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Schach in den USA

Dem Spitzenschach in den USA fehlt die Nachhaltigkeit. Es gibt nur Rex Sinquefield - und die Tendenz, Talente aus dem Ausland zu kaufen:

https://thechessdrum.net/blog/2025/03/26/is-hans-niemann-right/

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Was passiert, wenn sich Rex Sinquefield zurückzieht?

Diese Frage steht unausgesprochen über allem, was im US-Schach heute noch funktioniert. Seit der Gründung des St. Louis Chess Club 2008 ist Rex Sinquefield der wichtigste Förderer des amerikanischen Schachs. Ohne ihn gäbe es keine US-Meisterschaften auf Spitzenniveau, keine Sinquefield Cups, kein Weltklassezentrum mit Grandmastern, kein Umzug der US Chess Federation nach St. Louis. Was bleibt, wenn Sinquefield sich zurückzieht?

Hans Niemann hat diese Frage nicht direkt gestellt. Aber seine scharfe Kritik an der US-Schachstruktur zielt genau auf diesen Punkt. Er wirft dem System vor, zu sehr auf Einzelpersonen und äußere Einflüsse zu setzen – und dabei die eigenen Talente zu übersehen. Niemann spricht von verpassten Chancen, von einem Umfeld, das junge Spieler nicht hält, sondern sie zum Ausstieg oder zur Auswanderung zwingt. Seine Forderung: mehr Förderung für Spieler, bevor sie an die Weggabelung geraten – Schach oder Karriere?

Niemanns Kritik: Wer investiert in amerikanische Talente?

Niemann beschreibt ein Dilemma: Junge Talente werden ausgebildet, aber wenn sie an der Schwelle zum Profi-Schach stehen, fehlt die Unterstützung. Andere Länder wie Indien oder China schaffen langfristige Strukturen. In den USA hingegen bleiben viele Talente auf der Strecke – oder gehen wie Fabiano Caruana und Abhimanyu Mishra ins Ausland, um dort zu reifen.

Sein Vorwurf: In den USA gibt es zwar viele Turniere, aber kaum welche mit Normchancen. Stipendien wie die Samford Fellowship helfen wenigen. Akademische Laufbahnen wirken oft attraktiver, weil ein klarer Weg erkennbar ist. Schach bleibt ein Nebenschauplatz. Viele Juniors geben auf, bevor sie ihr volles Potenzial erreichen – nicht aus Mangel an Talent, sondern weil die Struktur fehlt.

Eine wechselvolle Geschichte: US-Schach nach Fischer

Nach Bobby Fischers WM-Sieg 1972 boomte das Schach in den USA. In den 70er- und 80er-Jahren entstanden neue Talente wie Yasser Seirawan, Larry Christiansen, John Fedorowicz. Parallel kamen starke sowjetische Emigranten wie Anatoly Lein, Lev Alburt und Boris Kogan ins Land. Die Qualität stieg – doch eine nachhaltige Förderstruktur entstand nicht.

In den 90ern setzte sich der Trend fort. Viele starke Spieler kamen aus der ehemaligen Sowjetunion. Amerikanische Talente hatten Mühe, sich durchzusetzen. Die Folge: Immer wieder mussten junge Spieler wie Hikaru Nakamura lange um ihre Anerkennung kämpfen. Nakamura wurde 2004 nicht für die Olympiade nominiert, obwohl er stärker war als einige gesetzte Spieler. Auch Caruana verließ die USA, weil es an Trainings- und Turniermöglichkeiten fehlte.

Ein Zentrum entsteht: St. Louis als Schachhauptstadt

Der große Umbruch kam mit Rex Sinquefield. Mit seinem Geld entstand in St. Louis ein Leistungszentrum, das neue Maßstäbe setzte. Dort entwickelten sich Spieler wie Ray Robson, Sam Shankland oder Carissa Yip. Auch Turnierserien wie der Grand Chess Tour fanden hier eine Heimat. Doch auch diese Erfolge beruhen auf privater Initiative – nicht auf einem nationalen System.

Die Schattenseite: Die USA rekrutieren weiterhin Spitzenspieler aus dem Ausland. Wesley So kam aus den Philippinen, Levon Aronian aus Armenien, Lenier Dominguez aus Kuba. Viele US-Juniors sehen, dass diese Spieler direkt ins Nationalteam aufgenommen werden – während sie selbst um Fördermittel kämpfen müssen. Das demotiviert.

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Hat Niemann recht?

Die Zahlen geben ihm teilweise recht. Die US-Jugendturniere sind stark besetzt. Doch viele Topspieler verlassen die Szene früh oder verschwinden im Hochschulsystem. Von zehn Teilnehmern der U.S. Junior Championship 2015 sind nur drei noch ernsthaft im Schach aktiv. Jeffery Xiong, einst Juniorenweltmeister, hat nie für die Olympiamannschaft gespielt. Awonder Liang wird bald seinen Abschluss an der University of Chicago machen. Ob er im Schach bleibt, ist offen.

Niemann schlägt vor, Spitzentalenten gezielte Förderpakete zu bieten – etwa 100.000 Dollar jährlich, um sich voll auf Schach konzentrieren zu können. Das Modell existiert in Indien längst: Firmen stellen Großmeister ein, finanzieren Turnierreisen, schaffen Trainingszentren. In China unterstützt der Staat gezielt. In beiden Ländern ist Schach ein national anerkanntes System. In den USA bleibt es ein Hobby – selbst auf höchstem Niveau.

Fazit

Hans Niemann ist unbequem. Seine Art polarisiert. Doch seine Kritik trifft einen wunden Punkt: Die USA sind dabei, ihr eigenes Potenzial zu verspielen. Die große Schachmacht der 2010er-Jahre – mit Caruana, Nakamura, So – hat kein Nachwuchssystem hinterlassen, das den nächsten Schub erzeugen könnte.

Wenn Rex Sinquefield sich zurückzieht und keine nationale Struktur entsteht, wird das US-Schach seinen Platz im Weltklassebereich verlieren. Das wäre kein Drama – aber eine vertane Chance.

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