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Richard Réti

Richard Réti: Der Schachpionier des Hypermodernen Spiels

Richard Réti wurde 1889 in eine jüdische Familie in der k.u.k.-Monarchie geboren – in einem Gebiet, das heute zur Slowakei gehört. Schon als Sechsjähriger verblüffte er seine Familie, als er Fehler in den Partien seiner älteren Verwandten korrigierte. Doch erst als Zwölfjähriger wurde sein Schachtalent wirklich sichtbar: Seine Familie entdeckte, dass er in Briefkontakt mit Hermann von Gottschall, einem renommierten Schachpublizisten, stand. Gottschall schrieb ihm begeistert zurück:

"Ihr Problem wird in einer unserer nächsten Kolumnen veröffentlicht. Und wenn es stimmt, dass Sie erst zwölf Jahre alt sind und Ihnen niemand geholfen hat, dann gratuliere ich Ihnen von Herzen."

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Diese Anerkennung motivierte Réti und führte zu einem Treffen mit Carl Schlechter, das so verlief, wie man es von zwei Schachgenies erwarten konnte: Ohne viele Worte setzten sie sich ans Brett und spielten.

Von einem Schach-Wunderkind zum Außenseiter

Réti trat bald dem Wiener Schachklub bei und galt als großes Talent. Doch beim Jubiläumsturnier in Wien 1908 erlitt er einen dramatischen Rückschlag: 0 Siege, 16 Niederlagen, 3 Remis. Ein katastrophales Ergebnis, das ihn als „hoffnungslosen Verlierer“ abstempelte. Enttäuscht zog er sich vom Schach zurück und widmete sich stattdessen der Mathematik.

Der Erste Weltkrieg brachte eine unerwartete Wende in seiner Karriere: Während seines Militärdienstes in Serbien erlaubten ihm schachbegeisterte Offiziere, an Turnieren teilzunehmen. Er nutzte diese Zeit, um sich tief in die strategische Analyse des Spiels zu vertiefen. Hier entwickelte er die Ideen des Hypermodernen Schachs, lange bevor sie offiziell formuliert wurden.

"Es kam mir allmählich der Gedanke, dass bestimmte Züge und Entwicklungspläne, die auf den ersten Blick keinen Raumgewinn oder Schutz vor gegnerischen Angriffen boten, dennoch – wenn richtig behandelt – zu einer überlegenen Stellung führen konnten."

Die Geburt des Hypermodernen Schachs

Sein Durchbruch kam 1920 in Göteborg, dem ersten großen Turnier nach dem Krieg. Mit einem sensationellen Turniersieg bewies Réti, dass seine neue Art des Spiels funktionierte. Das Hypermoderne Schach war geboren. Die klassische Schule, die Zentrumskontrolle durch Bauern propagierte, wurde durch Spieler wie Réti und Aaron Nimzowitsch herausgefordert: Sie überließen das Zentrum zunächst dem Gegner, um es dann durch gezielte Angriffe aus der Distanz zu unterminieren.

Doch obwohl Réti eine zentrale Figur dieser Schachrevolution war, blieb Göteborg 1920 sein einziger großer Turniersieg.

Warum Rétis Turnierkarriere stagnierte

Trotz seiner genialen Ideen blieb Réti hinter den besten Spielern seiner Zeit zurück. Dafür gab es mehrere Gründe:

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  • Taktische Schwäche: Er war ein Meister der Strategie, doch gegen Spieler mit starkem taktischem Gespür wie Capablanca oder Alekhine geriet er oft in Bedrängnis.
  • Schwarz-Problematik: Mit Weiß konnte er seine hypermodernen Ideen perfekt umsetzen. Doch mit Schwarz wirkte er oft zu defensiv und passiv, als fürchte er, dass seine Gegner ihn mit denselben Methoden schlagen könnten.
  • Theorie wichtiger als Praxis: Réti war weniger an Turniersiegen interessiert als an der Erforschung der „inneren Logik“ des Schachs. Sein Bruder Rudolph schrieb, dass Réti oft neue Konzepte ausprobierte – selbst wenn es bedeutete, eine Partie zu verlieren.

"Wenn er eine Partie verlor, dachte er nicht an den verpassten Sieg, sondern daran, ob sein Konzept mit einem kleinen Manöverwechsel vielleicht doch funktioniert hätte."

Rétis Meisterwerke: Studien und Partien

Sein abstraktes Verständnis des Schachs zeigte sich besonders in Endspielstudien, darunter die berühmteste aller Zeiten:

Weiß am Zug hält Remis.

Diese Studie wirkt auf den ersten Blick unmöglich, da der schwarze Bauer scheinbar schneller zur Dame läuft. Doch Réti fand einen paradoxen Weg: Der weiße König kann gleichzeitig den gegnerischen Bauern aufhalten und den eigenen unterstützen – eine tiefe geometrische Idee, die klassische Schachprinzipien über den Haufen wirft.

