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Tony Miles (1955-2001)

Tony Miles (1955-2001)

Als Tony Miles mit Schwarz gegen Anatoli Karpow spielte, eröffnete er mit 1...a6. Der sowjetische Weltmeister runzelte die Stirn, die Zuschauer murmelten, und Miles gewann. Diese Partie von 1980 in Skara, Schweden, machte Miles zur Kultfigur.


Frühe Jahre in Birmingham

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Anthony John Miles wurde am 23. April 1955 in Birmingham geboren – am englischen Georgstag. Mit fünf brachte ihm sein Vater das Schachspiel bei. Drei Jahre lang spielte er jeden Abend. Dann legte er das Spiel beiseite – bis seine Schule vom Schachfieber erfasst wurde. Miles war wieder dabei – und bald allen überlegen, sogar seinen Lehrern.

Mit elf spielte er erste Wettkämpfe, gewann Stadtmeisterschaften und trat dem lokalen Schachclub bei. 1967 wurde er Zweiter bei den Schnellschachmeisterschaften von Birmingham – bei den Erwachsenen. Kurz darauf gewann er die britische U14-Meisterschaft, schlug später seinen ewigen Rivalen John Nunn und triumphierte auch bei der U21.

Bei der Jugend-WM 1973 in Teesside holte er Silber. Sein Gepäck wurde gestohlen, doch Miles ließ sich nicht beirren. 1974 dann Gold – in Manila. Seine Lieblingspartie dort: ein Sieg über Alexander Kochyev mit der Drachenvariante.


Großmeister – mit einem Telegramm

1976 war es so weit. Beim Turnier in Dubna erspielte sich Tony Miles seine zweite Großmeisternorm – damit war ihm der Titel sicher. Noch vor seiner Rückreise nach England schickte er wie versprochen ein Telegramm an einen Verbandsfunktionär, der ihn gebeten hatte, sich im Erfolgsfall zu melden. Der Inhalt bestand aus nur zwei Worten: „A cable – Tony Miles“. Die trockene Botschaft wurde zum Sinnbild seines Humors. Mit dem Titel war Miles der erste gebürtige Engländer, der Großmeister wurde. Der Unternehmer Jim Slater überreichte ihm dafür die ausgelobten 5000 Pfund.


Durchbruch gegen die Weltelite

Miles schlug sie alle: Smyslow, Tal, Spasski. 1984 gewann er das prestigeträchtige Turnier in Tilburg, 1982 die Britische Meisterschaft, mehrfach das IBM-Turnier in Amsterdam, das Capablanca Memorial in Havanna. Bei der Schacholympiade 1984 holte er mit England Silber. Sein Elo-Höchststand: Platz 9 der Welt.

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Die berühmteste Partie: 1...a6

In Skara 1980 setzte Miles mit Schwarz gegen Weltmeister Karpow auf 1...a6 – eine seltene Eröffnung, später „St. George Defence“ genannt. Und er gewann. Karpow verweigerte die Unterschrift auf dem Partieformular. Jahre später besiegte Miles Karpow erneut – in einer Fernsehpartie der BBC.

BBC, "The Master Game", Short vs. Miles 1981


Zwischen Genie und Krise

Doch Miles war kein stabiler Champion. Er litt an starken Stimmungsschwankungen, zeigte zeitweise paranoide Züge. 1985 geriet er in einen öffentlichen Streit mit Raymond Keene. Es ging um Honorare, um die Rolle des Verbandes – und um Miles’ Gesundheit. Er schlief kaum, wurde krank, konnte nicht mehr spielen.

1987 wurde er in der Downing Street festgenommen. Er hatte geglaubt, die Premierministerin müsse von einem Komplott gegen ihn erfahren. Es folgte ein Klinikaufenthalt.


Ein Leben in Bewegung

Danach spielte Miles für Porz, lebte zeitweise in Deutschland, später in Australien. Er gewann wieder Turniere, etwa Cappelle-la-Grande, und schlug 1995 beim PCA-Grandprix Kramnik und van Wely. Gegen Kasparow verlor er 1986 jedoch ein Match mit 0,5:5,5 – „Ich spielte nicht gegen einen Weltmeister, sondern gegen ein Monster mit 22 Augen“, sagte er.


Ein scharfer Kopf, ein scharfer Stift

Miles war ein brillanter Kommentator. Für Kingpin und Chess Café schrieb er bissige Kolumnen, spöttisch, klug, pointiert. Seine Rezension von Eric Schillers Eröffnungsbuch bestand aus zwei Worten: „Utter crap“.

Er verspottete Karpow („Has Karpov lost his marbles?“), kritisierte Funktionäre, beschimpfte das „System“. Und gewann dennoch Turniere – oft im Liegen. 1985 spielte er das Turnier in Tilburg mit einem ärztlichen Attest – wegen Rückenschmerzen auf einer Liege. Robert Hübner weigerte sich anfangs zu spielen. Die Partie wurde verschoben.


Letzte Jahre, letzter Kampf

In den 1990ern pendelte Miles zwischen Ländern, Turnieren, Stimmungen. Seine zweite Ehe scheiterte. 1999 wurde Diabetes diagnostiziert. 2001 brach er beim British Championship die vorletzte Runde ab – krank. Am 12. November 2001 starb er in Birmingham an einem Herzinfarkt. Er war 46.


Ein Vorbild – trotz allem

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Nigel Short sagte über ihn: „Er war unser bedeutendster Spieler seit Joseph Blackburne.“ Miles habe dem britischen Schach den Weg geebnet, mit Mut, Talent und Biss. Genna Sosonko nannte ihn „einen Meister des sarkastischen Kommentars“.

Tony Miles war nicht einfach. Aber einzigartig.

Am 23. April 2025 wäre er 70 geworden.

Tony Miles, der erste britische Großmeister. Einer, der spielte, wie er lebte: ohne Angst vor großen Namen. Und mit dem Mut, 1...a6 gegen Karpow zu ziehen.

Quellen:

https://www.chesshistory.com/winter/extra/miles.html
https://de.chessbase.com/post/it-s-only-me-erinnerungen-an-tony-miles
https://de.wikipedia.org/wiki/Tony_Miles_(Schachspieler)
https://en.wikipedia.org/wiki/Tony_Miles
https://de.chessbase.com/post/erinnerung-an-tony-miles

Klappentext "It's only me":

The charismatic Tony Miles has been much missed since his tragic and premature death in 2001. Regarded as one of England's greatest ever chess players and analysts, he was also one of the wittiest writers on the game. By sheer force of example and ebullient peronality, he inspired the 'English chess explosion' after becoming the first UK grandmaster in the mid 70s. This Fascinating collection of over a hundred games and articles, covering Tony's entire chess career, includes his most celebrated wins, a few losses, and in addition to the famous game against Karpov with the bizarre St George's opening 1 e4 a6 - a less well known victory over the then world champion from a television tournament. All the games are annotated by Tony himself - in his own inimitable style. This fitting tribute is rounded off with a review of Tony's original opening repertoire as well as personal appreciations by his Birmingham clubmates and friends Mike Fox, Malcolm Hunt and Geoff Lawton.

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Tony Miles (1955 – 2001)

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