mache "Angebote nur für Mitglieder". Eine Liga, in der Freizeitschachspieler Kontakt zum organisierten Schach knüpfen, kombiniert mit einer Initiative, die Vereine für Freizeitschachspieler attraktiv macht, wäre ein zentraler Baustein, um Mitglieder zu gewinnen. Und die dazugehörige Vereinsinitiative gibt es ja schon in Ansätzen. Einer der Köpfe auch dahinter: Boris Bruhn.

Den gibt es nun allerdings nicht mehr, zumindest nicht als Vizepräsident Verbandsentwicklung. Spätestens bei seiner Bewerbung um die Wiederwahl hat Bruhn sich selbst abgeschossen. Anstatt seine eigenen Leistungen der vergangenen Monate ins Zentrum seiner Ansprache zu stellen, präsentierte sich Bruhn als treues Anhängsel des Teams Krause. Statt "Vereinsinitiative" und "Mitglieder gewinnen" sagte Bruhn in den ersten beiden Sätzen zwei Mal "Verbandsprogramm". Nur steht eben dieses (wuchernde) Verbandsprogramm für das Denkmal in eigener Sache, das Ullrich Krause zu hinterlassen gedenkt. Und dem wollten die Delegierten einen Denkzettel verpassen.

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Viele Fragen, ungestellt

Mit Boris Bruhn und dem sogar zwei Mal per Nichtwahl abgewatschten Carsten Schmidt hat es die Falschen getroffen. Ullrich Krause und Marcus Fenner sind diejenigen, die Antworten schuldig sind. Leider sind die Verwalter des Schachs unfähig, ihnen inhaltliche Fragen zu stellen und Antworten einzufordern. Und den Verwaltern fehlt die Kraft, aus den eigenen Reihen personelle Alternativen zu gebären oder externe zu gewinnen.

Die Schmitts und Hensels stehen nur stellvertretend für all die guten Leute im Schach, die auf ihren privaten oder Vereinsinseln viel bewegen, sich aber vom Verband möglichst fernhalten. Nie war die Not so groß, jemand von ihnen einzubinden, aber das gelang nicht. Beim Kongress hat jetzt Ex-Präsident Robert von Weizsäcker stundenlang schweigend zugehört. Anlass für eine Wortmeldung sah er nicht, weder in den Monaten vor dem Kongress noch während des laufenden Trauerspiels, das Weizsäcker als stummer Voyeur verfolgte. Was wiederum hilft, seine Aussage einzuordnen, ihm liege noch am Schach. Allzu ausgeprägt kann das nicht sein, sonst hätte er längst die ihm Kraft seines Namens gegebene Gravitas eingesetzt, um zumindest einen Neuanfang einzufordern. Vielleicht kommt ja jetzt jemand darauf, ihn für die im Verbandsprogramm festgeschriebenen "Kontakte zur Politik" einzusetzen. Dieses Programm ist auf dem besten Weg, ein weiteres Konzeptpapier für die Schublade zu werden, ein zweites Leitbild, das jahrzehntelang unbeachtet rumsteht. Wenn nicht bald jemand konkreten Leuten konkrete Aufgaben gibt, dann werden die im Programm festgeschriebenen Ziele solche bleiben.

In 13 Stunden wurde keiner der jüngsten Abgründe ausgeleuchtet. Wie kann jemand rausgeekelt werden, dessen Arbeit alle Beteiligten für gut halten, jemand, der allseits beliebt ist? Warum wird dem besten deutschen Schachspieler seit Robert Hübner verweigert, unter deutscher Flagge zu spielen? Wie kann es sein, dass das organisierte Schach im Jahr eines Schachbooms die schlechteste Presse seiner Geschichte hat? Marcus Fenner und Ullrich Krause könnten das womöglich beantworten, allemal sind sie verantwortlich. Gefragt hat sie bei der höchsten deutschen Schachversammlung niemand.