Auch in praktischen Partien bewies Réti seine Genialität. 1924 besiegte er Capablanca in New York – die erste Niederlage des Weltmeisters seit 8 Jahren!

Seine Strategie in der Partie war revolutionär:

  • Er entwickelte den Läufer auf b2 und setzte Capablanca aus der Ferne unter Druck.
  • Erst nachdem er genug Spannungen aufgebaut hatte, griff er im richtigen Moment das Zentrum an.

Dies entsprach seinem "Delayed-Fuse"-Prinzip: Statt früh das Zentrum zu besetzen, sammelte er erst potenzielle Energie und explodierte dann mit maximaler Wirkung.

Réti als Schachphilosoph und Autor

Sein wohl größtes Vermächtnis hinterließ Réti nicht am Brett, sondern auf Papier:

  • Die Meister des Schachbretts (1929) – eines der einflussreichsten Schachbücher aller Zeiten.
  • Er behandelte Schachspieler als Künstler, die ihre eigenen Ideen und Stile entwickelten.
  • Seine Theorien prägten Generationen von Schachspielern und beeinflussten spätere Konzepte wie das Dynamische Schach.

Ein viel zu früher Tod

1929 starb Richard Réti mit nur 40 Jahren an Scharlachfieber. Sein Bruder glaubte, dass er erst am Anfang einer noch tieferen Erforschung des Schachs stand.

"Seine Liebe zum Schach wuchs mit den Jahren nur noch stärker – zu einer brennenden, alles verzehrenden Leidenschaft."

Sein Erbe

Heute ist Réti unsterblich:

  • Seine Eröffnungsstrategie lebt in der Réti-Eröffnung (1. Sf3) weiter.
  • Seine Studien und Partien sind zeitlose Meisterwerke.
  • Seine Ideen über Dynamik und Geometrie des Schachs sind noch immer hochmodern.

Richard Réti mag als Turnierspieler nicht der Allergrößte gewesen sein – doch als Denker, Theoretiker und Schachphilosoph gehört er zu den bedeutendsten Figuren der Schachgeschichte.

Amazon-Klappentext: "Die Meister des Schachbretts" ist ein außergewöhnliches Lehrbuch. Der Autor Richard Réti konzipierte es als Partiensammlung, in welcher er in chronologischer Reihenfolge die Meister von Anderssen bis hin zum damaligen Weltmeister Aljechin porträtierte. Gleichzeitig erarbeitete Réti eine Ideengeschichte des Schachspiels. Er hatte bereits frühzeitig erkannt, dass man sich mit der historischen Fortentwicklung des Schachspiels befassen sollte, um zu einem besseren Schachverständnis zu gelangen. In den hervorragenden Partiekommentaren widmete sich Réti vor allem den zugrundeliegenden Plänen und Ideen und vermittelte dem Leser so auf verständliche Weise sein tiefes Wissen. Die Konzeption des Buches wird aus folgendem Zitat deutlich: "Es steckt viel mehr schachliche Wahrheit in den Ideen, als in den Varianten. Obwohl man diese Schwarz auf Weiß in dicken Büchern, die wissenschaftliches Gepräge haben, gedruckt finden kann, erweisen sie sich doch in der Regel nach einigen Jahren, manchmal sogar schon, ehe sie aus der Presse kommen, als falsch. Wer dagegen den Geist der Eröffnungen richtig versteht, kann Vertrauen haben, daß er auch ohne Variantenkenntnis keine schlechte Partie bekommen wird." (Richard Réti).Der Originaltext von "Die Meister des Schachbretts" aus dem Jahre 1930 wurde in dieser Neuausgabe ungekürzt übernommen (inkl. der traditionellen Rechtschreibung). Lediglich einige offensichtliche Fehler (z.B. in den Partienotationen) wurden bereinigt. Die Urfassung enthielt allerdings nur wenige Schachdiagramme. Um die Lesbarkeit zu erhöhen, wurden weitere Diagramme hinzugefügt. Außerdem wurde auf die moderne figurine Partienotation umgestellt.

Amazon-Klappentext: Das Buch "Die neuen Ideen im Schachspiel" ist ein Klassiker der Schachliteratur. Der Autor Richard Réti war einer der führenden Schachspieler der Welt. Als einer der bekanntesten Vertreter der sogenannten "Hypermodernen Schachschule" modernisierte er die Schachlehre der alten Meister. In seinem Werk erläutert er die bahnbrechenden Ideen und Theorien dieses neuen Ansatzes anhand zahlreicher Beispiele. Außerdem liefert er ein lebendiges Bild der Schachwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dieser Neuausgabe liegt das ungekürzte Original von 1922 zugrunde. Es wurde typografisch komplett überarbeitet und einem modernen Layout zugeführt. Außerdem wurden zusätzliche Informationen, Partien und Diagramme eingefügt.

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