Stattdessen: Formalien. Der schleichend kaltgestellte Andreas Jagodzinsky kann jetzt in einem 14-seitigen Papier schwarz auf weiß nachlesen, dass unter Marcus Fenner nicht einmal formal alles korrekt zugeht.

So, what? Ullrich Krause hat schon erklärt, wie er die Sonderprüfung Leistungssport von Rechtsberater Thomas Strobl auszusitzen gedenkt: Strobls Prüfung müsse nun intensiv geprüft werden, sagt Krause. Mit anderen Worten: Von dieser Angelegenheit werden wir nie wieder hören.

Two more years: DSB-Präsident Ullrich Krause. | Foto: Deutscher Schachbund

Vielleicht kommt es ja zu einem Neuanfang in der Sache und in der Umgangskultur. Vielleicht lernen die beiden Herren, Grautöne zu sehen, vielleicht emanzipiert sich Krause, vielleicht findet er sein Rückgrat und Fenner ein Maß für Angemessenes. Anzeichen, dass beide fündig werden, gab es zuletzt. Aber wenn es jetzt tatsächlich besser wird, wenn den vergangenen 6 Monaten ohne Katastrophe tatsächlich 24 weitere folgen, dann wird das ausschließlich daran liegen, dass die beiden Herren von sich aus gemerkt haben, dass es so nicht weitergeht.

Der Bundeskongress hat daran keinen Anteil, er hat nicht hinterfragt und keine Antworten verlangt. Als an Gestaltung interessiertes Organ, erst Recht als Korrektiv und Wegweiser ist die höchste deutsche Schachversammlung ein Totalausfall.

Alternativen hat sie nicht präsentiert. Die Delegierten hatten Monate der Vorbereitung, Monate, in denen niemand einen Plan entwickelt hat, wie sich die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen konstruktiv kanalisieren lässt. Nun fiel den Delegierten nichts anderes ein, als Anhängsel abzuwatschen und die Präsidentengeschäftsführereinheit geschwächt im Amt zu belassen.

Immerhin: Als sich abzeichnete, dass die allseits als Finanzchefin gewünschte Gulsana Barpiyeva nur antreten würde, wenn Olga Birkholz mit im Boot ist, gelang es, diese Konstellation kurzfristig möglich zu machen.

Vielleicht ergibt sich der Glücksfall, dass aus der Plan- und Ideenlosigkeit des Kongresses eine fruchtbare Konstellation erwächst. Die Alternative wäre, dass es die Führungsriege zerreißt.

Unser neues Präsidium sieht so aus:

  • Ullrich Krause (Präsident)
  • Ralph Alt (Vizepräsident Sport, stellv. Präsident)
  • Gulsana Barpiyeva (Finanzen)
  • Olga Birkholz (Verbandsentwicklung)

Am 9. Oktober wird der Kongress wieder aufgenommen. Eine erste Einordnung von Holger Hank alias @seitenschach:

aus reiner Neugier: wie kommen die 57 stimmberechtigten Mitglieder zustande?

Laut § 4 der Satzung des Deutschen Schachbundes

"(1) Mitglieder des Bundes sind:
1. als Mitgliedsorganisationen:
a) die Landesverbände, (17)
b) der Deutsche Schachjugend e.V., (1)
c) sonstige Schachorganisationen; (ich nehme an: Deutscher Blinden- und Sehbehinderten-Schachbund (DBSB), die Schwalbe, Deutscher Fernschachbund und der Verein Schachbundesliga e. V. , also noch (4)
2. die Ehrenpräsidenten und Ehrenmitglieder des Bundes."

D.h., ich bin jetzt bei 22 plus Ehrenmitglieder. Die Vertreter der Landesverbände stimmen jeweils in einer Einheit, daher 17 Stimmberechtigte. Woher kommt dann der Rest?

Gruß

Ilja Rosmann

Zitat von Spieler77 am 13. Juni 2021, 14:14 Uhr

aus reiner Neugier: wie kommen die 57 stimmberechtigten Mitglieder zustande?

DSB-Satzung:

§ 19 Stimmrecht
(1) Stimmberechtigt sind:
1. die Mitglieder des Bundeskongresses gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 – 16 der Satzung mit je einer Stimme
auch bei Ausübung mehrerer Funktionen,
2. die Vorsitzenden der Mitgliedsorganisationen oder deren mit schriftlicher Vollmacht ausgewiesene
Vertreter mit je einer Stimme,
3. die Delegierten der Landesverbände und der sonstigen Schachorganisationen, die den Status eines
Landesverbandes besitzen, mit einer Stimme für je angefangene 500 der dem Bund gemeldeten
Einzelmitglieder der Vereine und Schachabteilungen,
4. die Delegierten der DSJ mit 2 Stimmen

das ist ja interessant..

"Kein Stimmrecht für Nichtmitglieder

Nichtmitglieder können im Verein kein Stimmrecht erhalten, selbst wenn die Satzung das ausdrücklich vorsieht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken für einen Verband klar gestellt, dessen Satzung den Mitgliedern eines angegliederten Verbands Mitgliederrechte einräumte. Erlaubt die Satzung einen so weitgehenden Fremdeinfluss, ist die Vereinsautonomie unzulässig eingeschränkt, so das OLG. Der Verein läuft Gefahr, nicht mehr von der Willensbildung der eigenen Mitglieder getragen zu werden, sondern unter den Einfluss vereinsfremder Dritter zu geraten. (Urteil vom 15.11.2006, Az: 1 U 636/05-218) (Abruf-Nr. 063761)"

Quelle: https://www.iww.de/vb/archiv/vereinsrecht-kein-stimmrecht-fuer-nichtmitglieder-f18436

 

Dann ist ja gut, dass der Gewerbeverband beim DSB-Kongress nicht als Mitglied gilt. 🙂

Zitat von Spieler77 am 13. Juni 2021, 14:14 Uhr

aus reiner Neugier: wie kommen die 57 stimmberechtigten Mitglieder zustande?

Laut § 4 der Satzung des Deutschen Schachbundes

"(1) Mitglieder des Bundes sind:
1. als Mitgliedsorganisationen:
a) die Landesverbände, (17)
b) der Deutsche Schachjugend e.V., (1)
c) sonstige Schachorganisationen; (ich nehme an: Deutscher Blinden- und Sehbehinderten-Schachbund (DBSB), die Schwalbe, Deutscher Fernschachbund und der Verein Schachbundesliga e. V. , also noch (4)
2. die Ehrenpräsidenten und Ehrenmitglieder des Bundes."

D.h., ich bin jetzt bei 22 plus Ehrenmitglieder. Die Vertreter der Landesverbände stimmen jeweils in einer Einheit, daher 17 Stimmberechtigte. Woher kommt dann der Rest?

Gruß

Ilja Rosmann

Die Landesverbände haben eine Stimme je 500 Mitglieder.

Zitat von Conrad Schormann am 13. Juni 2021, 15:43 Uhr

Die Landesverbände haben eine Stimme je 500 Mitglieder.

Es wurde nicht nach den Stimmen, sondern nach den Stimmberechtigten gefragt.

Stimmberechtigt waren 57.

Stimmen waren es über 200.

Siehe auch § 19 DSB-Satzung: ... Die Vorsitzenden der Mitgliedsorganisationen bzw. deren
Vertreter und die Delegierten dürfen jeweils bis zu zehn Stimmen vertreten.

es sieht also so aus, als ob sämtliche Abstimmungen nichtig wären... Vermutlich schon seit Jahren. Muss nur noch jemand klagen.

Vermutlich hat da jemand wenig Ahnung, und das wohl schon seit Jahren. 🙂

Zitat von Spieler77 am 13. Juni 2021, 16:05 Uhr

es sieht also so aus, als ob sämtliche Abstimmungen nichtig wären... Vermutlich schon seit Jahren. Muss nur noch jemand klagen.

Na dann mal los.

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